40. Bafög-Geburtstag Wir haben Geld genommen

Einen Bafög-Antrag auszufüllen ist nicht ganz einfach. Insgesamt acht Formblätter gibt es, zum Teil bestehen sie aus mehreren Seiten. Und schon der Antrag auf Ausbildungsförderung - das Formblatt 1 - hat es in sich: Die Studenten müssen Angaben zu ihrem Vermögen machen, zu Wertpapieren oder Lebensversicherungen. Kein Wunder, dass viele der Anträge erst einmal fehlerhaft bei den Bafög-Ämtern landen. Fast alle enthalten falsche Angaben oder sind unvollständig, hat eine Studie des Nationalen Normenkontrollrats aus dem vergangenen Jahr ergeben.
Sich durch die Anträge zu kämpfen, lohnt sich aber trotzdem. Bis zu 670 Euro pro Monat können Studenten bekommen, wenn sie zeigen, dass sie ohne die Unterstützung vom Staat kein Studium aufnehmen könnten. Das Bafög gilt bis heute als beste Finanzierungsquelle für Studenten - auch wenn viele trotzdem noch nebenbei arbeiten und die Hälfte des Geldes später jahrelang abstottern müssen. Denn der andere Teil wird vom Staat geschenkt. Und weitere Rabatte winken, wenn man das Bafög auf einen Schlag zurückzahlt oder besonders gute Noten hat - wobei der Notenrabatt ab 2013 nicht mehr gilt.
Fünf Studenten berichten, warum das Bafög für sie so wichtig ist. Und auch einige Prominente sind froh, dass sie während ihres Studiums staatliche Unterstützung bekommen haben.
Gunnar Schmalz, 30 - "Von gut beraten bis richtig gezofft"

Gunnar Schmalz: Er hofft für die Rückzahlung auf gute Jobaussichten
Foto: Mareike WegermannMein Name ist Gunnar Schmalz und ich bin 30 Jahre alt. Im Januar dieses Jahres habe ich mein Diplom in Umwelttechnik und Ressourcenmanagement an der Ruhr Universität Bochum gemacht. Bafög war für mich wahnsinnig wichtig, ganz einfach weil ich sonst mein Studium nicht hätte finanzieren können. Unterstützung der Eltern kam für mich nicht in Frage. Ich habe pro Monat 450 Euro Bafög bekommen. Das hat zum Leben nicht ganz gereicht, also habe ich nebenbei noch als studentische Hilfskraft gearbeitet. Als ich dann für zehn Monate zum Studium nach Schweden gegangen bin, habe ich zusätzlich noch einen kleinen Studienkredit aufgenommen, weil ich in der Zeit ja nichts dazu verdient habe.
Ich bin echt unheimlich lange gefördert worden, insgesamt zwölf Semester, obwohl sich die Förderungshöchstdauer nach der Regelstudienzeit richtet und die liegt bei neun Semestern. Das lag zum einen an meinem ehrenamtlichen Engagement in der Fachschaft - da musste ich dann nachweisen, dass ich dort die halbe Woche lang beschäftigt war - zum anderen an meinem Auslandsaufenthalt.
Mit den Sachbearbeitern habe ich ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht, das waren irgendwie auch jedes Semester neue. Manche haben mich total gut beraten, mit anderen habe ich mich richtig gezofft. Anfangs lag das zum Beispiel daran, dass mein Vater in den Anträgen Angaben gemacht hat, die nicht mit seinem Steuerbescheid übereinstimmten. Meine Eltern wohnen weiter weg und haben die Papiere damals direkt an das BAföG-Amt geschickt. Und die Sachbearbeiterin hat mich dann dafür verantwortlich gemacht und entsprechend unfreundlich behandelt.
Sorgen, dass ich das Darlehen vielleicht nicht zurückzahlen kann, mache ich mir nicht. In meinem Bereich sind die Jobaussichten zum Glück ziemlich gut.
Annette Schavan, 56 - "Zum Studium ermutigt"

