
Feminismus und Fußball: Männer unter sich
Schwedische Feministin über Fußballsprache "Falsch, paradox, rückwärtsgewandt"
Seit fast zehn Jahren spielt sie Fußball, sie weiß, dass die Jungen oft zu angenehmeren Zeiten trainieren dürfen, und dass die Jungen von richtigen Trainern trainiert werden, nicht nur von Eltern. Genervt hat sie das schon immer. Diesmal aber fühlte sie sich nicht nur ungerecht behandelt, sondern ausgegrenzt. Deswegen schrieb sie eine E-Mail - und nahm dem schwedischen Fußball damit ein Stück seiner Männlichkeit.
Die 15-jährige Schwedin Henrietta Berner, blond und zierlich, hatte einen Kurs für angehende Schiedsrichter besucht. Vier Mädchen nahmen teil und rund zehn Jungen, erinnert sie sich. Der Ausbilder erklärte ihnen die Regeln und verwendete dabei nur das Personalpronomen "er", Schiedsrichterinnen und Fußballerinnen gab es für ihn nicht, so klang es zumindest für Henrietta.
Irgendwann habe sich ein Junge gemeldet, erzählt sie. "Weißt du, dass hier auch Mädchen sitzen", fragte der. "Entschuldigt bitte, Mädels", antwortete der Ausbilder, "aber ich hoffe, ihr wisst, das ich euch auch meine, wenn ich 'er' sage."
Als Henriette abends nach Hause kam, las sie in dem Regelwerk, das der Ausbilder ihnen gegeben hatte. Sie unterstrich alle "han" und "hans" und "honom", die sie fand, "er", "seins" und "ihm". Danach schrieb sie eine E-Mail an Verantwortliche im Stockholmer Fußballverband, die wiederum leiteten sie weiter an den schwedischen Fußballverband. "Ich denke", schrieb sie darin, "dass es falsch, paradox, rückwärtsgewandt und seltsam ist, dass ausdrücklich das eine Geschlecht herausgepickt und als Norm vor das andere gestellt wird." Das, sagt sie, sei Sexismus.
SPIEGEL ONLINE: Hast du eine Antwort bekommen?
Berner: Ja, eine sehr negative. Niemand zuvor habe diese Geschlechterfrage kommentiert, schrieb einer. Andere verwiesen auf internationale Regeln, die auch die schwedischen beeinflussen würden. Das hat mich erst mal sehr enttäuscht.
SPIEGEL ONLINE: Und dann?
Berner: Eine Frau aus dem Vorstand hat das Thema noch mal aufgegriffen. Mit Erfolg: Kürzlich bekam ich wieder eine E-Mail. Der Verband wird jetzt das Regelwerk überarbeiten. Es soll dann nicht mehr "han" im Text stehen, sondern stattdessen Schiedsrichtende und Spielende. Darüber freue ich mich sehr.
SPIEGEL ONLINE: Der schwedische Fußballverband behauptet in der Zeitung "Dagens Nyheter" jetzt, es habe immer wieder mal Diskussionen um "han" und "honom" gegeben. Der Chef des Stockholmer Verbandes ist sich aber sicher: Du hast den Prozess beschleunigt. Glückwunsch dazu! Aber glaubst du wirklich, dass sich dadurch etwas verändert?
Berner : Natürlich kann man sagen, das ist nur eine Kleinigkeit, aber es ist immerhin etwas.
SPIEGEL ONLINE: Hast du dich vorher schon mal in so einer Form für Gleichstellung eingesetzt?
Berner : Vor allem tue ich etwas, indem ich mit vielen darüber spreche und diskutiere. Ich versuche, sowohl zuzuhören als auch zu erklären, warum Feminismus wichtig ist.
SPIEGEL ONLINE: Wie reagieren deine Freunde darauf?
Berner : Meine Freundinnen sind sowieso fast alle Feministinnen, die fanden auch die Änderung des Regelwerks ganz selbstverständlich. Ansonsten erfahre ich aber oft Widerstand, von den Jungen in meiner Klasse zum Beispiel. Die denken, wenn man eine Feministin ist, dann ist man auch eine Männerhasserin. Sie haben auch nicht recht verstanden, warum mir die Änderung so wichtig ist.
SPIEGEL ONLINE: Dabei feiern wir in Deutschland dein Land als besonders fortschrittlich.
Berner : Als Feministin sehe ich alles durch eine Geschlechterbrille, deswegen fällt mir natürlich überall etwas auf. Im Frühjahr habe ich zum Beispiel mein Schulpraktikum im Gleichstellungsministerium gemacht, da habe ich eine ganz andere Perspektive kennengelernt. Zum Beispiel schneiden die Jungen in der Schule schlechter ab. Das ist auch ein Gleichstellungsproblem.
SPIEGEL ONLINE: Könntest du dir vorstellen, später in dem Bereich zu arbeiten?
Berner : Absolut. Das ist total spannend.
SPIEGEL ONLINE: Also keine Karriere im Profifußball?
Berner : Nein, ich habe vor kurzem aufgehört, zu spielen. Jetzt tanze ich Ballett.