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Papierlose Privatschule: Allgemeine Tablet-Reife

Foto: Andreas Gebert/ dpa

Papierlose Schule Abi am Rechner

Auf Schloss Neubeuern haben Hefte und Bücher weitgehend ausgedient. Seit Jahren setzt die bayerische Privatschule im Unterricht auf Tablet-Rechner statt auf Papier. Nun legt erstmals ein Abiturjahrgang seine Prüfungen am Computer ab.

Neubeuern - Antonia Kilger vertraut der Technik. "Da kann nichts schiefgehen", sagt die 18-Jährige. Die Gymnasiastin der zwölften Klasse an der Internatsschule Schloss Neubeuern gehört zu den ersten in Deutschland, die ihr Abitur nicht auf Papier schreiben, sondern auf Tablet-Rechnern. 28 weitere Abiturientinnen und Abiturienten der noblen Privatschule tun es ihr gleich, wenn am kommenden Freitag in Bayern die schriftlichen Abiturprüfungen beginnen.

Keine Tafel, keine Kreide, keine Hefte, keine Bücher - stattdessen futuristisch anmutende Schreibtische mit Dockingstation für den PC: Das Klassenzimmer der Zukunft ist in dem Schloss nahe Rosenheim längst Alltag. Lehrer und Schüler verzichten hier von der neunten Klasse an auf Tinte und Papier, stattdessen haben alle Schüler einen Tablet-PC. Auf dem Display schreiben sie mit einem Stift elektronisch. Die Software erkennt die Handschrift des Schülers. Arbeiten werden vom Lehrer digital eingesammelt.

Erprobt wird dieses Prinzip im Unterrichtsalltag auf Schloss Neubeuern schon seit Jahren - jetzt steht mit dem ersten papierlosen Abiturjahrgang der nächste Schritt an. Nach Angaben der Schule soll es sich deutschlandweit um die ersten Prüfungen dieser Art handeln.

Elektronisches Spicken ist unmöglich

Erst habe die Kultusbürokratie in München dem Ansinnen skeptisch bis ablehnend gegenübergestanden, erinnert sich Schulleiter Jörg Müller. "Doch dann konnten wir auch die Juristen im Kultusministerium überzeugen." Geschlossene Netzwerke sorgen dafür, dass die Abiturienten keinen Zugriff auf Daten von außerhalb haben, also nicht elektronisch spicken können. Sie bekommen für die Prüfungen neue Laptops von der Schule gestellt, auf denen nur ein einziges Programm installiert ist.

Beim ersten Abitur auf dem Tablet-PC dürfen die Schüler allerdings nur mit den Eingabestiften schreiben - die ebenfalls vorhandene Tastatur ist tabu. "Wir sind noch nicht da angekommen, wo wir hinwollen", sagt Müller. Das Problem: Mit der Tastatur schreibt es sich wesentlich schneller als mit dem Kugelschreiber, und die Zeit für die Abi-Klausuren ist vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Müllers Vorschlag, wie sich das Dilemma lösen ließe: "Wie wäre es, wenn wie statt fünf Stunden Zeit für das Deutsch-Abitur nur viereinhalb Stunden bekämen?" Der Schulleiter ist sich sicher, dass seine Schützlinge das akzeptieren würden.

Vorerst bedeutet das Tastaturverbot, dass 65 Prozent der Schüler ihre Deutsch-Abiturprüfung - und nur diese - doch noch auf Papier schreiben. Ohnedies werden alle Prüfungsaufgaben nach der elektronischen Abgabe ausgedruckt und mit Tinte korrigiert sowie mehrere Jahre archiviert. Auch das will Müller aber noch abschaffen.

"Es war aufregend und lief holprig an"

Antonia Kilger lernt bereits seit vier Jahren nur noch mit ihrem Tablet-PC. "Anfangs fand ich es cool, doch dann kamen Zweifel auf", erinnert sich die zierliche junge Frau, die später BWL oder Jura studieren will. "Nach einem Jahr waren aber alle Bedenken verflogen."

Auch Mitschüler Christopher Hardy war in den ersten Wochen mit dem Tablet-PC verunsichert. "Es war aufregend und lief holprig an", sagt der 18-Jährige. "Aber wenn Neubeuern etwas macht, dann ganz." Alle Vorbehalte seien nach kurzer Zeit ausgeräumt gewesen.

Englischlehrer Sebastian Görlitz ist dann auch zuversichtlich, dass bei den ersten digitalen Abiturprüfungen alles gut geht. "Die Schüler haben die allerwenigsten Probleme damit", sagt der 31-Jährige. Manche der älteren Lehrer täten sich schwerer mit der Umstellung. "Aber wir jüngeren akzeptieren das."

Das Kultusministerium beobachtet die Premiere genau. "Wir sammeln erstmals Erfahrungen, wie das Abitur vor dem Hintergrund der Gleichbehandlung aller Schüler auch auf PC geschrieben werden kann", sagt Ministeriumssprecher Ludwig Unger.

Das Alleinstellungsmerkmal als erste papierlose Schule Deutschlands kommt anscheinend gut an. Auf dem Schlossberg von Neubeuern entsteht gerade ein Erweiterungsbau mit 35 neuen Internatsplätzen. 180 Heim- und 50 Tagesschüler sollen dann in dem Schloss mit den pittoresken Türmchen Platz haben. Wer sein Kind nach Neubeuern schicken will, muss allerdings ein gut gefülltes Girokonto haben: Allein die Internatsgebühr beträgt 2840 Euro im Monat, Kaution und Aufnahmegebühr kommen hinzu.

Paul Winterer, dpa

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