Nach Sexualkunde-Streit Die Nonnen müssen gehen

Immer wieder gab es Krach um einige Nonnen, die an Auerbacher Schulen unterrichteten. Die strenggläubigen Schwestern rissen unter anderem Sexualkunde-Kapitel aus Biologiebüchern heraus. Nun hat das bayerische Kultusministerium einen Schlussstrich gezogen und acht Schulschwestern auf die Straße gesetzt.

Seit Monaten sorgt das kleine, bayerische, sehr katholische Auerbach immer wieder für Schlagzeilen. Schwester Gerlinde machte den Anfang: Als sie im September die Zehntklässler der Auerbacher Realschule in Biologie übernahm, missfiel ihr das Lehrbuch-Kapitel über Sexualität und Fortpflanzung. Selbst ist die Nonne, dachte sich Schwester Gerlinde, schritt zur Tat und zensierte das Buch kurzerhand - 14 Seiten gingen zum Teufel. Und bald darauf zog auch die Biologielehrerin einer achten Klasse die vermeintlich anstößigen Bücher ein.

Das war nur der Beginn eines quälenden Streits, der die Bürger des oberpfälzischen Örtchens gründlich entzweite. Aufgebrachte Eltern warfen den frommen Schwestern vor, die Kinder in Höllenangst zu versetzen. Neben der Realschule unterrichten die Nonnen auch an der Grund- und der Hauptschule, außerdem im Marienkindergarten. Harry Potter-Geschichten ("Bücher des Teufels") sollen eingeschüchterte Kinder in den Papierkorb geworfen haben, Schüler vor "satanischer Popmusik" und "unkeuschen Umarmungen" gewarnt worden sein - das Böse ist immer und überall.

Erzählungen über Todsünden und Höllenqualen

Die Nonnen stehen im Verdacht, der stramm fundamentalistischen Organisation "Engelwerk" anzugehören oder nahe zu stehen. Immer wieder hatten sich Eltern bei den Behörden beschwert. Andere Eltern allerdings standen den Nonnen zur Seite, priesen ihre Verdienste im Ort. Der Konflikt eskalierte, selbst der Vatikan wurde eingeschaltet. Um auf Missstände in der Schule hinzuweisen, verteilten zwei Juso-Mitglieder Anfang März gar provokativ Kondome vor der Realschule - und sollen dafür wegen "Verstoßes gegen das Straßen- und Wegerecht" Strafe zahlen.

Aus dem lange schwelenden Skandal hat das Bayerische Kultusministerium jetzt die Konsequenzen gezogen und allen an der Grund- und Hauptschule beschäftigten Nonnen gekündigt. Acht Ordensschwestern sollen zum Ende des Schuljahres ausscheiden, staatliche Lehrer den Unterricht an den beiden Schulen übernehmen. Dabei sei es auch um "Angst machende Pädagogik gegangen", begründete Ministeriumssprecher Peter Brendel die Entlassungen. Der Orden habe die Vorwürfe nicht ausräumen können, "im Zweifelsfall müssen wir für die Kinder entscheiden".

Nach Berichten der bayerischen Grünen über "Psychoterror" an der Grundschule hatte das Ministerium bereits Anfang des Jahres zwei Schwestern suspendiert. Sie hätten die Kinder mit haarsträubenden Erzählungen über Todsünden und Höllenqualen beunruhigt, erklärten die Landtags-Grünen.

Die Realschule im Kloster wird gemeinsam betrieben von Stadt, Landkreis sowie der "Kongregation Schulschwestern von Unserer Lieben Frau". Die Grund- und Hauptschule sind davon allerdings organisatorisch getrennt und normale staatliche Einrichtungen. Entlassen werden jetzt vier Klassenleiterinnen an der Grundschule und eine Handarbeitslehrerin an der Hauptschule. Auch drei derzeit beurlaubte Nonnen sollen vor der Tür bleiben.

Jochen Leffers

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