Mein erstes Mal Norman, 19, organisiert eine Demo für Computerspiele

Ein Verbot von Ego-Shootern? Nicht mit Norman Schlorke, 19. Der Computerzocker organisierte eine Demo gegen ein Verbot von Spielen wie Counter-Strike. Zum Vorbereitungstreffen kamen vier Leute, doch zur Demo strömten Hunderte - und zum Mikro griff sogar Normans Mutter.

"Am Freitag der Demo sollte hier in Karlsruhe ein Turnier professioneller Computerspieler stattfinden. Deren Liga, die Electronic Sports League (ESL), tourt seit Jahren durch deutsche Städte und zeigt Live-Partien, meist das Strategiespiel Warcraft 3, den Ego-Shooter Counter-Strike und Fifa, ein Fußballspiel.

"Wir sind keine Amokläufer": Norman macht Stimmung auf seiner Demo

"Wir sind keine Amokläufer": Norman macht Stimmung auf seiner Demo

Foto: Anett Schlorke

Ich hatte zu dem Turnier meine Eltern eingeladen, damit sie sich das mal angucken können. Sie hatten sich auch zur Eltern-Lan angemeldet; die Bundeszentrale für politische Bildung informiert dort Eltern und Lehrer über Computerspiele und lässt sie auch mal selbst in den Genuss des Zockens kommen.

Der Karlsruher Bürgermeister fand gerade diese Eltern-Lan gut. Doch einige seiner CDU-Parteikollegen haben Stimmung gegen das Turnier gemacht, so dass der Veranstalter schließlich absagte. Die ESL hatte keine Lust, zum politischen Spielball zu werden. Ich finde, dass Politiker Hunderttausende von Menschen kriminalisieren, indem sie unser Hobby "Killerspiele" nennen, ohne davon Ahnung zu haben. Aber ich spiele keine Killerspiele, die sind nämlich in DeutschLand verboten. Ich spiele seit sechs Jahren Counter-Strike, ein Action-Spiel. Ich bin sogar in einer Mannschaft aktiv, einem CLan.

Ausbildungsplatz durch Computerspielen

Meine Eltern fanden es am Anfang auch nicht so toll, klar. Sie hatten Angst, dass ich zu viel Zeit damit verbringe und es mir schaden könnte. Aber Counter-Strike hat mir zu einem Ausbildungsplatz verholfen. Denn durch Spiele hab ich mich für Computer interessiert, für das Programmieren und Tunen meines Rechners. Das hat dann eine Firma hier in Karlsruhe überzeugt, mich einzustellen.

In der Firma wurde auch die Idee für die Demo geboren. Es ist ja so: Protestierende Kommentare und E-Mails von uns Gamern scheinen Politiker nicht zu stören. Ist wohl nur virtuell. Aber virtuelle Gewalt regt sie auf. Vielleicht merken sie durch eine Demo, dass wir nicht virtuell sind, sondern echte Menschen, echte Wähler. Und echt friedlich.

Mein Kollege und Klassenkamerad aus der Berufsschule, Christian Möck, war der erste Unterstützer. Wir haben eine Nachricht auf mein Blog geschrieben, dass wir uns im Karlsruher Schlossgarten treffen wollen, um zu beraten. Das stand dann auch auf der Web-Seite der ESL. Es kamen vier Leute.

Wir hatten nur zehn Tage Zeit bis zum Freitag. Der Anfang war einfach: Anmeldungsformular der Stadtverwaltung ausfüllen, fertig. Dann haben wir uns ein Programm überlegt: Marsch durch die Innenstadt und zum Schluss Show-Matches. Counter-Strike ist ab 16, ging also nicht, denn es hätten ja Kinder sehen können. Unsere Wahl fiel auf ein Rennspiel. Der Stadtjugendausschuss hat sogar zugesagt, uns den Strom zu bezahlen.

Für unsere Homepage habe ich dann ein Forum eingerichtet. Bald kamen die ersten Anfragen von Journalisten. Am Anfang war ich noch ein wenig nervös, aber das legte sich mit der Zeit. Es ist schon toll, wenn Fernsehen, Zeitungen und das Radio anrufen.

