Inklusionsurteil in NRW Wer muss den Schulbegleiter bezahlen?

Streitthema Inklusion: Mehr behinderte Kinder sollen an Regelschulen, doch die Umsetzung ist nicht einfach
Foto: Jonas Güttler/ picture alliance / dpaBehinderte Schüler, die eine Regelschule besuchen, haben nicht immer Anspruch darauf, dass das Jugendamt einen Schulbegleiter für sie bezahlt. Zu diesem Urteil kam das Verwaltungsgericht Düsseldorf. In dem verhandelten Fall ging es um einen Schüler (Jahrgang 2002).
Der Junge leidet an einer einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung und hat sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung. Während der Grundschulzeit besuchte er erfolgreich eine integrative Regelschule.
Danach wechselte der Schüler auf eine Gesamtschule in Mühlheim - das Schulamt hatte diese Schule angesichts des sonderpädagogischen Bedarfs für den Jungen ausgesucht. Die Schule geht jedoch davon aus, dass der Schüler aufgrund seiner "gezeigten Verhaltensauffälligkeiten" dort nicht "beschulbar" sei, es sei denn, er erhält einen persönlichen Schulbegleiter, einen sogenannten Integrationshelfer. Die Sonderschulpädagogin der Schule sei lediglich acht Schulstunden pro Woche anwesend, was nicht ausreichend für den betroffenen Schüler sei.
Das Jugendamt wiederum lehnte einen entsprechenden Antrag auf Bewilligung eines Integrationshelfers für den Jungen ab. Die Begründung: Ein persönlicher Integrationshelfer sei eine ungeeignete Maßnahme, der Kläger benötige eine kleinere Schule mit kleineren Klassen. Daraufhin klagte der Schüler gegen das Jugendamt der Stadt Mülheim.
Das Land müsse die Kosten tragen
Das Gericht entschied zugunsten des Jugendamts: Wenn die staatliche Schulaufsicht ein Kind mit Förderbedarf einer Schule zuweist, die dafür nicht ausreichend mit pädagogischem Personal ausgestattet ist, muss das Jugendamt keinen Schulbegleiter bereitstellen, lautete die Begründung der Richter.
Vielmehr sei die Schule verpflichtet, die integrative Beschulung sicherzustellen. Dafür müsse das Land als Kostenträger die erforderlichen Sonderpädagogen bereitstellen. Gegen das Urteil (Aktenzeichen 19 K 469/14) kann Berufung eingelegt werden.
Ungefähr eine halbe Million Kinder und Jugendliche in Deutschland sind behindert, bisher besuchen die wenigsten von ihnen eine reguläre Schule. Dabei hat jedes Kind das Recht auf gemeinsamen Unterricht, so verlangt es eine Uno-Konvention, die vor fünf Jahren auch in Deutschland in Kraft trat. Das heißt: Behinderte dürfen eine Regelschule besuchen, wenn sie beziehungsweise ihre Eltern das wollen. Sie dürfen nicht mehr auf Förderschulen abgeschoben werden.
Diese Idee gefällt den meisten Politikern, Lehrern und Eltern gut. Allerdings wird immer wieder darum gestritten, wer für die Kosten aufkommen soll: Um möglichst viele Schulen inklusiv betreiben zu können, müssen sie aus- und umgebaut werden, Rampen müssen her, die Räume rollstuhlgerecht gemacht werden. Sozialpädagogen und Integrationshelfer müssen an die Schulen kommen, Lehrer fortgebildet werden.
Ministerin Löhrmann: "Wir können uns nicht verpflichten"
In Nordrhein-Westfalen stritten Land und Kommunen lange darum, wer was bezahlen soll. Vor gut einem Monat fanden beide Seite einen Kompromiss, kürzlich brachte die Regierung einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Landtag ein. Demnach will sich die Landesregierung für fünf Jahre ab 2014/2015 mit insgesamt 175 Millionen Euro an den Inklusionskosten beteiligen.

Er kann sich kaum bewegen, aber er studiert Jura, will arbeiten, vielleicht heiraten: Constantin Grosch, 20, wäre ein Musterbeispiel für gelungene Inklusion - wenn ihn nicht die Sozialgesetze behindern würden. Jetzt wehrt er sich. mehr...
In Bezug auf die Finanzierung der Integrationshelfer teilte Nordrhein-Westfalens Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) mit, dieser Bereich würde unter das Bundessozial- und nicht unter das Schulgesetz fallen. "Wir können uns hier nicht verpflichten, ringen aber auf Bundesebene um eine Beteiligung an den Kosten", so die Ministerin.