Zeugen Jehovas Schüler müssen am Kinobesuch teilnehmen

In Bocholt wollten Eltern ihren Sohn vom Film "Krabat" fernhalten - aus Furcht vor bösen Geistermächten. Doch ihre Klage gegen ein Gymnasium scheiterte. Münsteraner Richter entschieden, dass Kinder nicht aus religiösen Gründen von einem Kinobesuch im Schulunterricht freigestellt werden müssen.
Buchcover "Krabat": Die Richter verstehen die Geschichte als ein Plädoyer für die Freiheit

Buchcover "Krabat": Die Richter verstehen die Geschichte als ein Plädoyer für die Freiheit

Foto: Thienemann

Eine Schule muss einen Schüler nicht aus religiösen Gründen von einem Kinobesuch befreien, wenn es sich um eine schulische Pflichtveranstaltung handelt. Das hat das Verwaltungsgericht Münster entschieden (Aktenzeichen 1 K 528/09).

Es ging um einen Fall, der sich im Oktober 2008 an einem Bocholter Gymnasium abspielte: Die zur Religionsgemeinschaft Zeugen Jehovas gehörenden Eltern eines 13-Jährigen wollten verhindern, dass der Junge sich im Rahmen des Deutschunterrichts den Film "Krabat" ansieht. Die Siebtklässler hatten zuvor das Jugendbuch von Otfried Preußler gelesen: Es ist ein Klassiker, erstmals 1971 erschienen, mehrfach mit internationalen Preisen ausgezeichnet und zweimal verfilmt. Das Buch erzählt die Geschichte des Waisenjungen Krabat, der Lehrling eines Zaubermeisters wird und sich zu behaupten lernt - am Ende siegt die Liebe über das Böse.

Als die Eltern vom geplanten Kinobesuch erfuhren, sagten sie dem Lehrer, dass sie aus religiösen Gründen die Teilnahme ihres Sohnes ablehnten. Laut Gericht wollten sie sich und ihren Sohn von bösen Geistermächten fernhalten und sehen sich deshalb keine mystischen Filme an.

Der Schulleiter lehnte jedoch eine Befreiung des Jungen von der verbindlichen Schulveranstaltung ab. Trotzdem nahm der Siebtklässler nicht am Kinobesuch teil. Gegen die Eltern wurde ein Bußgeldverfahren wegen Verletzung der Schulpflicht eingeleitet, aber dann eingestellt.

"Wir haben kein Haar in der Suppe gefunden"

Die Eltern klagten, um festzustellen, ob die Ablehnung des Schulleiters rechtswidrig war. In der Verhandlung argumentierte der Pädagoge, die Beschäftigung mit Krabat im Unterricht ziele gerade auf die Befreiung des Menschen von dunklen, totalitären Mächten. Der Anwalt der Eltern entgegnete nach einem Bericht der "Westfälischen Nachrichten", das Problem sei nicht die Lektüre, sondern der Film: "Er zieht den Betrachter viel stärker in den Bann. Die Schule hätte deshalb den Elternwillen respektieren müssen."

Das sah der Richter anders. Das Grundrecht auf religiöse Kindererziehung verleihe den Eltern weder den Anspruch, dass der Schulunterricht nach ihren religiösen Vorstellungen ausgerichtet werde, noch das Recht, ihre Kinder von bestimmten Unterrichtsinhalten fernzuhalten. Mit dem Film "Krabat" und der konkreten Unterrichtsgestaltung habe die Schule sich im Rahmen des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags gehalten und das Neutralitätsgebot nicht verletzt, hieß es in dem Urteil.

Der Film sei zudem ein Plädoyer für die Freiheit und er habe die Schüler nicht dahingehend beeinflusst, Spiritismus und schwarze Magie zu befürworten. "In dem Unterricht haben wir kein Haar in der Suppe gefunden", so der Richter.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, laut den "Westfälischen Nachrichten" will der Anwalt der Eltern Berufung einreichen.

bim/APD/dpa

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