Reaktionen auf neue Pisa-Studie "Wir sind noch lange nicht Champions League"

Pisa-Studie 2009: In Mathematik sind deutsche Schüler überdurchschnittlich gut
Foto: Julian Stratenschulte/ dpaBerlin - Bundesbildungsministerin Annette Schavan lobt die Ergebnisse der neuen Pisa-Studie. "Wir sind dem Ziel der Bildungsrepublik Deutschland ein größeres Stück nähergekommen", sagte die CDU-Politikerin - man sei aber trotz verbesserter Resultate noch nicht am Ziel. Dass die Qualität des Bildungssystems besser geworden sei, sei vor allem ein Verdienst der Lehrer.
Schavan schlug einen Drei-Punkte-Aktionsplan vor. Die Programme zur Leseförderung müssten weiterentwickelt werden; nötig seien außerdem Bildungsketten bis zum Berufsabschluss und lokale Bildungsbündnisse um Schulen herum.

An diesem Dienstag waren die Ergebnisse der neuen Pisa-Studie bekanntgegeben worden. Deutsche Schüler konnten beim Lesen - dem Schwerpunkt der diesjährigen Untersuchung - leicht aufholen. Dies liegt vor allem daran, dass die Gruppe der schwächsten Schüler, die nur auf Grundschulniveau oder schlechter lesen können, geschrumpft ist: von 22,6 Prozent im Jahr 2000 auf 18,5 Prozent.
Mit dem Wert von 497 Punkten erreichen deutschen 15-Jährigen beim Lesen jedoch ein nur mittelmäßiges Ergebnis. In Mathematik und den Naturwissenschaften hatten sie sich schon 2003 und 2006 verbessert, in der aktuellen Studie erzielen die Schüler nun in beiden Bereichen überdurchschnittliche Werte.
Erfolg durch frühkindliche Bildung und Ganztagsschulen
Die Studie zeigt, dass der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg in Deutschland kleiner geworden ist - auch wenn der Effekt im Vergleich zu anderen OECD-Ländern noch immer groß ist. "Wir haben jetzt mehr Gleichheit in unserem Bildungssystem als vor zehn Jahren", sagte Eckhard Klieme, Sprecher der deutschen Pisa-Forscher, bei der Präsentation der Studie.
Klieme wies allerdings auch daraufhin, dass der Anteil der Jugendlichen, die nur auf einem sehr schlechten Niveau lesen können, in Deutschland weiterhin hoch sei. "Und ausgerechnet im wichtigen Bereich 'Reflektieren und Bewerten' liegt eine relative Schwäche der 15-Jährigen über die Schulformen hinweg vor", so Klieme. Auch der nach wie vor starke Rückstand von Jugendlichen mit Migrationshintergrund bleibe eine große Herausforderung.
Ludwig Spaenle (CSU), als bayerischer Kultusminister Präsident der Kultusministerkonferenz, rief zur intensiveren Förderung leistungsschwacher Schüler auf. Die nach dem ersten Pisa-Test aus dem Jahr 2000 eingeleiteten Maßnahmen, vor allem der Ausbau der frühkindlichen Bildung und der Ganztagsschulen, hätten "sich offensichtlich bewährt und zeigen klar sichtbare Erfolge" - wobei Veränderungen an Kindergärten bei der aktuellen Pisa-Studie noch nicht greifen können, weil die Teilnehmer bereits im Jahr 2001 eingeschult wurden.
"Wir müssen und werden diese grundsätzlich positive Entwicklung konsequent fortsetzen und über alle Länder hinweg verstärken", so Spaenle. Das bedeute eine intensive Förderung der Leistungsschwächeren sowie der Schüler mit Migrationshintergrund durch eine systematische Lese- und Sprachförderung. Diese müsse frühzeitig einsetzen und auch in den weiterführenden Schulen gezielt fortgesetzt werden. "Die auf allen Stufen erforderliche individuelle Förderung bezieht auch die leistungsstärkeren Schüler mit ein."
"Deutschland ist aufgestiegen - aus der zweiten in die erste Liga"
Doris Ahnen (SPD), Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz, nannte die Pisa-Ergebnisse einen "Grund zur Freude, aber kein Grund, sich zurückzulehnen". Sie sollten "ein Ansporn für weitere Anstrengungen sein." Sie wies insbesondere darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialem Hintergrund immer noch zu stark sei. "Wir werden jedenfalls nicht nachlassen, die Qualität der Bildung und die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern."
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Lob gab es von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): "Deutschland ist aufgestiegen - aus der zweiten in die erste Liga. Aber von der Champions League ist Deutschland noch weit entfernt", sagte Heino von Meyer, Leiter des Berliner OECD-Büros. Nötig seien mehr Training und mehr Integration statt Ausgrenzung. "Wir brauchen eben Özils nicht nur beim Fußball. Wir müssen einfach gucken, dass wir auch Özils in den Klassen und Schulen fördern", so Meyer.
Fußballvergleiche sind beliebt bei Pisa-Deutern. Im Dezember 2001 hatte der damalige stellvertretende Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Willi Lemke (SPD), nach den niederschmetternden Ergebnissen der ersten Pisa-Studie gesagt: "International spielen wir nur noch auf Regionalliga-Niveau".
"Der Pisa-Schock war goldrichtig"
Spielklasse hin oder her - einig sind sich Politiker wie Forscher, dass von der neuen Studie ein positives Signal ausgeht. "Der Pisa-Schock war goldrichtig, hat dem Bildungsföderalismus wieder neue Energie gegeben und Deutschland wachgerüttelt", sagte Patrick Meinhardt, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion.
"Wir müssen die Schulen vor Ort in ihrer Arbeit stärken und ihnen endlich die Freiräume geben, die sie brauchen", so Meinhardt. Nicht neue Beglückungsprogramme von oben seien jetzt angesagt. "Schule braucht jetzt auch einmal Ruhe für ihre Arbeit und nicht ständig neue Strukturdebatten. Und Schulen brauchen das Geld, mit dem sie eigenverantwortlich entscheiden können, wo sie ihre Schwerpunkte setzen wollen."
Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger sagte, es sei nicht überraschend, dass bei der Lesekompetenz der 15-Jährigen noch kein Sprung nach vorne sichtbar sei. Er führte es unter anderem auf mangelnde Vorbilder in den Elternhäusern zurück und verwies auf die mangelnde Sprachfähigkeit in vielen Migrantengruppen in Deutschland.
Angesichts des hervorragenden Abschneidens asiatischer Länder und Regionen bei Pisa warnte Meidinger, deren "Lern- und Drillkultur" als Vorbild anzupreisen. Vorbildhaft sei der hohe Stellenwert, den Bildung in China, Japan, Südkorea oder Singapur genieße, nicht aber der unabdingbare, privat finanzierte tägliche Zusatzunterricht dort.