Streit über Studienfinanzierung "Bafög ist eine Sozialleistung, kein Almosen"

Bafög-Antrag
Foto: Andrea Warnecke/ dpaIm Herbst 2019 soll das Bafög erhöht werden - dann steigt unter anderem die Wohnpauschale von heute 250 Euro auf 325 Euro. Das sei "ein guter Aufschlag", findet Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU). Außerdem sollen die Höchstförderung und die Elternfreibeträge steigen.
Im SPIEGEL-Interview sagte die CDU-Politikerin, Bafög solle es nur noch für diejenigen geben, die "wirklich Hilfe benötigen". Und auf Kritik, die geplante Erhöhung sei zu niedrig, sagte sie: "Man muss ja nicht in die teuersten Städte gehen", es gebe auch Hochschulen "in Gegenden, in denen Wohnen nicht so teuer ist".
Für Achim Meyer auf der Heyde vom Deutschen Studentenwerk gerät damit die Chancengleichheit bei der Berufswahl in Gefahr. Im Interview erklärt er, warum das sogar mit der Verfassung kollidieren könnte.

Achim Meyer auf der Heyde, Jahrgang 1952, ist Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW). Er hat Volkswirtschaft, Politische Wissenschaften und Psychologie in Bonn, Freiburg und Berlin studiert.
SPIEGEL ONLINE:
Herr Meyer auf der Heyde, hat Frau Karliczek Recht, wenn sie Bafög-Empfänger auf billigere Studienorte verweist?
Achim Meyer auf der Heyde:
Die Chancengerechtigkeit wäre damit nicht gewährleistet, zudem garantiert die Verfassung die Freiheit der Berufswahl. Und dazu gehört auch, dass ich mir aus den rund 18.000 Studiengängen in Deutschland denjenigen aussuchen kann, den ich studieren möchte. Die sind ja nicht alle gleich aufgebaut, sondern zum Teil hochgradig spezialisiert. Nehmen Sie zum Beispiel die Münchner Hochschulen: Dort gibt es etliche Studiengänge, die man nur dort belegen kann.
SPIEGEL ONLINE:
Die Ministerin sagt: Bafög kann bei knapp drei Millionen Studenten nicht in jedem Einzelfall ein Studium in teuren Städten wie München, Stuttgart oder Köln absichern.
Meyer auf der Heyde:
Bafög ist eine Sozialleistung, kein Almosen. Darauf hat man bei Erfüllung der Voraussetzungen einen gesetzlichen Anspruch. Und es soll, auch das steht im Gesetz, gewährleisten, dass ein Studium erst einmal grundsätzlich und überall möglich und finanzierbar ist. Das kann nicht einfach infrage gestellt werden und darf auch nicht vom Geldbeutel abhängen.
SPIEGEL ONLINE:
Wären höhere Wohnzuschläge für teure Studienorte eine Lösung?
Meyer auf der Heyde:
Ich halte das für schwierig, denn das könnte für Vermieter in den ohnehin schon teuren Städten ein Anreiz sein, ihre Mieten nochmal zu erhöhen. Sinnvoller wäre es, den Sockelbetrag von 325 Euro zu ergänzen: Wer mehr Miete zahlt, könnte dann bis zu einer Obergrenze noch einmal einen anteiligen Zuschuss bekommen. Und zusätzlich brauchen wir mindestens 25.000 neue und preiswerte Wohnheimplätze.
SPIEGEL ONLINE:
Sie betreiben mit den Studentenwerken solche Wohnheime - warum bauen Sie nicht einfach mehr Gebäude, wenn der Bedarf so groß ist?
Meyer auf der Heyde:
Weil wir dafür auch Mittel des Bundes brauchen. Wir sind dazu auch im Gespräch mit dem Innenministerium - aber die Gelder können erst nach der Grundgesetzänderung zur sozialen Wohnraumförderung fließen. Darauf warten wir händeringend.