Big Brother im Hörsaal Professor überwachte Klausur mit Kamera

Kameraeinsatz in Rostock (Symbolbild): Professor is watching you
Foto: Peer Grimm/ picture-alliance/ dpaAm Montagmorgen hatte Kurt Frischmuth, 56, Professor für Mathematik an der Universität Rostock, schon die erste Scherz-Mail in seinem Postfach: Mit "Betreff: Videobotschaft" schrieb ihm ein Bekannter aus dem Dekanat der benachbarten Hochschule in Halle. Auch andere Kollegen wollten wissen, warum er um Himmels willen die Klausur seiner Studenten gefilmt habe, sagt Frischmuth.
Um bei den 118 Studenten im Audimax Prüfungsbetrug zu verhindern, hatte Frischmuth bei der Grundkursklausur "Mathematik I" am 1. Februar zwei im Saal installierte Videokameras eingeschaltet und die Kamerabilder auf die Leinwand vor den Studenten projizierte.
"Das war ein Fehler", sagte Frischmuth am Montag, nachdem am Wochenende die "Schweriner Volkszeitung" über die überwachte Klausur berichtet hatte. Frischmuth sagt, er arbeite seit 28 Jahren an der Uni Rostock, seit 20 Jahren sei er für die Grundkursklausur "Mathematik I" im Studiengang Wirtschaftswissenschaften zuständig - und die Kamera habe er schon öfter eingesetzt, beschwert hat sich bisher nie jemand.
Störende Piep-Geräusche der Kamera
Nach der Klausur habe eine Studentin an das Studienbüro der Universität geschrieben und nicht etwa die Überwachung bemängelt, sondern störende Piep-Geräusche durch die Kamerabewegung während der Prüfung. Dadurch habe sie sich nur schlecht konzentrieren können, sagte Frischmuth.
Neben der Überwachungstechnik setzte Frischmuth auf vier verschiedene Aufgaben-Gruppen, um Mogeleien und Abschreiben zu verhindern. Persönlichen Aufzeichnungen oder Computer zum Rechnen waren ohnehin erlaubt. "Wir sind während der Prüfung für Verständnisfragen zuständig und achten darauf, dass zwischen den Studenten nicht kommuniziert wird", sagt Frischmuth.
Der Professor erklärt den Kameraeinsatz auch mit den baulichen Eigenheiten des Vorlesungssaals. "Das Audimax ist relativ hoch, da war es praktisch, die Reihen mit der Saalkamera zu überwachen", sagt Frischmuth. Laptopkabel hätten im Weg gelegen, das habe einen Kontrollgang durch den Saal zusätzlich erschwert. Und im Sitzen per Leinwand zu kontrollieren sei außerdem bequemer.
"Eindeutiger Fall von Missbrauch"
Weil er und seine zwei Mitarbeiter hinter den letzten Bankreihen der Studenten saßen, konnten sie den Studenten dank der Kameras "wie in einem großen Spiegel" beim Schreiben zusehen, sagt Frischmuth - und die Studenten sich auch. Zum Zeitpunkt der Prüfung habe er nicht gewusst, dass es zum Einsatz der Kameras Bestimmungen an der Uni gibt.
Die Universität Rostock sieht in der mit Kameras überwachten Klausur einen "eindeutigen Fall von Missbrauch", sagt Uni-Sprecher Ulrich Vetter. Zwar liege es im Ermessen des Dozenten, wie er seine Studenten beaufsichtigt, aber "die Überwachung mittels Videotechnik ist an der Universität Rostock grundsätzlich verboten". Das werde in Kürze auch in der allgemeinen Prüfungsordnungen vermerkt. Derzeit gebe es an der Universität acht Kameras in vier Hörsälen, die "zur Verbesserung der Lehre installiert wurden, allerdings keine Aufzeichnung des Videomaterials gestatten", so Vetter.
Frischmuth ist nun um Schadensbegrenzung bemüht: Es sei nichts aufgezeichnet worden oder ins Internet gestellt. Der Rostocker-Prüfungsausschuss hat inzwischen einen zusätzlichen Nachholtermin für die Mathe-Klausur festgelegt. Von der Videotechnik will Frischmuth künftig die Finger lassen und lieber selbst durch die Reihen gehen: "Ich werde zukünftig wohl mehr laufen, aber das kann ja nicht schaden."