Neue Regierung Wie NRW jetzt "weltbeste Bildung" bekommen soll

Englischunterricht in einer Grundschulklasse
Foto: Roland_Scheidemann/ picture-alliance / dpa/dpawebInklusion, Lehrermangel, marode Gebäude: Die Schulpolitik galt als entscheidend für den Ausgang der letzten Landtagswahl in NRW, bei der SPD und Grüne vom Hof gejagt wurden. CDU und FDP konnten im Wahlkampf damit punkten, es besser machen zu wollen. Die Liberalen versprachen sogar "weltbeste Bildung" für Nordrhein-Westfalen. Ab jetzt läuft der Realitätscheck.
Das neue Kabinett wurde am Freitag in Düsseldorf vereidigt. In der schwarz-gelben Landesregierung hat die FDP-Politikerin Yvonne Gebauer das Schulministerium übernommen, die parteilose Isabel Pfeiffer-Poensgen das von der CDU besetzte und neu zugeschnittene Ministerium für Kultur und Wissenschaft.
Für die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele in der Schulpolitik gab es vorab bereits positive Reaktionen. Der Philologenverband feierte sie bereits als "Befreiungsschlag" und "politisch kluge Lösung" - obwohl die Ankündigungen teilweise arg wolkig blieben.
Liefern muss jetzt vor allem die neue Bildungsministerin Yvonne Gebauer. Die 50-Jährige agierte bereits in der vergangenen Legislaturperiode als Schulpolitikerin der FDP. Jetzt wartet vor allem viel Organisationsarbeit auf sie: Die Vielfalt der Schulformen, die Rot-Grün zum Verhängnis wurde, will auch die neue Landesregierung nicht antasten. Auch die Absichtserklärungen zur individuellen Förderung der Schüler ähneln sich. Wichtigstes Vorhaben ist die angekündigte Rückkehr an den Gymnasien zu G9 als Normalfall - wobei Ausnahmen möglich sein sollen.
- Ebenfalls ein Thema, das die Eltern bewegt: der Unterrichtsausfall. Hier versprechen die Koalitionäre eine "Unterrichtsgarantie" und wollen dafür mittelfristig den Stellenplan für Lehrer zu 105 Prozent besetzen, um insbesondere an Grundschulen jederzeit Lehrkräfte zur Verfügung zu haben. Außerdem soll es "unbürokratisch ergänzende Möglichkeiten für den ehrenamtlichen Einsatz oder die temporäre Beschäftigung sogenannter Praxis-Lehrer" geben - und mehr Seiteneinsteiger in den Lehrerberuf.
- Mit 30 elitären "Talent-Schulen" will die neue Regierung im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich punkten. Diese Schulen sollen exzellent ausgestattet sein und mit "modernster digitaler Infrastruktur in Stadtteilen mit den größten sozialen Herausforderungen eingerichtet werden" - ein Plan, der eindeutig die Handschrift der FDP trägt.
- Am Grundsatz der Inklusion wollen CDU und FDP festhalten, dabei aber das Tempo deutlich verlangsamen und keine Förderschulen mehr schließen.
- Außerdem geplant sind Ethik- und Programmierunterricht an Grundschulen und eine "Fortbildungsoffensive" für Lehrer. Darüber hinaus verspricht die Koalition: "Die Benachteiligung von Realschulen und Gymnasien werden wir beenden".
Eine Überraschung im Kabinett gibt es für den Bereich der Hochschulen. Ministerin für Wissenschaft und Kultur ist jetzt die 63-jährige Isabel Pfeiffer-Poensgen - seit 2004 Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder. Die Stiftung hilft Museen und Bibliotheken mit Zuschüssen beim Kauf von Kunstwerken.
Im Bereich der Wissenschaftspolitik bringt die Juristin deutlich weniger Erfahrung mit, auch wenn sie in den Neunzigerjahren lange Jahre Kanzlerin der Hochschule für Musik in Köln war. FDP und CDU haben sich dennoch viel vorgenommen:
- "Exzellente Studienbedingungen" verspricht die neue Landesregierung den Studenten und eine "Abkehr von Massenvorlesungen in überfüllten Hörsälen und vergriffenen Fachbüchern in den Bibliotheken". Man wolle die NRW-Hochschulen "an die akademische Qualität der besten Hochschulen in der Welt heranführen", heißt es - ganz unbescheiden - im Koalitionsvertrag.
- Dazu soll das Hochschulgesetz mit dem Ziel überarbeitet werden, Unis und FHs wieder größere Autonomie einzuräumen. Vorgaben des Landes sollen deutlich zurückgefahren, das Betreuungsverhältnis verbessert werden.
- An der Uni Bielefeld will Schwarz-Gelb eine neue medizinische Fakultät einrichten, zusätzliche Medizin-Studienplätze sind außerdem bei einer Kooperation der Unis Bonn und Siegen geplant. Damit die Studenten anschließend den Landarztmangel lindern, sollen zukünftig bis zu zehn Prozent der Studienplätze an Bewerber gehen, die sich verpflichten, später als Hausärzte auf dem Land zu arbeiten.
- Das alles kostet Geld, das ist den Koalitionären klar. Eine der Finanzquellen sollen Studiengebühren für Studenten von außerhalb der EU sein: 1500 Euro pro Semester, nach dem Vorbild aus Baden-Württemberg.
Doch insbesondere die Pläne für die Campus-Maut stoßen bereits auf heftige Kritik. Studentenvertreter wie der Bundesverband ausländischer Studierender oder der Kölner Asta schimpfen über "rassistische Gebühren", und auch Hochschulvertreter sind nicht begeistert.
Beide neuen Ressortchefinnen müssen jetzt schnell zeigen, dass sich an den Schulen und Hochschulen etwas bewegt - sonst droht ihnen in fünf Jahren ein ähnliches Schicksal wie ihren Amtsvorgängerinnen.