Annette Schavan: Die Frau mit dem Turbo-Studium
Foto: dapdBundesbildungsministerin Annette Schavan hat ein regelrechtes Turbo-Studium hingelegt. 1974 hat sie begonnen, Erziehungswissenschaft, Philosophie und Katholische Theologie an den Universitäten Bonn und Düsseldorf zu studieren. Sechs Jahre später war sie nicht nur mit dem Studium fertig, sondern hatte auch eine Promotion abgeschlossen. Der Titel: "Person und Gewissen. Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung."
Finanzielle Unterstützung bekam die CDU-Politikerin durch ein Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung, für das sich besonders begabte Studenten bewerben können. Am Anfang ihres Studiums bekam sie auch Bafög: "Die Bafög-Förderung hat mich zum Studium ermutigt", sagt Annette Schavan in der Sonder-Publikation des Deutschen Studentenwerks zu 40 Jahren Bafög.
Juliane Richert, 23 - "Was das Zurückzahlen angeht, sehe ich schwarz"

Juliane Richert: Sie wartet schon auf den nächsten Bafög-Bescheid
Foto: Rothe & KucklickMein Name ist Juliane Richert. Ich bin 23 Jahre alt und studiere im siebten Semester BWL an der Fachhochschule Stralsund. Im Monat habe ich bisher 284 Euro Bafög bekommen. Anfangs habe ich in Kneipen und Bars gearbeitet - was man so kennt - aber seit dem dritten Semester habe ich zum Glück zwei Jobs als studentische Hilfskraft, insgesamt auf 400-Euro-Basis. Sonst wäre das finanziell gar nicht gegangen: Die Mietpreise in Stralsund haben teilweise Großstadt-Niveau und das Bafög ging komplett für die Miete drauf - ohne Nebenkosten.
Mit meiner jetzigen Beraterin komme ich super klar. Sie hat immer Zeit, sogar außerhalb der Sprechzeiten, und sie gibt viele Tipps. Von ihr weiß ich zum Beispiel auch, dass Heimfahrten vom Ort des Praktikums in den Werbungskosten berücksichtigt werden. Da ich gerade sechs Monate lang ein Praktikum in Wolfsburg mache und alle zwei Wochen nach Hause fahre, bringt das schon eine ganze Menge. Ein Detail, auf das mich die vorherige Beraterin nicht hingewiesen hat.
Ich weiß noch nicht, ob ich für das kommende Semester auch Bafög bekomme. Den Antrag habe ich im Mai abgegeben und obwohl die maximale Bearbeitungszeit drei Monate beträgt, habe ich noch keinen Bescheid. Das wäre das dritte Jahr in Folge, dass ich es nicht pünktlich bekomme. Im ersten Jahr musste ich drei Monate überbrücken. Ohne familiäre Unterstützung hätte ich das nicht geschafft.
Was das Zurückzahlen angeht, sehe ich im Moment schwarz. Schön wäre, später einen tollen Job zu haben und alles auf einmal zurückzahlen zu können. Dann bekäme ich auch einen Teilerlass. Wahrscheinlich ist, dass ich mit 40 mein Darlehen beglichen haben werde und dann endlich mal ans Sparen denken kann.
Thomas Gottschalk, 61 - "Bis heute Dankbarkeit"

Thomas Gottschalk: Er wollte mal Lehrer werden
Foto: Andreas Gebert/ dpaAuch der Showmaster Thomas Gottschalk musste sich am Anfang seines Studiums von der Staatsknete unterstützen lassen. 1971 begann er mit einem Germanistik- und Geschichts-Studium in München, das er 1975 mit dem Staatsexamen abschloss. Schon als Student arbeitete er als freier Mitarbeiter beim BR - kam aber auch nicht ohne das Bafög aus.
"Ich komme selbst aus einer Familie, die auf Hilfe des Sozialstaats angewiesen war und habe nur mit Bafög und Studienbeihilfe meine Ausbildung abschließen können", sagt er dem Deutschen Studentenwerk, "das erfüllt mich bis heute mit einer gewissen Dankbarkeit, aber auch Verantwortung diesem Staat gegenüber."
Susann Helmund, 29 - "Die Sachbearbeiterin hat sich mächtig ins Zeug gelegt"

