Privatschulkette in Nöten Phorms muss erste Schule schließen

Die Phorms-Kette stand für den Boom der Privatschulen: Bundesweit hat sie Schulen eröffnet, die Kindern modernen Unterricht versprechen - und dem Betreiber Profit bringen sollen. Doch das Geschäftsmodell wankt. Die erste Filiale in Hannover wird dicht gemacht. Auch Köln steht vor dem Aus.
Phorms-Schüler in Berlin: Ist das Geschäftsmodell gescheitert?

Phorms-Schüler in Berlin: Ist das Geschäftsmodell gescheitert?

Foto: DPA / Phorms

Béa Beste war stets der neue Typ von Schulrätin. Immer gut gelaunt, nie um einen flotten Spruch verlegen und wahnsinnig selbstbewusst. So verkündete die Geschäftsführerin der Phorms-Management AG: "Wir wissen, wie gute Schule geht." Beste bestand sogar darauf, mit Bildung Profit machen zu wollen - ein Affront für die stets auf Gratis geeichte Pädagogenszene.

Nun hat sie erstmals den Rückwärtsgang eingeschaltet. Denn mit der Hannoveraner Phorms-Grundschule macht die erste ihrer Schulen dicht. Begründung: Mit den mageren Staatszuschüssen Niedersachsens seien die hohen Ansprüche einer Phorms-Schule nicht zu halten.

Beste überließ es dem Geschäftsführer der Phorms-Holding, einem anderen Teil des Phorms-Firmengeflechts, das Aus für die 120-Kinder-Schule zu verkünden. "Alle Kinder in Hannover werden einen geordneten Grundschulabschluss bekommen", versprach Klaus Lechner in waschechtem Schulratsdeutsch. "Unser Geschäftsmodell funktioniert an vielen Standorten wie München, Berlin oder Frankfurt, aber nicht in Niedersachsen - weil dort die öffentliche Hand nicht genug zuschießt."

In Hannover mussten die Eltern spenden

Damit bestätigte Lechner SPIEGEL ONLINE, was kurz zuvor wütende Eltern, erfahren hatten. Die Zentrale der Phorms-Privatschulkette wird Kindergarten und Grundschule in Hannover auslaufen lassen. Zu deutsch: Dort wird eine Geisterschule entstehen, die keine neuen Kinder mehr aufnehmen wird. "Das Berliner Phorms-Management hat uns nach Strich und Faden belogen", sagte eine Mutter aus Hannover unter Tränen. "Noch vor kurzem hieß es, dass Kindergarten und Grundschule auf jeden Fall bestehen bleiben."

Sofort begannen an den anderen Standorten die Alarmglocken zu läuten. "Natürlich gibt es kritische Nachfragen aus anderen Schulen, ob und wie es weiter geht", sagt Lechner. Acht Schulen betreibt Phorms in ganz Deutschland. Jeweils zwei in Berlin und Frankfurt, auch in München, Hamburg und Köln gibt es Standorte. Knapp 2000 Schüler lernen insgesamt bei Phorms, stets zweisprachig und mit einem zweiten Assistant-Teacher in der Klasse - Phorms versteht durchaus etwas von neuem Lernen.

Allerdings ist es nicht ganz billig. Die Preise bei Phorms variieren zwischen 90 und 1200 Euro pro Monat, je nach Standort und Einkommen der Eltern. In Hannover zahlten die Eltern maximal 500 Euro. Und weil die Schulbehörden das Schulgeld dort deckelten, mussten Eltern, die nach der Preisberechnung anhand ihres Einkommens mehr zahlen müssten, zusätzlich an einen Förderverein spenden.

"Phorms hat in der öffentlichen Meinung viel kaputt gemacht"

Phorms ritt mit auf der Privatschulwelle. Spätestens seit die Pisa-Studie den Ruf der Staatsschule ruinierte, ist auch die Mittelschicht bereit, für die Schulbildung ihrer Kinder Geld auszugeben. Nach Pisa stieg die Zahl der privaten Grundschüler um satte 63 Prozent an. In manchen Gegenden wie Potsdam werden 22 Prozent der Gymnasien privat betrieben.

Dem Verband der Privatschulverbände ging Phorms derart auf die Nerven, dass er der Privatschulkette von Béa Beste gar die Aufnahme in seine Lobby verwehrte. "Die teuren International Schools und auch Phorms haben in der öffentlichen Meinung viel kaputt gemacht", sagte Florian Becker, Sprecher des Verbands.

Nun geht die Rufschädigung munter weiter. Bereits seit einiger Zeit gab es nicht mehr nur witzige Béa-Beste-Zitate, sondern auch Probleme zu kolportieren. Die Berliner "Tageszeitung" entdeckte eine ganze Phorms-Schule in Containern - das kannte man vorher nur von der Staatsschule. Der Börsencrash hatte der Finanzierung einen Strich durch die Rechnung gemacht.

"Das Management ist eine Katastrophe"

Richtig unbequem wurde es für Phorms in Köln, wo Eltern erstmals die Leitung des Phorms-Konzerns in Frage stellten. "Der Umgang mit den Eltern und Kindern war absolut unseriös, da wurden Versprechen nicht eingehalten, Leistungen nicht erbracht, auch die Finanzierung war unklar", sagte die Kölner Elternvertreterin Mira Calderón der "Financial Times Deutschland". "Das Konzept ist super, aber das Management ist eine Katastrophe."

Und Klaus Lechner, der erst kürzlich den Phorms-Mitgründer Alexander Olek abgelöst hat, klingt derzeit nicht nach Offensive. "Wir haben laut unserer Wirtschaftsprüfer genug Substanz, um weiter zu machen", sagte Lechner SPIEGEL ONLINE. "Wir können diejenigen Schulen, zu denen wir stehen, finanzieren." Für Köln freilich will der Geschäftsführer der Holding seine Hand nicht mehr ins Feuer legen. Dort stehe man, sagte er, an einem ähnlichen Punkt wie in Hannover. Anders formuliert: Auch die Kölner Filiale kann nicht profitabel betrieben werden - und wird wohl dicht gemacht.

Die Hannoveraner Eltern kämpfen indes um ihre Schule. Vater Michael Freidel hat zusammen mit anderen eine Retter-Initiative gegründet, "weil wir für ein solches Konzept von Schule sonst 100 Kilometer fahren müssten". Sein Sohn, der vorher weinend aus der Staatsschule nach Hause kam, sei bei Phorms in Hannover wieder ein glücklicher Schüler geworden. Freidel sucht einen neuen Träger. Die evangelische Kirche hat abgesagt. Aber es gibt bereits vier weitere Interessenten. Und: Phorms habe in Aussicht gestellt, bei einer erfolgreichen Übernahme von Hannover einen satten Anteil des Ersparten den 120 Hannoveraner Kindern zu geben. Vielleicht die letzte Chance, den Ruf zu retten.

Von Christian Füller erscheint im März das Buch "Ausweg Privatschulen? Was sie besser können, woran sie scheitern".

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