Bayerische Unibibliothek 80 Tonnen historische Bücher im Altpapier

Die Bibliothek der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt soll über 100.000 Bücher in Container gekippt haben, darunter historisch wertvolle Schriften der Kapuziner. Kritiker sprechen von einer "Vernichtung von Kulturgut".

Eichstätt - Eine Voruntersuchung des Universitätskanzlers ergab, dass die Bibliothek der Katholischen Uni zwischen Juni 2005 und Oktober 2006 insgesamt 80 Tonnen Bücher in 17 Containern entsorgte. Nach Auskunft des bayerischen Kapuziner-Provinzialats sollen davon mehr als zwei Drittel aus früheren Kapuziner-Beständen stammen.

Die Kapuziner sind Bettelmönche, im 16. Jahrhundert hervorgegangen aus dem Franziskanerorden. Sie hatten der Bibliothek 1999 über 350.000 Bücher überlassen - rund ein Zehntel davon Bände, die vor der Säkularisation erschienen waren und dem Freistaat Bayern gehörten.

Ob die Bibliothek zu sorglos gehandelt hat, ist noch umstritten. Es gebe "gewisse Anhaltspunkte, dass Bücher weggeworfen wurden, die hätten aufbewahrt werden müssen", sagt Konrad Regler vom Vorstand der Eichstätter Universitätsstiftung. In den letzten Wochen häuften sich die Vorwürfe gegen die Bibliotheksleitung. Laut Klaus Graf, Geschäftsführer des Aachener Hochschularchivs, sind auch "unersetzliche Einzelstücke" aus dem Bestand der Eichstätter Bibliothek in "großem Maße" in deutschen Antiquariaten aufgetaucht. Dies sei "Vernichtung von Kulturgut".

Der Stiftungsvorstand zog jetzt die Konsequenz: Der verantwortlichen Bibliotheksdirektorin Angelika Reich wurde die weitere Aufarbeitung der Kapuziner-Bestände untersagt. Der Kanzler der Katholischen Universität sah lange Zeit keinen Handlungsbedarf. Es handle sich bei diesen Büchern um Doubletten, die nach sorgfältiger Prüfung abgegeben worden seien: ein "ganz normaler Vorgang". Erst als der Zeitung "Donaukurier" fünf historisch wertvolle Bände zugespielt wurden, die in einem Altpapiercontainer gelandet sein sollten, ging Kanzler von der Heydte den Vorwürfen nach.

Das vorläufige Ergebnis: Es bestehe der Verdacht, dass Reich nicht mit der nötigen bibliothekarischen Sorgfalt vorgegangen sei. Sie darf sich zu den Vorwürfen nicht mehr äußern; die Uni-Leitung will zunächst weitere Untersuchungen anstellen. Der frühere Bibliotheksdirektor Hermann Holzbauer, zeigte sich erschüttert über das Vorgehen seiner Nachfolgerin: "Nach meiner Kenntnis ist so was in Bibliothekskreisen noch nie vorgekommen."

Josef Mittermaier, Provinzial der bayerischen Kapuziner, betonte dagegen in einem internen Rundschreiben, dass das Vorgehen der Bibliotheksleitung "von unserer Seite mitgetragen" wurde. Die Äußerung Holzbauers, dass es sich bei den vernichteten Büchern großteils um völlig unbeschädigte Werke des 17. und 18. Jahrhunderts handelte, sei "rational nicht nachvollziehbar". Diese Einschätzung sei wohl im "Tumult der schon länger andauernden Privatfehde" Holzbauers mit Reich erfolgt.

Der Uni-Kanzler will das Verhalten der Bibliotheksleitung nun von einem externen bibliothekarischen Gutachter überprüfen zu lassen. Dienstrechtliche Schritte gegen die Bibliothekschefin seien nicht auszuschließen.

jol/röh/dpa

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