Rassismus an Schulen Wie Lehrer mit Hetzparolen von Schülern umgehen

Philipp Ostermann, Lehrer aus Hannover
Foto: Privat"Flüchtlinge sind gefährlich", "Die bekommen alle ein Handy geschenkt", "Die nehmen uns die Arbeit und die Frauen weg": Solche Sprüche bekommen Lehrer derzeit von Schülern zu hören - vermehrt. Denn die jüngsten fremdenfeindlichen Übergriffe in Sachsen haben die Debatte über die Flüchtlingskrise auch an vielen Schulen verschärft.
In den Klassenzimmern werde jetzt kontrovers über Geflüchtete und Vorurteile diskutiert, sagt Sebastian Drefahl, Geschäftsführer vom Netzwerk Demokratie und Courage e.V..
Drefahl erlebt derzeit einen starken Andrang. Pädagogen suchten dringend Unterstützung - auch weil Schüler vermehrt unreflektiert rassistische Parolen abgäben. Nicht erst seit Clausnitz, nicht nur in Sachsen. "Schülerinnen und Schüler beziehen ihr vermeintliches Wissen aus dem Netz und ihren eigenen Gruppen", sagt der Experte. "Da kursieren unglaubliche Gerüchte."
Manchmal von Klasse zu Klasse verschieden
"Ein Zwölfjähriger versteht nicht rational, was passiert, aber er nimmt ein Gefühl von Ablehnung und Angst vor Flüchtlingen auf", sagt Sanem Kleff, Leiterin von Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage. "Das trägt er ins Klassenzimmer. Es gibt eine starke Irritation unter Jugendlichen, aber auch unter einigen Lehrern." Die rassistische Stimmung verbreite sich allerdings keineswegs gleichmäßig über die Schulen, betont die Leiterin des Netzwerks von rund 2000 Schulen. Das Klima sei regional, teilweise sogar von Klasse zu Klasse, völlig verschieden.
Wie weit die rechte Stimmung in den deutschen Schulen insgesamt reicht, lässt sich nur schwer sagen. Eine bundesweite Statistik zu rechtsextremen Vorfällen an Schulen gibt es nicht, nur Zahlen aus einigen Bundesländern. Die Behörden zählen etwa Hakenkreuz-Schmierereien und fremdenfeindlich motivierte Beleidigungen und Bedrohungen. In Sachsen beispielsweise sank die Zahl dieser Fälle im Jahr 2015 im Vergleich zum Vorjahr, in Thüringen stieg sie an.
"Die glauben uns gerade gar nichts"
"Was uns und vielen Lehrenden Sorgen bereitet, ist die wachsende Zahl von Schülerinnen und Schülern, die anfangen, mit rassistischen Meinungen zu sympathisieren", sagt Drefahl.
Aufklärung über Fakten sei allerdings schwierig, sagt Drefahl. "Einige glauben uns gerade gar nichts. Die sprechen von der 'Lügenpresse' und halten Berichte von der NPD-Website für genauso glaubwürdig wie vom Statistischen Bundesamt. Einige denken auch, wir wollten sie manipulieren. Das klingt schnell nach Verschwörungstheorien." Lehrer müssten in solchen Fällen die Glaubwürdigkeit von Institutionen wiederherstellen. Drefahl: "Aber das geht nicht von heute auf morgen und braucht außerschulische Unterstützung."
Auch Kleff ist überzeugt, dass nur dauerhafte Bemühungen helfen. "Das große Manko an Schulen ist, dass es dafür oft kein Zeitfenster gibt", sagt sie. "Aber wenn rechte Stimmungen zu einer treibenden Kraft werden, muss man Prioritäten neu setzen!"
Daniela Kost von den Beratungsteams gegen Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein empfiehlt: "Lehrer sollten rechte Sprüche auf keinen Fall unkommentiert stehen lassen, sondern selbst klar Position für Menschenrechte beziehen." Sie müssten aber klarmachen, dass sie einen Schüler nicht als Person ablehnen, sondern die geäußerte Meinung.
Lesen Sie hier, wie Lehrer in ganz Deutschland die Situation derzeit erleben. Klicken Sie für die einzelnen Schilderungen auf die Bilder.
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