Bafög "Reform light" statt großem Wurf
Diesmal hat sie den Segen des Kanzlers: "Mit dem ´Sparfög´ ist Schluss, das Bafög wird endlich wieder eine Ausbildungsförderung, auf die sich Studierende verlassen können", frohlockte Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, als die Bafög-Reform am Freitagvormittag den Bundestag passierte. Mit Ausnahme der FDP, die sich enthielt, stimmten alle Fraktionen zu; die Zustimmung des Bundesrats gilt daher als sicher. Damit stellen Bund und Länder ab April über eine Milliarde zusätzlich zur Verfügung. Die Bedarfssätze für Studenten werden spürbar angehoben: Der Höchstsatz liegt künftig bei 1140 statt 1030 Mark monatlich. Erhöht werden auch die Einkommensgrenzen für Eltern; dabei wird das Kindergeld nicht mehr angerechnet. Nach Bulmahns Angaben werden künftig 450.000 junge Menschen Bafög erhalten, also 80.000 mehr als bisher.
Das Durchschnitts-BaföG soll von derzeit 640 auf 750 Mark steigen. In Ost- und Westdeutschland gelten künftig gleiche Fördersätze. Verbesserungen bringt die Reform auch für Absolventen und Auslandsstudenten: Wer zum Studium in ein anderes EU-Land wechselt, kann künftig ab dem dritten Semester bis zum Examen Bafög bekommen. Und bei der Darlehens-Rückzahlung wird die Schuldenlast auf maximal 20.000 Mark "gedeckelt". Bisher mussten viele Hochschulabsolventen gigantische Schuldenberge von über 30.000 Mark abstottern - keine schönen Aussichten beim Start ins Berufsleben.
"Auch Kinder, die keine goldene Kreditkarte mit in die Wiege gelegt bekommen haben, werden künftig wieder studieren können, ohne dass ihre Eltern jeden Pfennig zweimal umdrehen müssen", betont Edelgard Bulmahn. Für die Ministerin sind die Bafög-Verbesserungen ein "Sprung nach vorn". Eine Reform, die diesen Namen wirklich verdient, bedeuten sie indes kaum. Denn ursprünglich wollten die SPD-Bildungspolitiker einen echten Durchbruch schaffen.
Die Grundidee: Der Staat sollte jedem Studenten direkt 400 Mark monatlich überweisen und dafür den Eltern Kindergeld und Steuerfreibeträge streichen. Damit wollte Bulmahn verhindern, dass erwachsene Studenten bei ihren Eltern um den Unterhalt betteln oder sie gar verklagen müssen. Doch vor einem Jahr beerdigte Gerhard Schröder das von allen Experten hochgelobte "Bafög für alle"-Konzept mit einem harschen Machtwort. Seine verwegene Begründung: Viele Familien hätten das Geld fest für die Abzahlung von Häusern oder Wohnung eingeplant.
Für Häuslebauer ist das Kindergeld nun gerade nicht gedacht. Auf den Salto rückwärts reagierten das Deutsche Studentenwerk, Hochschulrektoren und Studentenvertreter entsetzt. Die abgekanzelte Ministerin Bulmahn allerdings zog sich trotz der schallenden Ohrfeige nicht in den Schmollwinkel zurück, sondern zimmerte in den letzten Monaten ein neues Konzept und trotzte dem Finanzminister dafür immerhin eine Milliarde Mark ab.
Damit gelang ihr zumindest ein "Reförmchen", nachdem CDU und FDP die Ausbildungsförderung zuvor gründlich skelettiert hatten. Wann immer unter Kohl "gebafögt" wurde, wurde auch geflickschustert, verschlimmbessert und das kümmerliche Ergebnis wacker schöngeredet. Kleine Reparatur-Novellen bescherten Studenten allenfalls eine oder zwei Pizzen mehr im Monat. "Barkeeping statt Bafög" war die Folge: Zwei Drittel aller Studenten müssen sich mit zeitraubenden Jobs über Wasser halten; nur noch etwa jeder siebte erhält Bafög. Hinzu kommt die soziale Schieflage - ganz anders als Sprösslinge aus Beamten- oder Unternehmerfamilien wagen immer weniger Arbeiterkinder den Sprung an die Hochschule.
Ob die jetzt beschlossenen Verbesserungen ausreichen, um diesen Trend umzukehren, muss sich erst noch zeigen. Die Hochschulrektorenkonferenz ist skeptisch: "In den letzten 20 Jahren wurde das Bafög komplett an die Wand gefahren", meint HRK-Präsident Klaus Landfried, "wer eine Unterstützung bekommt, kann vom Bafög meist nicht leben." Zudem sei ein Antrag "auch auf bescheidene Beihilfe mit einem Bürokratieaufwand verbunden, der seinesgleichen sucht".
Unterdessen begrüßte das Deutsche Studentenwerk die Bafög-Novelle als "Beitrag zur Entlastung von Familien mit Kindern". Notwendig sei jetzt noch die im Wahlkampf von SPD und Grünen versprochene Garantie eines gebührenfreien Studiums. "Was der Staat auf der einen Seite den Familien durch mehr Kindergeld und Bafög zukommen lässt, darf nicht gleichzeitig wieder durch Studiengebühren abkassiert werden", mahnte Studentenwerks-Präsident Hans-Dieter Rinkens. Derzeit plant die Koalition zwar ein bundesweites Gebührenverbot. Aber ob sie es gegen den Willen einzelner Länder durchsetzen kann, scheint mehr als fraglich.