Susann Helmund: Probleme, weil sie ihren Vater nicht kennt
Mein Name ist Susann Helmund und ich bin 29 Jahre alt. Ich mache einen Bachelor in Wirtschaftskommunikation an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin und bin im zweiten Semester. Vorher habe ich schon zwei Semester Erziehungswissenschaften studiert, ich bin also Studienwechslerin. Den Bafög-Antrag habe ich versucht, so früh wie möglich zu stellen, damit alles glatt geht. Es gab dann aber doch ein paar Probleme, weil ich meinen leiblichen Vater nicht kenne und deshalb auch keine Angaben zu seinem Einkommen machen konnte. Keine Ahnung wie, aber das Bafög-Amt hat ihn dann ausfindig gemacht und die Sache geklärt. Bis dahin musste ich aber schon mal einen Vorschuss beantragen, weil das Semester inzwischen schon anfing. Die Sachbearbeiterin hat sich mächtig ins Zeug gelegt, so dass alles schnell geklappt hat.
Mit den Anträgen ist das an sich kein Problem, man muss sich dafür einfach ein bisschen Zeit nehmen. Ich habe eine Kopie meines Mietvertrags beigelegt, die Höhe der Nebenkosten nachgewiesen und so weiter. Im Moment bekomme ich 619 Euro im Monat. Einen Anspruch auf Kindergeld habe ich nicht mehr und meine Mutter kann mich nicht unterstützen, deshalb bin ich froh, eine Stelle als Werkstudentin gefunden zu haben.
Meine Förderungshöchstdauer ist begrenzt auf 2013. Wenn ich bis dahin mit dem Studium nicht fertig werde, muss ich dem Bafög-Amt klar machen, warum ich länger brauche und dann gibt es vielleicht noch eine Chance zu verlängern.
Zwar mache ich mir Gedanken, wie ich das Darlehen später zurückzahlen kann, aber ich bin da ganz zuversichtlich. Damit fängt man ja erst fünf Jahre nach Beendigung des Studiums an und dann richtet sich die monatliche Rückzahlung nach dem Einkommen. Das wird schon klappen.
Ulla Burchardt, 57 - "In Bochum bei den Eltern gewohnt"

Ulla Burchardt: Bafög gab's erst, als sie zu Hause auszog
Foto: Tim Brakemeier/ picture alliance / dpaUlla Burchardt, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, hat während ihres Studiums ebenfalls Bafög bekommen - und kann sich sogar als eine der wenigen noch an die genaue Höhe erinnern. Mit 448 Mark pro Monat wurde sie unterstützt, nachdem sie ihren Studienort von Bochum nach Bielefeld verlegt hat: "In Bochum habe ich noch bei meinen Eltern gewohnt, deshalb hatte ich keinen Anspruch auf Bafög", sagt die SPD-Politikerin. Studiert hat sie Sozialwissenschaften und Psychologie von 1972 bis 1977, wurde danach Referentin in der Erwachsenenbildung. Seit 1990 ist sie Mitglied des Deutschen Bundestags.
Kisten Feldmann, 26 - "Wer sparsam lebt, kann klarkommen"

Kirsten Feldmann: Mit dem Bafög-Höchstsatz das Studium ermöglicht
Foto: Anna SchneiderMein Name ist Kirsten Feldmann und ich bin 26 Jahre alt. Ich studiere im fünften Semester Kommunikations- und Multimediamanagement an der Fachhochschule Düsseldorf. Dabei werde ich mit dem Bafög-Höchstsatz unterstützt, das sind 670 Euro im Monat. Ich bekomme elternunabhängiges Bafög, das heißt, das Vermögen meiner Eltern wird nicht mit eingerechnet. Das ist einer Sonderregelung für Studenten, die vor dem Studium schon mehr als fünf Jahre berufstätig waren inklusive Ausbildung. Nach meinem Realschulabschluss habe ich eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation gemacht, aber schnell gemerkt, dass mich das auf Dauer nicht erfüllt. Auf der Abendschule habe ich dann meinen Fachwirt nachgeholt.
Beim Bafög-Amt habe ich mich nur beim allerersten Antrag beraten lassen, jetzt schicke ich die Anträge immer per Post. Das hat den Vorteil, dass ich nicht ewig vor der Tür des Beraters warten muss. Das kann nämlich passieren, gerade wenn die Fristen ablaufen. Wenn man selbst kaum Vermögen hat und das der Eltern keine Rolle spielt, sind die Formulare auch wesentlich schneller ausgefüllt als beim elternabhängigen Bafög.
Wer sparsam lebt, kann mit dem Förderungshöchstsatz klarkommen. Ich wohne mit meinem Freund zusammen und mache nebenbei manchmal Beiträge für den Hörfunk. Dadurch konnte ich es mir jetzt sogar erlauben, einen Monat lang ein unbezahltes Praktikum beim SWR in Baden-Baden zu absolvieren. Ich denke und hoffe, dass ich nach dem Studium einen guten Job haben werde, so dass ich das Darlehen dann zurückzahlen kann.
Renate Künast, 55 - "Ich war froh, sonst wäre vieles versperrt geblieben"

