Akademikerabgabe Wer hat, dem wird genommen

Bildung für alle, und zwar umsonst? Wer studiert soll zahlen - aber nicht zwangsläufig
Foto: DDPSPIEGEL ONLINE: Herr Dohmen, überall in Deutschland verschwinden die Studiengebühren - und Sie fordern die Akademikersteuer. Warum?
Dieter Dohmen: Zunächst, ich fordere keine Akademikersteuer, sondern eine Abgabe, von der die Hochschulen etwas haben. Eine Steuer käme nur den öffentlichen Haushalten zugute. Unabhängig davon gilt: Wir brauchen das Geld. Die Studienanfängerzahlen steigen, und die Länder kürzen bei der Bildung. Wo sollen beispielsweise die 250 Millionen Euro herkommen, die NRW verliert, weil die Studiengebühren wegfallen?
SPIEGEL ONLINE: Und darum sollen Berufstätige stärker belastet werden?
Dohmen: Wir müssen die fertigen Akademiker an den Kosten des Studiums beteiligen. Das muss sich aber daran bemessen, welche Rendite sie von ihrem Studium haben: Wer gut verdient zahlt mehr als der, der wenig verdient. Und wer Kinder betreut oder Verwandte pflegt, zahlt nichts.
SPIEGEL ONLINE: Sollen die Akademiker denn lebenslang dafür blechen, dass sie mal studiert haben, wie das gerade in England im Gespräch ist?
Dohmen: Ein Leben lang muss gar nicht sein. Wir wollen eine Akademiker-Abgabe, die sieben Jahre läuft. Über eine Bank oder den Staat würde der Studienplatz vorfinanziert, also erhalten die Unis weiter eine Art Studiengebühr, die aber nicht der Student leistet. Für jeden Credit verpfändet der Student 0,02 Prozent seines künftigen Einkommens. Das ist gerecht, denn schließlich kostet ein Akademiker den Staat doppelt so viel wie jemand, der nach der Schule einen Beruf erlernt.
SPIEGEL ONLINE: Warum nur für sieben Jahre?
Dohmen: Die Akademiker-Abgabe sollte gedeckelt sein, auch weil sich die Bildungsphasen verändern: Mit 25 ist heute nicht mehr Schluss mit Lernen. Die Leute werden sukzessive mehr Leistungen in Anspruch nehmen. Die kann man dann wiederum später bezahlen.
SPIEGEL ONLINE: Wie teuer wird ein Studium für den Einzelnen?
Dohmen: Das hängt direkt vom Verdienst ab. Wer 2000 Euro im Monat verdient, zahlt 120 Euro monatlich. Wer 5000 Euro verdient, zahlt entsprechend 300 Euro, das summiert sich dann auf 10.000 beziehungsweise 25.000 Euro.
SPIEGEL ONLINE: Wie viel Geld braucht die Hochschulbildung bundesweit?
Dohmen: In den kommenden fünf Jahren müssen 450.000 zusätzliche Studienplätze entstehen. Der Wissenschaftsrat rechnet obendrein mit einer Milliarde Euro mehr zur Qualitätsverbesserung. Zusammen wäre das ein Finanzbedarf von 3,25 Milliarden Euro jährlich. Die Alternative ist keine: Sie hieße, Studienbewerber vor den Toren der Hochschule stehen zu lassen. Dann ist die Konsequenz gar keine Ausbildung oder die Abiturienten weichen aus auf den Ausbildungsmarkt und verdrängen Real- und Hauptschulabsolventen.
