Streit um die Sommerferien Wenn alle auch mal Letzter sein wollen

Wenn es um die Sommerferien geht, will Bayern Letzter bleiben. Und darüber lässt Ministerpräsident Markus Söder nicht mit sich verhandeln. Mit den anderen Bundesländern in der Kultusministerkonferenz (KMK) einen Kompromiss finden? Auf keinen Fall.
"Das bayerische Abitur bleibt bayerisch, übrigens genauso, wie die Ferienzeiten bleiben", hatte Söder am Wochenende gesagt. Diese Nebenbemerkung war nach der Aufregung um Bayerns Ausstieg aus dem Bildungsrat, noch bevor der gestartet war, zunächst etwas untergegangen. Mit etwas Verspätung flammte die Empörung nun auf.
"Dieser Schuss wird nach hinten losgehen", hieß es am Mittwoch aus Hamburg. Dass Bayern ebenso wie Baden-Württemberg bei den Sommerferien seit Jahrzehnten eine Sonderstellung beansprucht, passt anderen Bundesländern schon lange nicht mehr. Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen hatten gerade erst einen Anlauf unternommen, um den komplexen Ferienkalender neu zu ordnen.
Der Hintergrund: Deutschlands Schulen verabschieden sich nicht alle gleichzeitig in die Auszeit wie in vielen anderen Ländern, sondern zeitversetzt. Welches Bundesland wann Sommerferien macht, entscheidet die KMK in Abstimmung mit den Landesregierungen. Die Planung erfolgt mehrere Jahre im Voraus, nach bestimmten Regeln und einem rollierenden System:
- Die 16 Bundesländer sind in fünf Gruppen eingeteilt. Sie liegen oft geografisch dicht beieinander und sind unter anderem wirtschaftlich eng verknüpft.
- Alle Länder einer Gruppe haben zeitgleich Sommerferien, und zwar ungefähr sechs Wochen lang.
- Startet in einem Jahr zum Beispiel Ländergruppe II als Erstes in die Sommerferien, macht im kommenden Jahr eine andere den Anfang.
- Nur Bayern und Baden-Württemberg bilden eine Ausnahme. Für sie ist der letzte Sommerferientermin reserviert. Hier beginnen die langen Ferien traditionell immer Ende Juli/Anfang August.
Nach diesem Regularium stehen die Ferientermine noch bis zum Jahr 2024 fest. Seit Oktober verhandeln die Bundesländer jedoch über die Jahre 2025 bis 2030. Hamburg und andere machen sich unter anderem dafür stark, die freien Tage zeitlich nicht so weit zu strecken. Generell sollen die Sommerferien nicht vor dem 1. Juli beginnen. Die unterschiedlichen Termine der Länder sollen enger zusammenrücken und die jährlichen Verschiebungen möglichst gering ausfallen.
Die Vorteile der späten Ferien
Dass Bayern und Baden-Württemberg immer den letzten Ferientermin für sich beanspruchen und damit durchkommen, ruft im Rest der Republik Unmut hervor: Einige finden zum Beispiel ungerecht, dass Familien aus dem Süden bei ihren Urlaubsreisen teilweise schon von den günstigeren Preisen der Nebensaison profitieren, sie selbst aber nicht. Das gilt für die längeren Pfingstferien ebenso wie die Ferien im August und September.
Wer schon im Juni in die Sommerferien startet, beklagt zudem oft, dass der Zeitraum zwischen Weihnachts- und Sommerferien vergleichsweise kurz ausfällt. In den Schulen drängen sich die Termine für Klassenarbeiten, das kann für Schüler und Lehrer stressig sein. Ein Nachteil, den Bayern und Baden-Württemberg nicht haben.
Die beiden Bundesländer wollen ihren Bonus behalten und argumentieren dabei unter anderem mit ihren traditionell längeren Pfingstferien. Die Sommerferien sollen nicht direkt daran anschließen - und deshalb später anfangen. Nordrhein-Westfalen will dem Süden diesen Punkt nun streitig machen - und auch mal Letzter sein.
2018 gab es in NRW das erste Mal seit Jahrzehnten längere Pfingstferien, zur Freude vieler Eltern, Lehrer und Schüler. Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) würde daraus gerne eine Standardregelung machen - und pochte deshalb schon im Sommer darauf, es müsse "neue Regelungen" geben.
Aushandeln verschiedenster Interessen
Dass die Sommerferien in Deutschland überhaupt versetzt beginnen, hat vor allem zwei Gründe:
- Man will überfüllte Züge und Autobahnen vermeiden. Verbände wie der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) warnen vor noch schlimmeren Staus in den Sommermonaten, wenn diverse Familien zeitgleich verreisen. Der versetzte Ferienstart soll das Problem entzerren.
Zu Söders Absage an eine Neuregelung der Ferien merkte Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) in der "Süddeutschen Zeitung" deshalb süffisant an: "Jetzt wird jedes Land genau wie Bayern die Sommerferien im Alleingang festlegen. Viel Spaß auf den langen bayerischen Autobahnen."
- Außerdem geht es um wirtschaftliche Interessen. Die Tourismusbranche will den "Ferienkorridor" im Sommer so weit wie möglich in die Länge ziehen, weil das besser fürs Urlaubsgeschäft ist. Lobbyisten der Tourismusbranche feilschen mit der KMK mitunter um einzelne Tage.
Der neue Vorstoß zu den Ferienregeln ruft deshalb tourismusstarke Länder wie Schleswig-Holstein auf den Plan: "Ein zu enger Ferienkorridor in ganz Deutschland könnte negative Auswirkungen auf den für unser Land so wichtigen Tourismus haben, wenn die Saison dadurch deutlich kürzer würde", sagte ein Sprecher des Bildungsministeriums in Kiel im Oktober.
Für die KMK sind bei der Ferienplanung nach eigenen Angaben jedoch "organisatorische und pädagogische Kriterien" ausschlaggebend, zum Beispiel diese: Schuljahre sollen etwa gleich lang sein, ebenso wie Halbjahre, unter anderem mit Blick auf Zeugnisse. Es soll außerdem einen sinnvollen Rhythmus von Unterricht und Erholung/ Auszeit geben. Auf Grundlage der Sommerferien dürfen die Bundesländer dann ihre "kleinen Ferien" etwa zu Ostern oder Weihnachten planen.