Unesco-Bericht 250 Millionen Kinder können nicht lesen und schreiben

Alle Kinder sollten Zugang zu kostenloser Bildung bekommen, das wollten mehr als 160 Länder bis 2015 erreichen. Doch jetzt zeigt ein neuer Unesco-Bericht: Das Uno-Millenniumsziel ist wohl nicht mehr zu schaffen. Die Zahl der Jungen und Mädchen, die keine Grundschule besuchen, stagniert.
Kinder in Flüchtlingslager in Pakistan (Archivbild): Der Uno-Bildungsplan droht zu scheitern

Kinder in Flüchtlingslager in Pakistan (Archivbild): Der Uno-Bildungsplan droht zu scheitern

Foto: AKHTAR SOOMRO/ REUTERS

"Bildung für alle", lautet das zweite von sechs Zielen der Uno-Millenniumserklärung. Mehr als 160 Länder weltweit haben sich im Jahr 2000 dazu verpflichtet. Bis 2015 sollte das Ziel erreicht sein. Jetzt warnt die Unesco: Der Plan wird wohl scheitern. Dabei stützt sich die Unesco auf Zahlen aus ihrem neuen Weltbildungsbericht, den die Uno-Organisation in Paris veröffentlicht hat.

Demnach sind viele Entwicklungsländer weit davon entfernt, die Vorhaben umzusetzen. Die Bilanz ist nach erheblichen Erfolgen zum Start des Programms mittlerweile ernüchternd: 250 Millionen Kinder im Grundschulalter können weder lesen noch schreiben. Und die Zahl der Kinder, die keine Grundschule besuchen, stagniert. So hatten im bislang jüngsten Datenjahr 2010 61 Millionen Kinder keinen Zugang zu einer Grundschule.

Dabei sollten laut den Vereinbarungen der Länder alle Kinder Zugang zu kostenloser Grundschulbildung erhalten. Diesen Punkt schrieb die Weltgemeinschaft zusammen mit der deutlichen Armutsreduzierung auch als sogenanntes Uno-Millenniumsziel fest.

Auch Europa ist betroffen

Gleichzeitig ging auch die Ausbildung von Älteren nur schleppend voran: 71 Millionen junge Menschen besuchen dem Unesco-Bericht zufolge keine Sekundarstufe und haben daher keine Chance, sich die nötigen Kenntnisse für eine berufliche Perspektive anzueignen. Jeder achte Jugendliche weltweit ist arbeitslos.

"Nach wie vor sind 775 Millionen Erwachsene weltweit Analphabeten, zwei Drittel davon Frauen", hieß es am Dienstag zur Vorstellung des Berichts. Auch in diesem Bereich werde die Zielvorgabe voraussichtlich deutlich verfehlt. Geplant war, die Analphabetenrate unter Erwachsenen bis 2015 um die Hälfte zu senken. Das Programm "Bildung für alle" der Uno-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) ist eines der größten Bildungsprogramme weltweit. Die Verpflichtung kostet die Ländern jedoch nicht nur Geld: Jeder US-Dollar, den die Gemeinschaft für die Bildung junger Menschen ausgibt, führe zu 10 bis 15 Dollar Wirtschaftswachstum, heißt es in dem Bericht.

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Uno-Bericht: Weltweit steigt die Jugendarbeitslosigkeit

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Auch Europa ist von diesen Problemen betroffen. Die Unesco-Experten machten insbesondere auf die hohen Arbeitslosenquoten bei Jugendlichen in Griechenland und Italien aufmerksam. Sie seien nicht nur eine Folge der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise, sondern auch die Konsequenz von mangelnder Bildung, hieß es. Selbst vor der Krise hätten mehr als 40 Prozent der jungen Griechen und Italiener fünf Jahre auf einen Job warten müssen.

Jeder zweite Italiener hat Probleme mit dem Lesen und Schreiben

In Italien haben demnach etwa die Hälfte aller Erwachsenen Probleme beim Lesen und Schreiben, in Großbritannien sind es ein Fünftel, in Deutschland ein Sechstel. Auf der Basis von OECD-Daten schätzt der Weltbildungsbericht, dass in den Industrieländern 160 Millionen Erwachsene nicht in der Lage sind, eine Zeitung zu lesen oder sich für eine Stelle zu bewerben, weil ihnen die entsprechenden Kenntnisse fehlen.

Die Unesco fordert deshalb deutlich mehr Mittel für die Qualifikation Jugendlicher. "Die hohe Jugendarbeitslosigkeit in vielen Ländern der Europäischen Union ist beunruhigend. Daher müssen auch wir in Europa der beruflichen Bildung in Zukunft hohe Aufmerksamkeit schenken, damit wir nicht in wenigen Jahren schon von einer verlorenen Generation sprechen müssen", kommentierte Dieter Offenhäußer, stellvertretender Generalsekretär der Deutschen Unesco-Kommission.

Ausdrücklich gelobt wird dabei das deutsche Modell der dualen Ausbildung mit Berufsschule auf der einen und der praktischen Arbeit in einem Betrieb auf der anderen Seite. Diese besondere Form der Berufsvorbereitung sei ein Grund für die in der Bundesrepublik vergleichsweise niedrige Jugendarbeitslosenquote von rund acht Prozent, im Vergleich zu 23 Prozent in Frankreich und 22 Prozent in Großbritannien.

lgr/dpa
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