Studienfinanzierung Bundesregierung schiebt Bafög-Erhöhung auf

Nicht einmal mehr jeder vierte Studierende bezieht Bafög - trotz steigender Lebenshaltungskosten. Dennoch hat die Bundesregierung die dringend empfohlene Erhöhung der Leistung verschoben.
Bafög-Antrag

Bafög-Antrag

Foto: Marcus Brandt/ picture alliance / dpa

Schlechte Nachrichten für Studenten und Schüler ohne dickes finanzielles Polster: Die Zahl der Bafög-Empfänger ist, trotz der Reform der Ausbildungsförderung im Jahr 2016, weiter gesunken. Die Zahlen stehen im neuen Bafög-Bericht der Bundesregierung, der am Mittwoch mit fast zweijähriger Verspätung im Kabinett verabschiedet wurde. Der Bericht enthält Daten für die Jahre 2012 bis 2016.

Dabei hat die Bundesregierung den Bericht gegenüber einem ersten Entwurf deutlich entschärft. Ursprünglich waren die Autoren zu dem Schluss gekommen, "dass eine Anhebung der Bedarfssätze und Freibeträge sowie der Höchstbeträge bei den Sozialpauschalen notwendig wird". In der am Mittwoch verabschiedeten Fassung heißt es nur noch, "dass eine mögliche Neufestlegung der Bedarfssätze und Freibeträge sowie der Höchstbeträge bei den Sozialpauschalen eine Aufgabe der künftigen Bundesregierung ist". Die politische Schlussfolgerung wurde durch eine unverbindliche Aufgabenbeschreibung ersetzt.

Und auch sonst ist von Elan wenig zu spüren: Eigentlich müsste die Regierung ihren Bafög-Bericht alle zwei Jahre vorlegen - so schreibt es § 35 des Bafög-Gesetzes vor. Doch nach der bisher letzten Ausgabe vom Januar 2014 war aus dem zuständigen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) nichts mehr gekommen: Wegen der Reform der Förderbedingungen im Jahr 2016 hatten sich die Berichterstatter eine Auszeit gegönnt. Möglicherweise hatten sie auch gehofft, den Bericht mit seinen schlechten Zahlen einer neuen Regierung überlassen zu können.

Alternativer Bericht benennt Mängel

Die zwischenzeitliche Bafög-Bilanz hatten im Februar 2017 deshalb andere übernommen. Weil die Bundesregierung nicht lieferte, hatte die Jugendorganisation des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) einen eigenen, alternativen Bafög-Bericht vorgelegt. Das Fazit: Die Bedarfssätze und Freibeträge seien zu niedrig, die Wohnkostenpauschale und Altersgrenzen realitätsfern.

So drastisch formuliert das der offizielle, jetzt vorgelegte Bericht zwar nicht - bestätigt aber im Wesentlichen die schon vom DGB beschriebenen Entwicklungen. Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Die Förderquote bei Studierenden ist weiter gesunken - von 28 Prozent im Jahr 2012 auf nur noch 22,1 Prozent im Jahr 2016. Damit erhielten im vergangenen Jahr rund 377.000 Studenten die staatliche Unterstützung.
  • Auch die Zahl der geförderten Schüler ist gesunken - zwischen 2012 und 2016 von rund 190.000 auf unter 150.000. Die Förderquote für Schüler ist dabei mittlerweile so niedrig, dass sie im Bericht gar nicht mehr ausgewiesen wird.
  • Erhöht hat sich jedoch der durchschnittliche Förderbetrag für Studierende: Lag der 2012 noch bei 448 Euro im Monat, ist er mittlerweile auf 464 Euro gestiegen. Der theoretisch mögliche Höchstsatz beträgt aktuell 735 Euro.
  • Insgesamt hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr 2,8 Milliarden Euro für Bafög-Zahlungen ausgegeben. Dem standen Rückzahlungen und Zinseinnahmen von 617 Millionen Euro gegenüber.

Die Daten des Berichts lassen keinen Zweifel daran, dass eine erneute Bafög-Erhöhung dringend notwendig ist. Genannt werden beispielsweise die erheblich gestiegenen Wohnkosten an manchen Hochschulstandorten. Dass die aktuellen Bafög-Sätze die gestiegenen Lebenshaltungskosten längst nicht mehr abbilden, hatte bereits eine Studie des Deutschen Studentenwerks (DSW) im Sommer gezeigt.

Die schlechten Zahlen beim Bafög erklärt der Bericht damit, dass bundesweit die Einkommen und die Erwerbstätigenquote gestiegen seien. Das habe "zwangsläufig zu geringeren Gefördertenzahlen" geführt. Ein weiterer Grund liege darin, dass die Bafög-Erhöhung ab Herbst 2016 "nur ansatzweise mess- und im Bericht dokumentierbar" sei.

Schöne Worte, unschöner Trend

In ihren Bemühungen, dennoch zu einer positiven Deutung der Daten zu kommen, schauen die Autoren trotzdem auf genau diese Erhöhung und auf das letzte Quartal 2016. Da sei es gelungen, dass "trotz der positiven gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Trend sinkender Gefördertenzahlen erheblich abgeschwächt wurde". Mit anderen Worten: Der Rückgang bleibt dennoch ein Rückgang, er hat sich nur etwas verlangsamt.

"Die letzte Bafög-Reform konnte die Talfahrt des Bafög nur abbremsen, aber nicht stoppen", sagt Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende, auf Anfrage des SPIEGEL. Sie fordert eine Erhöhung von Fördersätzen und Freibeträgen um mindestens 6,5 Prozent, außerdem eine höhere Wohnpauschale: "Das gehört in den 100 Tageplan der künftigen Bundesregierung." Außerdem müsse die starre Orientierung an der Regelstudienzeit überdacht werden. Auch beim DSW heißt es: "Der richtige und längst überfällige Schluss aus dem Bericht" sei es, die Förderung auszubauen, so Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde: "Das Bafög muss regelmäßig erhöht werden, und es muss modernisiert und entbürokratisiert werden." Der Handlungsdruck sei enorm.

Noch eine weitere Widersprüchlichkeit begleitet diesen Bafög-Bericht: Eigentlich sollte der "Beirat für Ausbildungsförderung" beim BMBF den Bericht mit einer Experteneinschätzung begleiten. Mitglieder des Beirats sind unter anderem Vertreter von Arbeitgebern und Gewerkschaften, der kommunalen Spitzenverbände und des Deutschen Studentenwerks. Doch nach Angaben von Mitgliedern hat sich das Gremium seit 2014 gar nicht mehr getroffen. Der kurzfristige Versuch, am vergangenen Freitag noch schnell eine Sitzung zum neuen Bafög-Bericht hinzubekommen, scheiterte - offiziell an Terminschwierigkeiten.

Ganz so wichtig scheint das Thema Bafög für die Regierung also doch nicht gewesen zu sein - trotz aller Beteuerungen.

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