Schüler in Australien An der Sprache soll es nicht scheitern
Die ersten Schultage im neuen Land waren für Hong aus China ein Schock. "Zu Hause hatte ich immer die besten Noten in der Schule", erzählt die 14-Jährige, "hier habe ich zuerst gar nichts verstanden."
Seit ein paar Monaten geht Hong auf die "Blackburn English Language School" in der Metropole Melbourne im australischen Bundesstaat Victoria. Nach einem halben Jahr, das zeigt die Erfahrung an der Sprachschule, wird sie gut genug Englisch sprechen, um auf eine normale Schule zu wechseln.
Auf den ersten Blick sieht Hongs neue Schule aus wie jede andere. Durch die Gänge des Flachbaus im Melbourner Osten toben Kinder; es gibt eine Bibliothek, einen Pausenhof, einen Computerraum.
Anspruch auf kostenlosen Englischunterricht
Nur Kleinigkeiten zeigen, was hier anders ist: Die Schilder im Flur weisen den Weg zum Sekretariat und zur Bibliothek nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Chinesisch, Arabisch, Vietnamesisch und Persisch. Denn die 180 Blackburn-Schüler kommen aus 28 Ländern.
Wer hier zur Schule geht, trägt auch keine der sonst üblichen Uniformen. Die Anschaffung lohnt sich nicht, weil Blackburn ist nur eine Durchgangsstation auf dem Weg ins australische Bildungssystem ist. Keines der Kinder zwischen fünf und 18 Jahren bleibt länger als ein Jahr.
Im Raum Melbourne gibt es insgesamt neun der so genannten English Language Schools und English Language Centers. Die Einrichtungen sind Teil des "New Arrivals Program" zur Integration von Immigranten, das die australische Regierung bereits vor Jahrzehnten aufgelegt hat. Jeder Einwanderer hat Anspruch auf kostenlosen Englischunterricht. Und neu zugewanderte Kinder können je nach ihren Englischkenntnissen entweder zuerst auf eine der Sprachschulen gehen - oder werden an einer normalen Schule besonders gefördert.
"Wir bringen den Kindern nicht nur die Sprache bei", erläutert Blackburn-Schulleiter Robert Colla das Konzept, "wir bereiten sie auch auf den Alltag an einer australischen Schule vor." Die Schüler erhalten wie an einer Regelschule ganz normal Unterricht in verschiedenen Fächern. "Wenn die Kinder im Chemielabor ein Experiment machen", so Colla, "dann müssen sie danach ein Protokoll auf Englisch schreiben und lernen dabei nebenher etwas über die Vergangenheitsformen."
Ohne ausreichende Sprachkenntnisse in der Landessprache scheitert jedes Zuwandererkind in einem fremden Schulsystem - die Deutschen haben das erst durch Pisa richtig begriffen. Australien als traditionelles Einwanderungsland hat die Bedeutung der Sprachintegration schon viel früher erkannt und lässt sich die Programme viel Geld kosten.
Schulen als geschützter Raum
Im Bereich Lesekompetenz belegten die australischen Kids denn auch den vierten Platz beim Pisa-Ranking, in Mathematik den fünften und in den Naturwissenschaften den siebten Platz - Deutschland schaffte lediglich Rang 21 unter 31 Nationen, nicht zuletzt wegen der Sprachprobleme bei Zuwandererkindern.
Michael Clyne, Linguistik-Professor an der Universität Melbourne, hält die Language Schools für "ein sehr gutes Modell, weil auf diese Weise viel Sachverstand dort konzentriert ist, wo er am meisten gebraucht wird". Alle Lehrer an den Sprachschulen haben eine spezielle Ausbildung für das Fach Englisch als Fremdsprache.
Oft geht es aber nicht nur ums Englisch-Lernen. "Die Kinder kommen aus völlig unterschiedlichen Lebenssituationen", sagt Schulleiter Colla, "in manchen Ländern ist das Schulsystem ganz anders als hier, und einige Flüchtlingskinder sind noch nie oder nur mit Unterbrechungen in eine Schule gegangen."
"Unsere Schüler wollen die Sprache lernen"
Für solche Kinder bieten die English Language Schools einen geschützten Raum, bevor sie sich zusammen mit australischen Kids in der Schule behaupten müssen. Höchstens 13 Schüler sitzen in einer Klasse, und für die wichtigsten Einwanderer-Sprachen gibt es Dolmetscher, die auch bei Elternabenden dabei sind.
Nach einem halben, spätestens nach einem Jahr wechseln die Blackburn-Schüler auf eine weiterführende Schule. Auch dort werden sie von Sprachlehrern betreut. Kein Wunder, dass die meisten einen Schulabschluss schaffen.
"Es ist natürlich schade, dass wir die Schüler nicht aufwachsen sehen, so wie die Lehrer an anderen Schulen", sagt Colla. Dafür sind seine Schüler besonders eifrig und diszipliniert - "sie wollen die Sprache lernen".
Schon allein, um sich mit ihren Mitschülern verständigen zu können. Wenn Hong aus China, Feliecia aus Indonesien und Van aus Vietnam in der Pause die Köpfe zusammenstecken und munter Englisch schwätzen, dann ist das auch ein Erfolg für Robert Colla.