Sekte "Zwölf Stämme" widersetzen sich erneut der Schulpflicht

Sektenmitglieder der "Zwölf Stämme" verletzen erneut die Schulpflicht und werben öffentlich für diesen Schritt. Das Schulsystem sei nicht in der Lage, ihre Kinder auf "das Königreich Gottes" vorzubereiten.
"Zwölf Stämme" (Archivbild von 2004): Öffentliche Schulen bereiten nicht "auf das Königreich Gottes" vor

"Zwölf Stämme" (Archivbild von 2004): Öffentliche Schulen bereiten nicht "auf das Königreich Gottes" vor

Foto: Karl-Josef Hildenbrand/ picture-alliance / dpa/dpaweb

Anhänger der Sekte "Zwölf Stämme" kämpfen um das Sorgerecht ihrer Kinder, die Verfahren vor den Gerichten laufen noch. Trotzdem verstoßen nun einige Mitglieder erneut und absichtlich gegen das Gesetz: Am Mittwoch hätten sie sich wieder der Schulpflicht widersetzt, teilte die Glaubensgemeinschaft in einer "Pressemitteilung wegen Schulverweigerung" mit, die sie in ihrem Blog  veröffentlicht.

Darin heißt es, die Eltern hätten ihre Kinder bewusst nicht in öffentliche Schulen geschickt, weil es dort "keine Disziplin mehr gibt". In der Schule herrsche "Rebellion gegen Eltern und Lehrer, gegen die Menschenwürde und die Religionsfreiheit vor", außerdem würden "gottesfeindliche Philosophien" überhand nehmen.

Die Eltern seien außerstande, "die gravierenden seelischen Schäden und Eindrücke, die die Seelen unserer Kinder dort beständig erfahren", wiedergutzumachen. Es gehe ihnen weniger um die Lehrinhalte, "sondern vor allem um die sozialen Zwänge und Einflüsse, denen die Kinder tagtäglich bis zu acht Stunden ausgesetzt sind". Kurzum: "Das öffentliche Schulsystem ist nicht fähig, unsere Kinder auf das Königreich Gottes vorzubereiten."

Die Haltung der "Zwölf Stämme" ist nicht neu: Seit Jahren wehren sich Sekten-Familien dagegen, ihre Kinder in öffentliche Schulen zu schicken, 2004 versuchten die Behörden in Bayern sogar, die Schulpflicht mit Erzwingungshaft durchzusetzen. Vor knapp acht Jahren erlaubten sie der Sekte schließlich eine eigene Schule, zogen die Genehmigung aber im vergangenen Jahr zurück.

"Wir müssen Gottes Wort gehorchen"

Dass die "Zwölf Stämme" auch körperliche Züchtigung als legitimes Erziehungsmittel ansehen, ist ebenfalls seit längerem bekannt - allerdings fehlten die Beweise. Im vergangenen Jahr hatte ein RTL-Reporter dann mit versteckter Kamera gefilmt, wie Sektenmitglieder Kinder mit der Rute schlagen. Das Landratsamt Donau-Ries erklärte damals, man habe "neuerliche Hinweise auf erhebliche und dauerhafte Kindesmisshandlung" in der Sekte erhalten.

Nachdem Gerichte den Eltern das Sorgerecht vorläufig entzogen hatten, holte die Polizei in einem Großeinsatz 40 Kinder aus der Sekte . Die meisten leben seitdem in Heimen und Pflegefamilien und besuchen regulär die Schule. Einige Kinder durften allerdings bis zur endgültigen Entscheidung der Gerichte zur Sekte zurückkehren - und diese Kinder hätten jetzt die öffentlichen Schulen nicht besucht, teilten die "Zwölf Stämme" mit. Insgesamt handele es sich um fünf Kinder; sie hätten sich in diesem Schuljahr zum ersten Mal der Schulpflicht verweigert.

Eine Pressesprecherin des zuständigen Landratsamts Donau-Ries teilte auf Anfrage mit, zunächst nicht auf die erneute Schulverweigerung reagieren zu wollen. Man werde erst über das weitere Vorgehen entscheiden, wenn die Gerichtsverfahren in Ansbach und Nördlingen abgeschlossen sind. Darin entscheiden die Richter, ob den Eltern endgültig das Sorgerecht entzogen wird. In Ansbach laufen im Zusammenhang mit den "Zwölf Stämmen" derzeit noch drei Hauptsacheverfahren, die fünf Kinder betreffen. Die Eltern von zwei Kindern haben sich laut Gericht inzwischen "nachdrücklich von den Erziehungsmethoden" distanziert. Sie hätten mit dem Jugendamt eine Vereinbarung geschlossen, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht trotzdem vorerst beim Jugendamt verbleibt. Wie viele Verfahren in Nördlingen noch offen sind, war bis Donnerstag nicht zu erfahren.

Wie auch immer die Verfahren ausgehen, es sieht nicht so aus, als ließen sich die "Zwölf Stämme" in ihrer Haltung zur Schulpflicht umstimmen. In ihrer Pressemitteilung schreibt die Sekte: "Es ist traurig mit anzusehen, wie Richter, Politiker und Schulen uns bisher davon überzeugen wollten, dass die Bibel impotent und nicht zu befolgen ist." Und: "Wir müssen Gottes Wort mehr gehorchen als dem von Menschen."

"Ich habe keine Wurzeln und keine Kraft zu fliegen"
Foto: SPIEGEL ONLINE

Sie wurde in eine Sekte geboren und dort von klein auf geschlagen, mehrmals am Tag. Mit 16 Jahren stieg Amitsa bei den "Zwölf Stämmen" aus. Begegnung mit einer jungen Frau, die ausbrach, um ins Leben zu finden. mehr... 

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