Türkei Erst Professoren entlassen, dann Proteste niedergeschlagen

Härte gegen Demonstranten: In der Türkei sind ein Dutzend Menschen festgenommen worden, die gegen Massenentlassungen von Dozenten und Professoren protestiert hatten.
Ein Demonstrant an der Uni Ankara wird von Polizisten überwältigt.

Ein Demonstrant an der Uni Ankara wird von Polizisten überwältigt.

Foto: Umit Bektas/ REUTERS

Tränengas, Gummigeschosse, Festnahmen: An der Universität von Ankara haben Sicherheitskräfte am Freitag Proteste gegen die Entlassung Hunderter Dozenten und Professoren gewaltsam aufgelöst. Wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP berichtete, wurde ein Dutzend Demonstranten bei der Kundgebung in der türkischen Hauptstadt festgenommen. Behörden hatten die Demonstration zuvor verboten.

Nach dem Erlass eines neuen Notstandsdekrets am Dienstagabend hatten 330 Mitglieder des Hochschulrats YÖK ihre Kündigung erhalten. Unter ihnen ist auch der Verfassungsrechtler Ibrahim Kaboglu, der die umstrittene Verfassungsreform zur Einführung eines Präsidialsystems kritisiert hatte. Wegen des Ausnahmezustands in der Türkei kann Präsident Recep Tayyip Erdogan Notstandsdekrete erlassen.

Studenten und Hochschulangehörige legen an der Universität Ankara demonstrativ ihre Umhänge auf den Boden - als Zeichen des Protests.

Studenten und Hochschulangehörige legen an der Universität Ankara demonstrativ ihre Umhänge auf den Boden - als Zeichen des Protests.

Foto: UMIT BEKTAS/ REUTERS

Verschlüsselte Nachrichten reichen für Entlassung

Die Opposition kritisiert, dass viele der Dekrete nichts mit dem Ausnahmezustand zu tun haben, der wegen des gescheiterten Militärputschs vom 15. Juli verhängt wurde. Seitdem wurden per Dekret Zehntausende Staatsbedienstete entlassen, denen Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen werden. Der islamische Prediger wird für den Putschversuch verantwortlich gemacht. Im türkischen Bildungssystem sind dadurch zeitweise zahlreiche Lücken entstanden.

Viele der Betroffenen mussten gehen, weil sie die verschlüsselte Messenger-App ByLock auf ihren Telefonen hatten, über die angeblich Gülen-Anhänger kommunizierten. Laut türkischen Medienberichten waren unter den nun Entlassenen aber auch 115 Dozenten, die eine Petition für eine friedliche Beilegung des Konflikts mit der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unterzeichnet hatten.

Der YÖK-Vertreter Sener Aslan sagte dem türkischen Dienst der BBC, die Listen der entlassenen Dozenten seien von den Universitäten selbst zusammengestellt worden. Arslan sagte, die Entlassung selbst eines einzigen Akademikers sei zu viel. Auch die beiden Oppositionsparteien CHP und HDP kritisierten die Entlassungen. Insgesamt wurden mit dem Dekret am Dienstag weitere 4464 Staatsbedienstete entlassen.

him/AFP
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