Schulstreit in den USA Es waren zwei schwule Königskinder
So gehe das nicht weiter: Zweimal sei sie in seinem Alter schon verheiratet gewesen, nörgelt Prinz Berties Mutter. Und so geht Bertie auf Brautschau. Viele Prinzessinnen werden ihm vorgestellt, bis er schließlich sein Glück findet und sich verliebt - in den Prinzen Lee. Auf der letzten Seite des Kinderbuches "King & King" küssen sich die beiden Königskinder, ihre Lippen sind allerdings dezent hinter einem roten Herzen versteckt.
Dieses "schwule Märchen" entfacht derzeit in den USA eine kleinen Kulturkampf, eine heftige Debatte über Schulunterricht und die Bürgerrechte von Homosexuellen. Und das ausgerechnet im liberalen Massachusetts, dem einzigen US-Staat, in dem die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern legal ist. Der Auslöser: Vor einigen Wochen wagte es ein Lehrer der Joseph-Estabrook-Grundschule in Lexington nahe Boston, das Märchen von den schwulen Prinzen seinen siebenjährigen Schülern vorzulesen ohne deren Eltern vorab zu warnen.
Der Fall beschäftigt die Medien USA-weit, und er wird jetzt auch die Gerichte beschäftigen. Denn heute wollen zwei Elternpaare Klagen einreichen. "Abscheulich und anrüchig" nannte Brian Camenker von der Parents Right Coalition, einer konservativen Elternrechtsgruppe in Massachusetts, die Episode in Lexington. Camenker ist sicher, dass die Schule ein Gesetz gebrochen hat: Seit 1996 sind Schulen in Massachusetts verpflichtet, Eltern über Sexualkundeunterricht ihrer Sprösslinge zu informieren. "Keine Frage das war eine Übertretung", so Camenker.
Die Schulleitung und die Schulbehörden sehen das ganz anders: Nach ihrer Auffassung ging es im Schulbuch nicht um Sex, sondern um verschiedene Vorstellungen von der Familie. Die Schule sei keineswegs verpflichtet gewesen, die Eltern darüber zu informieren, dass das Märchen vor 20 Schülern vorgelesen wird, sagte Paul Ash von der Schulaufsicht in Lexington: "Wir wollen unseren Schülern die Welt erklären, in der sie leben. Siebenjährige sehen hier nun mal homosexuelle Menschen. Sie sehen sie in der Schule. Sie sehen sie mit ihren Kindern. Viele schwule Familien wohnen in Lexington."
Bei der Homo-Ehe kochen die Emotionen hoch
Der Fall eskalierte, als Robin Wirthlin, Mutter eines Zweitklässlers, sich bei der Schuldirektorin beschwerte, nachdem ihr Sohn von der Prinz-Bertie-Geschichte erzählt hatte. Wirthlin wandte sich an die Parents Right Coalition und die wandte sich an die Medien in Boston. Seitdem werden Ash und Schulleiterin Joni Jay mit E-Mails regelrecht bombardiert. Manche Verfasser wollen ihren Beistand ausdrücken, viele aber lassen ihrem Zorn mit wüsten Drohungen freien Lauf.
"Wir haben es nicht darauf abgesehen, beim Streit um eines der kontroversesten Themen des Landes in der vordersten Reihe zu stehen", sagte Joni Jay. Denn die Kluft in der amerikanische Gesellschaft ist tief. Derzeit laufen in zehn US-Staaten Verfahren, in denen Schwule und Lesben das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehen einklagen wollen - und bei diesem Thema kochen in den USA schnell die Emotionen hoch.
Schulleiterin Jay passt es nicht, dass diese hitzige Debatte nun ausgerechnet an ihrer Schule ausgetragen wird. Sie konzentriere sich einfach auf ihren Job und versuche, die wütenden Briefe nicht persönlich zu nehmen, sagte sie der Zeitung "Boston Globe". Jay hat sich auch mit den beiden Elternpaaren getroffen, die jetzt klagen: mit den Wirthlins und den Parkers - alten Bekannten sozusagen. Denn vor etwa einem Jahr hatte Vater David Parker schon einmal vehement gegen ein anderes Kindergarten-Buch protestiert, das unter anderem Eltern des gleichen Geschlechts zeigte. Weil er sich geweigert hatte, das Schulgelände zu verlassen, war Parker sogar verhaftet worden.
Nach dem Gespräch mit der Schulleiterin berichteten die beiden Elternpaare dem "Boston Globe", sie fühlten sich zwar mit ihren Bedenken durchaus ernstgenommen, seien aber mit Jays Entscheidung nicht einverstanden und wollten auf die Klage nicht verzichten.
Nach Angaben von Tricycle Press, wo "King & King" erscheint, gab es bereits 2004 erste Beschwerden über das Buch. So entschied das Schulkomitee einer Grundschule in Wilmington, das Buch solle zwar nicht aus der Bücherei entfernt, aber nur noch an Erwachsene verliehen werden. Laut American Library Association war die Geschichte des schwulen Prinzenpaars auch in den Top Ten jener Bücher, die Teile der Bevölkerung aus den Bibliotheken verbannt sehen möchten.
Trotzdem ist "King & King and Family", Teil zwei der Geschichte um Prinz Bertie, längst auf dem Markt. "Wir glauben, dass es alle Kinder verdienen, sich selber in Büchern zu sehen. Und diese Bücher sind für die Kinder homosexueller Eltern und ihrer Freunde bestimmt", sagte Tricycle Press-Verlegerin Nicole Geiger.
ded/jol