SPIEGEL ONLINE: Ingenieure mit hohen Gehältern werden Ihnen was husten, wenn sie den finanziell wenig ertragreichen Historikern das Studium finanzieren sollen
Dohmen: Es wäre typisch, wenn sich diejenigen, die am meisten von ihrer akademischen Ausbildung profitieren dagegen auflehnen, etwas zurückzugeben. Berufe sind nun einmal unterschiedlich rentabel und Gehälter haben nur bedingt mit Leistung zu tun - sie können unangemessen hoch oder unverschämt niedrig sein. Und Frauen verdienen oft deutlich weniger als Männer, wohl kaum weil sie generell weniger leisten. Wir brauchen aber auch Pflegeberufe und Sozialarbeiter. Außerdem kann ich nicht erkennen, dass jemand, der für die Kindererziehung aus dem Arbeitsmarkt fällt, unproduktiv wäre. Derjenige sorgt indirekt dafür, dass der Ingenieur später seine Rente bekommt.
SPIEGEL ONLINE: Maschinenbauer haben ein anstrengendes Studium; viele fallen durch. Wer es schafft, verdient dann ordentlich und wird dafür verstärkt zur Kasse gebeten?
Dohmen: Natürlich ist das Umverteilung. Aber was wäre die Alternative? Studiengebühren zahlt jeder und zwar unabhängig vom beruflichen Erfolg. Die nachträgliche Abgabe ist sozial am verträglichsten weil sie dafür vorsorgt, falls jemand trotz Studium nicht erfolgreich ist. Ein wenig Solidarität kann man da erwarten.
SPIEGEL ONLINE: In Deutschland trägt jetzt schon die Mittelschicht einen großen Teil der Abgabenlast. Das sind oft Akademiker. Die sollen jetzt noch eine Abgabe entrichten?
Dohmen: Akademiker kosten die öffentliche Hand im Schnitt 115.000 Euro. Wer mit einem Schulabschluss und Berufsausbildung aufhört, kostet 60.000 Euro. Eine Fünf-Prozent-Abgabe belastet den gut verdienenden Akademiker kaum - und sie ist zeitlich begrenzt.
SPIEGEL ONLINE: Wie stellt ihr Modell sicher, dass das Geld nicht in Land- und Bundesstraßen angelegt wird, sondern bei den Hochschulen ankommt?
Dohmen: Ein Vertrag zwischen Hochschule und etwa der Förderbank KfW sollte Folgendes regeln: Die Uni bekommt für einen Studenten einen bestimmten Betrag. Dafür verpfändet der Student einen kleinen Teil seines künftigen Einkommens. Wichtig ist, dass das Geld dorthin fließt, wo derjenige studiert hat.
SPIEGEL ONLINE: Warum?
Dohmen: Derzeit bilden die ostdeutschen Länder faktisch auch für Bayern und Baden-Württemberg aus. Die Ost-Länder tragen die Bildungskosten bis zum Studienende, während Bayern und Baden-Württemberg die Steuern kassieren, weil dort die Stellen sind. Die Abgabe muss zunächst die Kosten decken - aber sie könnte den Ländern auch Erträge bringen.
SPIEGEL ONLINE: Es wird Widerstand geben.
Dohmen: Da bin ich nicht sicher. Es träfe ja erst die, die ab heute oder morgen studieren und nicht die jetzige Mittelschicht. Heutige Studierende wissen nicht, wo sie später landen. Es ist nur richtig, dass Akademiker für Leistungen bezahlen, die sie in Anspruch genommen haben. Die Alternative ist, dass auch die mitbezahlen, die nie studiert haben, die insgesamt höhere Risiken im Leben haben und die häufiger arbeitslos sind.
SPIEGEL ONLINE: Warum fordern Sie die Abgabe jetzt?
Dohmen: Wir vom FiBS haben diese Art Abgabe bereits vor etlichen Jahren entwickelt. Aber jetzt steigen die Schwierigkeiten der öffentlichen Haushalte. Es stehen große Diskussionen zu Finanzierung von Hochschulbildung an, und der Bedarf wird weiter wachsen, es braucht mehr Bildungsleistungen. Einige Länder sagen, sie können es nicht mehr. Die Zeit ist jetzt günstig, denn der Druck wird sehr groß werden. Darauf zu setzen, dass mehr Geld nur vom Staat kommt, wäre blauäugig.
Das Interview führte Christoph Titz