Putin an Deutscher Schule in Moskau Russische Botschaft

Wladimir Putin an der Deutschen Schule in Moskau
Foto: Alexander Zemlianichenko/ dpaHoher Besuch will gut vorbereitet sein. Das gilt in Russland vielleicht noch ein wenig mehr als anderswo. Auf der Straße, die zur Deutschen Schule in Moskau führt, haben in der Nacht Bauarbeiter eilends Schlaglöcher gefüllt, denn: Der Staatschef kommt.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Einladung von drei deutschen Lehrern zu einem Geschichtsprojekt angenommen. Das ist einigermaßen überraschend, selbst für die deutsche Botschaft. "Die sind noch immer ein bisschen verdattert", sagt einer der Lehrer, nicht ohne Stolz.
Wenn Prominente sich für Schülerprojekte erwärmen, passiert oft zweierlei: Einerseits werten sie die Veranstaltung auf, das Interesse der Presse ist höher. Andererseits geht im Rummel oft das eigentliche Vorhaben unter, die Prominenz stellt die gute Sache in den Schatten.
Bei dem Moskauer Projekt sollen junge Deutsche und Russen des Zweiten Weltkriegs gedenken, gemeinsam, nicht getrennt. Am 22. Juni 1941 hatten deutsche Verbände den Überfall auf die Sowjetunion begonnen. Auf Seiten der Sowjetunion starben 25 Millionen Menschen.
In Moskau treffen nun junge Leute aus drei Städten zusammen: Schüler der Deutschen Schule in Moskau, aus Bad Salzungen in Thüringen und aus dem russischen Rschew. Die Provinzstadt war 1942/43 Schauplatz einer der blutigsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs mit mehr als einer Million Toten.
Russland setzt wieder auf Deutschland
Putin begrüßt "die lieben Freunde" auf Deutsch, dann wechselt er ins Russische. Er betont die Bedeutung des Siegs im "großen vaterländischen Krieg" für sein Land. Die Westalliierten hätten nur einen Bruchteil der Verluste der Sowjetunion erlitten, rechnet Putin vor: 400.000 tote Briten, 410.000 Amerikaner, sieben Millionen Deutsche, 25 Millionen Sowjetbürger. "Unsere Völker haben die größten Verluste erlitten", sagt er. In seiner Arithmetik leitet sich daraus auch eine besondere Beziehung zwischen Russen und Deutschen ab.
Putin ist der Deutschen Schule verbunden, seine Töchter haben dort ihren Abschluss gemacht. Dennoch ist der Besuch erstaunlich. Der Präsident hat eine Botschaft im Gepäck, und ihr Adressat sind weniger die Zehnt- und Elftklässler, die vor ihm auf ihren blauen Stühlen sitzen, als viel mehr die Deutschen insgesamt. Russland setzt wieder auf Deutschland, das ist das Signal.
Natürlich müsse man "die Tragödien der Vergangenheit kennen", sagt Putin. Deutschland und Russland müssten "nichtsdestotrotz den Blick auf die Zukunft richten. Ich bin mir sicher, sie wird glänzend sein".
Zwischen den Zeilen kann man das als Aufforderung verstehen, auch die Konflikte der jüngeren Vergangenheit bitte beiseitezuschieben, die Annexion der Krim, den Krieg in der Ostukraine. "Die Vergangenheit darf sich nicht an uns krallen", sagt Putin. Schwamm drüber, lasst uns wieder Freunde sein.
Der deutsche Botschafter in Moskauer erinnert daran, dass "Deutschland 1941 den vielleicht schrecklichsten Krieg der Geschichte begonnen hat, der dann auf das Schrecklichste zurückfiel auf Deutschland selbst". Für das Verhältnis der beiden Länder sei wichtig, dass Deutsche und Russen ihre Erinnerungen an den Krieg austauschen, die Schicksale ihrer Familien.
Der in der Kunst der dezenten Anspielung bewanderte Diplomat warnt zugleich vor einer deutsch-russischen Annäherung auf Kosten anderer. "Wir müssen unser Miteinander nach Regeln ordnen, nicht nach dem Prinzip, dass Große eine Stimme haben und Kleine keine." Das ist auf die Ukraine gemünzt, auch wenn der Botschafter sie nicht explizit erwähnt.
Nach dem Festakt beginnt für die Schüler der drei Schulen die Projektarbeit. Sie besuchen in Moskau das russische Parlament und diskutieren mit deutschen Weltkriegsveteranen. Am Freitag werden sie gemeinsam für einige Tage nach Rschew reisen. Sie wohnen dort in Gastfamilien und besuchen den Soldatenfriedhof.
Es gehe darum, "in Zeiten politischer Spannungen ein Zeichen für die Völkerverständigung und die deutsch-russische Freundschaft zu setzen", heißt es in der Projektbeschreibung ein wenig sperrig. Maria aus der elften Klasse erklärt, was für sie im Vordergrund steht: "Ich finde es spannend, so viele neue Leute kennenzulernen."