

Der Junge kniet im Sand und schaut in diese großen dunklen Augen, in der linken Hand ein rotes Tuch. Der zwölfjährige Solal kleidet sich schon wie ein Großer, mit Anzug, Hemd, kurzer Jacke. Auf dünnen Beinen steht das Kälbchen vor ihm, stolz sieht er es an, überheblich und unbesiegbar. Er wird es nicht töten, sondern nur etwas triezen. So wie er es gelernt hat in der Stierkampfschule in Nîmes.
Seit 30 Jahren schon werden in der südfranzösischen Stadt die Toreros von morgen ausgebildet, rund tausend Schüler besuchten bislang die Schule. Solal trainiert dort inzwischen seit drei Jahren, parallel dazu besucht er eine öffentliche Schule. Solal und seine Mitschüler kämpfen nicht nur mit echten Tieren, sondern üben auch mit Attrappen: Dann schieben sie einen nachgebauten Bullenkopf durch die Arena, der an einer Art Schubkarre befestigt ist. Garantiert keine Tierquälerei.
"Das ist pervers und zutiefst schockierend"
Eigentlich stellt ein französisches Gesetz Stierkampf unter Strafe - bis zu zwei Jahre Haft oder 30.000 Euro Buße drohen dem, der sich nicht daran hält. Es sei denn, er lebt in Südfrankreich: An der Grenze zu Spanien gehört Stierkampf zur Tradition und lockt viele Touristen, deswegen sieht das Gesetz für diese Region eine Ausnahme vor.
Freunde des Stierkampfes sprechen von Kultur, so hat Spaniens Senat gerade die Tradition zum "immateriellen Kulturgut" erklärt. Gegner wie die Schauspielerin Brigitte Bardot sagen: "Grausamkeit, Bestialität zum Spektakel zu erheben, sich daran zu ergötzen, Leiden zuzufügen und zu töten - das ist pervers und zutiefst schockierend." Sie rief vor einem Jahr dazu auf, den Stierkampf in Frankreich komplett zu verbieten. Zu der Zeit befasste sich gerade der französische Verfassungsrat mit der Klage zweier Tierschutzverbände - und lehnte sie ab. Die Ausnahmeklausel sei verfassungsgemäß, entschied der Rat damals.
Gut für die kleinen Toreros von Nîmes. Schließlich will Solal sein Gelerntes irgendwann anwenden wie ein Großer. Die Chancen, dass er davon eines Tages leben kann, stehen allerdings nicht so gut: Von den rund tausend Absolventen arbeitet heute nur ein Bruchteil als professioneller Stierkämpfer.
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Seit 1983 haben an der Stierkampfschule im südfranzösischen Nîmes etwa tausend Jugendliche die Ausbildung zum Torero durchlaufen. Der zwölfjährige Solal besucht die Schule seit drei Jahren, hier hilft ihm sein Vater vor einem Kampf beim Anziehen. In Frankreich ist Stierkampf eigentlich verboten, nur in einigen Regionen gilt eine Ausnahme - sehr zum Missfallen der Tierschützer. mehr...
Mit einem Hemd übt Solal auf dem Weg zur Stierkampfarena eine der traditionell festgelegten Bewegungen. Mit den kunstvollen Manövern weicht der Torero dem Stier im Kampf aus. In der Arena benutzt er dafür die Muleta, das berühmte rote Tuch.
Gespannt beobachten Solal und einige seiner Mitschüler die Ankunft der Stiere in der Stierkampfarena von Bouillargues. In den Anfängerkämpfen kommen nur Stierkälber zum Einsatz, die maximal drei Jahre alt sind.
Tanz mit dem Stier: Je spektakulärer die Muletazos sind, die Ausweichmanöver des Toreros mit der Muleta, desto lauter der Beifall des Publikums. Die Stiere reagieren, entgegen weit verbreiteteter Meinung nicht auf die rote Farbe des Tuchs, sondern auf dessen Bewegungen.
Zweimal die Woche trainieren Solal und die anderen Schüler die Bewegungen und Gesten eines Toreros - ohne Stier. Regelmäßig nehmen sie aber auch an Anfängerkämpfen mit Stierkälbern teil. Trotz des Estoque genannten Degens wird das Jungtier dabei nicht verletzt.
Wie Solal ist auch Nino Schüler einer öffentlichen Schule. Seit einem Jahr macht der Zehnjährige die Ausbildung zum Stierkämpfer.
Die Waffen der Stierkämpfer: Der Capa genannte zweifarbige Umhang kommt während der ersten beiden Teile des Stierkampfes zum Einsatz, um das Tier zu reizen. Im letzten Drittel wird die scharlachrote Muleta verwendet. Ihre ursprünglich weiße Farbe wurde geändert, um das Blut der Stiere zu verdecken. Mit dem Estoque versetzt ihnen der Torero den Todesstoß.
Mit Atrappen wie dieser üben die Nachwuchsstierkämpfer ihr blutiges Schauspiel. Nino, hier in einer Arena im in der Nähe des südfranzösischen Nîmes gelegenen Garons, träumt von einer Zukunft als Torero. Die Chancen sind nicht gerade groß: Nur 20 der rund tausend Absolventen sind heute professionelle Toreros.
Junge Stierkämpfer beim Training in Garons: Bevor sie mit ausgewachsenen Kampfstieren in der Arena kämpfen dürfen, müssen die Nachwuchstoreros eine gewisse Anzahl von Anfängerkämpfen absolvieren.
Bereit für den finalen Stoß: Am Ende eines Kampfes tötet der Stierkämpfer das schwer verletzte Tier mit einem gezielten Stich ins Genick. Tierschützer fordern seit langem ein Verbot der blutigen Events.
Laut Tierschutzgesetz ist in Frankreich jeder "Akt der Grausamkeit" gegen Tiere verboten. Eine Ausnahmeregel erlaubt jedoch Stier- und Hahnenkämpfe in Regionen, in denen es sich dabei um "örtliche Tradition" handelt.
Müde vom Tag: Solal liegt in seinem Bett und liest - natürlich - vor dem Einschlafen noch in einem Stierkampfmagazin.