
Mädchen-Rugby: "Blaue Flecken sind cool"
Mädchensport Rugby Blaue Flecken, rote Nägel
Die Fingernägel hat sie sich rot lackiert, das macht Josephine vor jedem Spiel. Der Rugby-Ball wirkt riesig in ihren Händen, gekonnt presst sie ihn mit einer Hand an den Körper, die andere streckt sie aus, um Gegnerinnen abzuwehren. Sie sprintet über das Spielfeld, bis eine Spielerin sie von der Seite hart anrempelt und zu Boden reißt. Dumpf knallt ihr Körper auf den Rasen, von Regen durchnässt. Keine Miene verzieht Josephine, sondern sie steht auf, spielt weiter.
Rugby-Spieler sind kompakt, muskulös, zahnlos? Sie haben mehr Blessuren als ein Cowboy nach dem Rodeo? Nichts für kleine Mädchen?
Josephine ist 14 Jahre alt, mittelgroß und schlank, sie hat lange, lockige Haare und ein sehr feines Gesicht, mit den großen, hellen Augen wirkt es fast schon zerbrechlich. Mit ihr auf dem Platz stehen neun andere Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren, breitschultrige Mannweiber sucht man vergeblich. Sie alle spielen beim FC St. Pauli, der Verein wird bald die erste Rugby-Mädchenmannschaft des Nordens gründen. Bisher trainierten sie oft mit den Jungs, weil es für eine eigene Mannschaft nicht reichte.
"Wir sind nicht diese Jungskumpeltypen"
1823 soll ein englischer Schüler erstmals einen Ball in die Hand genommen und mit ihm losgelaufen sein. Rugby war geboren. Von England aus verbreitete sich der Sport rasch auch ins übrige Europa, in Deutschland war Heidelberg früh mit dabei. Im Gegensatz zum American Football wird Rugby ohne Helm und Polster gespielt, direkter und rauer. Inzwischen sind auch Frauen in diesem Business sehr erfolgreich: Die deutsche Nationalmannschaft hat eine realistische Chance, 2016 bei Olympia teilzunehmen. Auch die Frauen des FC St. Pauli gehören zu den Besten: Mit acht Meisterschaftstiteln sind sie die erfolgreichste Mannschaft des Vereins.
Die Mädchen haben oft mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass Rugby nichts für Mädchen sei. "Wir sind nicht diese Jungskumpeltypen", sagt Josephine. Die Mitschülerinnen von Josephine und den anderen Spielerinnen können es oft kaum glauben, wenn sie erfahren, dass sie Rugby spielen. "Ist doch voll der brutale Sport", sagen sie dann. Oder: "Wie reagieren Jungs darauf?" Einige aus dem Team werden von den Jungen in der Schule belächelt, andere ernten Respekt.

Nachwuchssportler: Wovon sie träumen, was sie antreibt
Ruby, 16 Jahre alt und Josephines Teamfreundin, stört die Irritation der anderen nicht. Es ist eher so, dass sie und die anderen stolz darauf sind, Rugby zu spielen. Genau wie die meisten Mitspielerinnen achtet Ruby auf ihr Äußeres, schminkt sich, zieht hohe Schuhe an und trägt auch den roten Nagellack. Warum? "Man muss sich immer wieder gegen das Stereotyp verteidigen, dass man eine brutale Rugby-Braut ist", sagt Josephine. So zeigen sie, dass sie Ladys sind.
Junge Damen, die bei der Jagd nach dem Ball keine Scheu zeigen: Ruby versucht, den Ball über die gegnerische Linie zu bekommen, eine Mitspielerin reißt sie zu Boden, fünf weitere schmeißen sich auf sie. Ein Geflecht aus langen Haaren, Trikots, rotem Nagellack - und irgendwo der Ball.
Rugby ist kein stumpfer Ichkloppallenieder-Sport. Das Tackeln, das Ringen um den Ball, hinter allem steckt Technik und strenge Regeln, wobei Prellungen und dreckige Knie natürlich dazu gehören. "Blaue Flecken sind cool", sagen die Mädchen und lächeln. Der Sport habe ihr Selbstbewusstsein gestärkt.
Sie hören ihrem Trainer Jens Michau genau zu, als er ihnen Tipps gibt. Seit 40 Jahren trainiert er schon Rugby-Mannschaften - Männer und Frauen. "Ich bin begeistert von dem Einsatz", sagt er. "Ob Junge oder Mädchen - beide geben alles." Aber: "Die Mädchen sind sehr eifrig und setzen daher Vorschläge besser um." Er findet, das Training mit den Jungen beeinflusst die Spielart der Mädchen. "Die Jungen gehen höhere Risiken ein. Dadurch sind die Mädchen abgehärteter und kämpferischer", sagt er.
Wenn dann diese Mädchen wieder in einer reinen Frauenmannschaft trainieren, sind sie manchmal zu kämpferisch: "Wir müssen die Mädchen ein bisschen bremsen, wenn sie bei uns mit trainieren", sagt Alina Stolz, sie spielt in der Frauenmannschaft und betreut die Mädchen. Sie findet, so ein gemischtes Training tut auch manchem Jungen gut: "Es ist für die Jungs eine super Erfahrung, in dem Alter von einem Mädchen umgehauen zu werden", sagt sie schmunzelnd. "Das kratzt am Ego."
"Mir macht es Spaß mit den Jungs zu trainieren", sagt Josephine. In der Jugendmannschaft darf sie das noch, in der U16 nicht mehr, dann sind die Jungs meist viel größer und kräftiger als sie. Josephine lässt sich davon aber nicht beeindrucken: "Darum habe ich mit Krafttraining angefangen, um mit ihnen mitzuhalten."