Auschwitz-Vergleich an der Uni Greifswald Darf der das?
Ende September veröffentlichte Pressesprecher Edmund von Pechmann im "Journal", dem Magazin der Universität Greifswald, einen längeren Beitrag über das örtliche Studentenwerk. Über die inzwischen abgerissenen Wohnheime auf der "Fleischerwiese" hinter dem Greifswalder Bahnhof schrieb er: "Vorbei die Zeiten, da Männlein wie Weiblein in die auschwitzartige Duschbaracke über die Straße huschten und vom warmen Wasser nicht lassen konnten."
Nur Flapsigkeit, Stil- und Geschmacklosigkeit oder gar "skandalös und unerträglich", wie die PDS-Landtagsfraktion nach kurzer Inkubationszeit wetterte? Etwas salbungsvoll forderte der PDS-Abgeordnete Gerhard Bartels den Uni-Rektor auf, die "erforderlichen Konsequenzen" zu ziehen, um "weiteren Schaden von der Universität abzuwenden".
"Er muss Zügel angelegt bekommen"
Der Rektor reagierte prompt: "Ich bitte alle um Verzeihung, die dadurch verletzt wurden", erklärte Hans-Robert Metelmann. Er sei "maßlos erschüttert" und werde seinem Pressesprecher die Verantwortung für das Uni-Journal entziehen, ihn aber ansonsten im Amt lassen, so der Rektor nach einer Sondersitzung der Dekane: "Er muss Zügel angelegt bekommen."
Zu Hilfe eilte der zuständige Dienstherr: Es sei "ein Unding, dass irgendjemand an den Hochschulen unseres Landes etwas mit Auschwitz vergleicht", sagte Peter Kauffold (SPD), Bildungsminister in Mecklenburg-Vorpommern.
Eduard von Pechmann selbst wollte sich in einer ersten Stellungnahme nicht von der Formulierung distanzieren und bezeichnete sie als "banal". "Dass die PDS mich nicht liebt, weiß ich ja", begegnete er der Kritik durch die PDS, wie der "Nordkurier" berichtete. Den Artikel würde er auch ein zweites Mal so schreiben. Trotzig fügte Pechmann hinzu: "Vielleicht würde ich einen kleinen Scherz einfügen und Auschwitz mit zwei 's' schreiben."
Ein etwas eigenwilliger Pressesprecher
Der Greifswalder Pressesprecher ist eine schillernde Figur im ansonsten oft drögen Wissenschaftsbetrieb. Die meisten offiziellen Hochschulzeitungen sind mit ihren verschnarchten Forschungsberichten und Meldungen über emeritierte Professoren allenfalls gut für ein spontanes Gähnen. Pechmann dagegen schreibt erkennbar gern. Seine Texte und Pressemitteilungen sind vergleichsweise unterhaltsam, mitunter sperrig, fast immer aber originell.
"Das liest sich wie 'Simplicissimus', 'FAZ' und 'Titanic' zugleich", schwärmte schon vor Jahren die "Zeit"-Redakteurin Sabine Etzold in einem Pechmann-Portrait: "Mineraloge, Wessi mit Pommerschen Ahnen, den es nach Greifswald verschlagen hat und der hier am 'Journal' im Einmannbetrieb sein journalistisches Multitalent auslebt."
Intensiv widmete sich die "Zeit" der "von der Fangemeinde stets mit Spannung erwarteten letzten Seite des Journals: Pechmann pur mit einer absolut abgedrehten Mischung über das Campusleben, über Vorlesungsreihen oder über Elche und die Quotenregelung." Zum Beispiel mit dem hübschen Gedicht "Wartburg-Legende":
Der Luther warf - ganz ohne Zweifel -
das Tintenfass einst nach dem Teufel.
Doch fehlte ihm dann hinterher
zum Schreiben gar die Tinte sehr.
So schrieb seitdem der Luther
nur noch auf dem Computer.
Wer so schreibe, dem könne "kein Rektor und kein Kanzler an den Karren fahren, sollte er auch hinter manchem Satz Anflüge unbotmäßiger Ironie argwöhnen", orakelte die Journalistin. Ganz falsch - mit dem KZ-Vergleich hat der Pressesprecher mit Hang zu sinnigem Klamauk den Bogen nun offenbar überspannt.
Damals bei der "taz": Die "gaskammervolle" Disco
Hans-Robert Metelmann will oder kann Pechmann zwar nicht entlassen, aber die Möglichkeiten des Dienstrechts ausschöpfen. Allzu viel sprachliches Feingefühl offenbarte der Greifswalder Rektor allerdings selbst nicht. Nach einer Krisensitzung verkündete er markig: "Solche total abartigen Entgleisungen dürfen nicht mehr vorkommen."
Der kleine Greifswalder Tumult erinnert an eine Episode, die 1988 bei der links-alternativen "tageszeitung" für erbitterten Streit sorgte. Der freie "taz"-Autor Thomas Kapielski hatte vom Jubiläum einer Diskothek berichtet, sie sei bei seinem Eintritt schon "gaskammervoll" gewesen. Es folgte eine wochenlange Debatte über vermeintlich linksgerichteten Antisemitismus; der Kapielski-Kumpan Wiglaf Droste spottete über den "Tazionalsozialismus" und die "Endlösung der Dudenfrage". Erst nach Veröffentlichungsverbot und Redakteursentlassungen glätteten sich die Wogen allmählich.
Den Berliner Tabubrechern hat das "taz"-Beben nicht wirklich geschadet: Der Autor, Maler und Gelegenheitsmusiker Thomas Kapielski schreibt schrullige Bücher; an der Braunschweiger Kunsthochschule lehrt er mittlerweile "Wissen und gepflegtes Rumsitzen unter dem Vorwand einer Professur für Spiel, Bühne und Performance". Und "taz"-Libero Wiglaf Droste, heute noch Dauergast auf der "Wahrheit"-Seite, ist als satirischer Haudruff höchst erfolgreich.