Renate Künast: Erst Sozialarbeit, dann Jura
Foto: dapdAuch Renate Künast, Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, gehört zur Riege der prominenten Bafög-Bezieher. Gleich zwei Studiengänge hat sie absolviert. Vom Wintersemester 1973 bis zum Sommersemester 1976 studierte sie Sozialarbeit an der Fachhochschule Düsseldorf-Eller. Bis zum Sommersemester 1982 studierte sie außerdem in acht Semestern Rechtswissenschaften an der FU Berlin. Ab dem vierten Semester hat sie auch Bafög bekommen - kann sich aber an die genaue Höhe nicht mehr erinnern. "Ich war als Studentin froh, Bafög zu kriegen", sagt sie dem Deutschen Studentenwerk, "sonst wäre mir vieles versperrt geblieben."
Tobias Langguth, 26 - "Drei Mal kamen die Formulare zurück"

Tobias Langguth: Extra-Semester durch Gremienarbeit
Foto: Juan ValquiMein Name ist Tobias Langguth. Ich bin 26 Jahre alt und im zwölften Semester. Ich schreibe gerade meine Diplomarbeit in Biologie an der Uni Kiel. Bafög bekomme ich von Anfang an - und auch jetzt noch, weil ich mich sowohl in der Fachschaftsvertretung als auch im Asta engagiert habe. Denn für zwei Semester ehrenamtliche Tätigkeit an der Uni gibt es ein Semester Bafög zusätzlich, für mich in dem Fall zwei.
Bis ich das mit den Anträgen drauf hatte, hat es schon etwas gedauert. Die ersten drei Male habe ich die Formulare immer noch mal zurückbekommen, weil ich etwas korrigieren musste. Das lag auch daran, weil mein Vater zum Teil Fehler beim Ausfüllen gemacht hat, aber vor allem an den wenig verständlichen Formularen. Ob sonst alles gut läuft, hängt stark vom Sachbearbeiter ab. Meine erste Beraterin hat mir sehr geholfen. Die grüße ich heute noch, wenn ich sie im Supermarkt treffe. Ihre Nachfolgerin dagegen hat mir immer das Gefühl vermittelt, ein Bittsteller zu sein, dabei habe ich ja ein Recht auf Bafög.
Ich werde mit 670 Euro im Monat gefördert, das ist der Förderungshöchstsatz. Trotzdem habe ich die meiste Zeit nebenbei als studentische Hilfskraft gearbeitet, weil schon die Hälfte des Bafög für die Miete draufgegangen ist. Nur zurzeit konzentriere ich mich voll auf meine Diplomarbeit. Da greifen mir meine Großeltern schon mal finanziell unter die Arme.
Die Rückzahlung wird später schon eine harte Nuss, da muss ich sparen. Deshalb kann ich es mir auch nicht leisten, zwei oder drei Jahre "Generation Praktikum" zu machen. Mein Ziel ist es, in Biologie zu den besten 30 Prozent der Absolventen des Jahres zu gehören, dann wird mir ein Teil des Darlehens erlassen.
Peggy Büchse, 38 - "Die Chance zum Trainieren"

Peggy Büchse: Bafög bekam sie nur am Anfang des Studiums
Foto: Franz_Peter_Tschauner/ picture-alliance / dpaDie Langstreckenschwimmerin Peggy Büchse-Dietrich hat 1994 mit dem Studium in Rostock begonnen. Zuerst war sie in den Fächern Sport und Anglistik eingeschrieben, ab 1998 studierte sie Anglistik und Erziehungswissenschaften. 2003 beendete sie ihr Studium mit dem Magister-Abschluss.
Am Anfang ihres Studiums hat sie auch für kurze Zeit Bafög bekommen - was ihr nicht nur bei ihrem Studium, sondern auch bei ihrer Karriere als Schwimmerin half: "Andere konnten nebenbei arbeiten, ich bin trainieren gegangen." Als sie besser im Leistungssport wurde, konnte sie damit ihr eigenes Geld verdienen und war auf das Bafög nicht mehr angewiesen. Peggy Büchse-Dietrich arbeitet heute als Dozentin an der Universität Regensburg.