Nicht vermummen, kein Banner, keine Flaschen

Zwischenzeitlich haben wir immer mehr E-Mails bekommen, unheimlich viele Leute fanden unsere Idee toll. Ein Bundestagsabgeordneter und viele Web-Seiten wie "Gamers against Rejections", eine Initiative gegen Spielerunterdrückung, haben auf uns verlinkt.

Ich habe nebenher noch bei meinem Ausbildungsbetrieb gearbeitet oder versucht zu arbeiten. Aber immer wieder klingelte mein Handy, und es gab was zu organisieren. Meine Firma fand das in Ordnung, viele meiner Kollegen sind selbst Gamer.

Drei Tage vor der Demo haben wir uns dann mit der Polizei, dem Vertreter der Stadt und den örtlichen Verkehrsbetrieben getroffen. Die haben uns Auflagen gegeben und uns erklärt, was wir alles beachten müssen: Vermummungsverbot, die Leute dürfen keine Glasflaschen in den Händen halten, sie könnten ja zu Wurfgeschossen werden. Außerdem kein Banner, die eine Gruppe um sich herumwickelt und Leute so zu einem Block formt.

Schwierige Suche nach Slogans

Damit sich jeder daran hält, mussten wir Ordner organisieren, einen pro 50 Teilnehmer. Die letzten drei Tage habe ich kaum noch geschlafen, richtig arbeiten konnte ich auch nicht mehr. Der Tag der Demo ging ruhig los. Ich habe gemütlich mit meinen Eltern gefrühstückt. Dann fuhren wir los zum Demo-Platz: Bühne aufbauen, Flyer falten, Interviews geben. Zwischendurch musste ich noch einen neuen PC für das Show-Match auftreiben.

Gegen 17 Uhr trudelten die ersten Leute ein, eine Stunde später hab ich angefangen. Erst mal Stimmung machen. Nur wie? Ich hab einfach laut gerufen: 'Kaaarlsruuuheee.' Und die Leute haben mir so geantwortet. Den Schlachtruf kennen sie vom Fußball. Dann gab es die Reden, erst mein Mitorganisator Christian Möck, dann der Profi-Spieler Nikolai Wolf.

Schließlich der Überraschungsgast - meine Mutter. Sie hat in ihrer Rede gesagt, dass die Eltern für die Freizeit ihrer Kinder Hauptverantwortliche sind, nicht Politiker. Sie findet die aktuelle Verbotsdiskussion Unsinn.

Der Protest geht im Netz weiter

Auf dem Marsch haben wir alle immer wieder mit Passanten geredet, einige davon sind sogar mitgelaufen. Unter den Teilnehmern waren nicht nur Gamer, sondern auch die Familien.

Die Polizisten waren total entspannt und haben uns gesagt, es sei eine der friedlichsten Demos seit Langem. Es gab keine Probleme, alles war friedlich, fast zu friedlich. Ich habe zwar versucht, ein wenig Stimmung zu machen. Aber erst als ein Bekannter sich das Megafon geschnappt hat, klappte es. Gar nicht so einfach, Slogans zu finden.

Wir haben uns auf zwei geeinigt: "Wir sind keine Amokläufer" und mein Favorit: "Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Spiele klaut." Gegen 21 Uhr nach den Showmatches war dann Schluss, ich war am Ende. Meine Eltern haben mich todmüde nach Hause gefahren, und ich habe geschlafen - aber nicht Lange: Am nächsten Morgen habe ich Fotos und Filme ins Internet gestellt. Denn unser Protest geht im Netz weiter.

Es war anstrengend, und ich hoffe, es hat sich gelohnt. Mal sehen, ob es was bringt. Als nächstes will ich aber nicht Politiker überzeugen, sondern meine Großeltern, die mögen Computerspiele nämlich gar nicht. Noch nicht."

Aufgezeichnet von Mathias Hamann

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