Ausbildung von Religionslehrern Islamverbände beenden Zusammenarbeit mit einzigem Institut

Islamkunde-Schulbuch: Streit um einen Professor
Foto: APEin Verband, der für alle drei Millionen in Deutschland lebenden Muslime sprechen will, hat es nicht leicht. In vielen Punkten ist der Koordinationsrat der Muslime (KRM) zerstritten; es hatte Jahrzehnte gedauert, bis er überhaupt zustande kam. Doch in den letzten Tagen fiel es den Mitgliedern bemerkenswert leicht, eine einmütige Entscheidung zu fällen.
Der KRM ist der Spitzenverband der vier größten islamischen Organisationen in Deutschland und hat seinen Sitz im Beirat des Centrums für religiöse Studien gekündigt, einem Lehrstuhl für islamische Theologie an der Uni Münster. Dabei sollen an diesem Institut die ersten Lehrer für einen islamischen Religionsunterricht ausgebildet werden, der dem Schulunterricht der Kirchen entspricht - und den die Islamverbände seit Jahren fordern.
Der Grund für den Ausstieg aus dem Herzensprojekt heißt Muhammad Sven Kalisch, 42. Der Professor leitet das Institut, ein umstrittener Mann. Zwischen den Positionen des Münsteraner Wissenschaftlers und den Grundsätzen der islamischen Lehre bestehe eine "erhebliche Diskrepanz", erklärte der Dachverband vor wenigen Tagen abstrakt.
Schon früh war das Verhältnis frostig
Genau gesagt geht es um dies: Kalisch, ein schnurrbärtiger Konvertit, bezweifelt nichts Geringeres als die Existenz des Propheten Mohammed und den Koran als Wort Gottes. "Das ist, wie wenn man Jesus in Frage stellt", sagt Ali Kizilkaya, der Sprecher des islamischen Koordinationsrats. "Er zweifelt das an, woran fast alle Muslime glauben." Eine weitere Zusammenarbeit mit Kalisch sei daher nicht mehr möglich.
Eigentlich war sie von Anfang an schwer: Vor über einem Jahr wurde der KRM Mitglied des Beirats. "Wir wollten unseren guten Willen zeigen", so Kizilkaya, "ein Projekt begleiten, das dazu dient, eines Tages islamische Religionslehrer hervorzubringen." Doch nach kurzer Zeit hatten die islamischen Vereinsmänner ein unterkühltes Verhältnis zum Institutsleiter entwickelt. Kalisch habe schon damals "den einen oder anderen Propheten abgelehnt".
Islamwissenschaftler Kalisch selbst erklärte per Pressemitteilung, er bedauere die Entscheidung der muslimischen Verbände. Die Kritik der Verbände weist er jedoch zurück: "An einer Universität geht es weder um die Vermittlung von Glaubensinhalten noch darum, die Ansichten eines Professors als richtig zu erachten." Die Aufgabe einer Universität bestehe vielmehr in unabhängiger, ergebnisoffener Forschung.
Den KRM-Sprecher Ali Kizilkaya ärgert das: "Natürlich kann man an der Uni die Religion kritisieren, aber an einem Lehrstuhl, an dem man Religionslehrer ausbildet, ist das nicht angebracht", kontert er.
"Als Wissenschaftler muss man das sagen dürfen"
Die Berliner Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer verteidigt die Position von Kalisch, die weder exotisch noch isoliert sei. "Alle kritischen Islamwissenschaftler wissen, dass wir keine unzweifelhaft aus der vermuteten Lebenszeit Mohammeds stammenden Originalquellen haben", so die Professorin der FU Berlin am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur. Dass es keine klare positive Beweisführung für Mohammeds Existenz gebe, "muss man als Wissenschaftler sagen dürfen".
Krämer sagt aber auch: "Die Problematik liegt darin, dass er islamische Religionslehrer ausbildet, und hier wird es wirklich schwierig", weil der Centrums-Direktor dabei den Kern des Dogmas antaste. Als "elegantesten Ausweg" sieht Krämer es, Kalisch als Hochschullehrer in Münster zu behalten und eine andere Person mit der Ausbildung der Religionslehrer zu beauftragen.
Nach Auffassung von Ayyub Axel Köhler, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, bezweifelt Kalisch in einer "krassen Weise" grundsätzliche Lehren des Islam. "Wir sind für die Freiheit von Forschung und Lehre und wollen ihm nicht den Mund verbieten", betonte Köhler. "Aber wir können niemandem empfehlen, bei ihm zu studieren."
Minister plädiert für alternative Lehrgänge
Bei diesem Konflikt geht es um mehr als nur eine Personalie: Die islamischen Verbände fühlen sich von der Politik ungleich behandelt, schlechter als andere Glaubensgemeinschaften. "Muslime werden bei den Dingen, die Muslime betreffen, nicht mit einbezogen", so Kizilkaya. Und obwohl Religion keine Angelegenheit des Staates sei, sei das bei den Inhalten des islamischen Religionsunterrichts der Fall.
Im nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerium scheint man erkannt zu haben, dass es sich hier nicht nur um ein Zerwürfnis zwischen KRM und Kalisch handelt. "Wir wollen eine Islamlehrerausbildung, die von den Islamverbänden anerkannt wird", erklärte Minister Andreas Pinkwart (FDP) im Deutschlandfunk, "damit die so ausgebildeten Lehrer dann auch in den Schulen ihren Dienst verrichten können." Pinkwart springt den Verbänden bei, indem er für Alternativen zur Lehrerausbildung in Münster plädiert: "Wir müssen jetzt eben sehen, dass wir auch Alternativen prüfen."
Der Zusammenschluss der größten islamischen Organisationen hat sich viel vorgenommen: Der KRM will als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt werden. Sollte er diesen Status erlangen, kann er die Lehrer für den Unterricht an den öffentlichen Schulen mit auswählen. Das ist auch für die Münsteraner Studenten von hoher Bedeutung - denn die Absolventen des Centrums für religiöse Studien würden zu diesen Lehrern wohl kaum gehören.