Bildungssparen in Sachsen "Rößler ist weg"

Sachsens Studenten sind ihren Lieblingsfeind los: Wissenschaftsminister Matthias Rößler (CDU) muss einem SPD-Nachfolger weichen. Doch sein umstrittenes Hochschul-Sparpaket bleibt. Das trübt die Sektlaune von Studentenvertretern gewaltig. Sie wollen ihrem Ärger nun in Karlsruhe Luft machen.
Von Carsten Heckmann

In Dresden erfuhren gerade die Fraktionen von CDU und SPD die Details des Koalitionsvertrags, da brandete bei der Vollversammlung auf dem Leipziger Uni-Campus Jubel auf. Um seine Kommilitonen zum Jauchzen zu bringen, musste Studentensprecher Henning Schulze nur drei Worte sagen: "Rößler ist weg."

Was Anfang der Woche nur als Gerücht durch die Hörsäle geisterte, ist inzwischen von Sachsens künftiger Regierungskoalition aus CDU und SPD bestätigt: In der kommenden sächsischen Landesregierung wird der Wissenschaftsminister nicht mehr Matthias Rößler heißen. Sein Ressort geht, genauso wie das Wirtschaftsministerium, an den kleinen Koalitionspartner SPD. Damit sind Sachsens Studenten ihren Lieblingsfeind der vergangenen fünf Jahre los. Studenten-Lobbyist Schulze etwa nannte Rößler einen "ignoranten Kleingeist", mit ihm habe man nicht kommunizieren können.

Kürzungspläne bleiben bestehen

Das Vermächtnis des bei Studentenvertreter ungeliebten Ministers bleibt aber bestehen: die sächsische Hochschulvereinbarung, die 2003 nach jahrelangen Verhandlungen zwischen Landesregierung und Hochschulen zustande gekommen war. Kernpunkt des Paktes: Die Stellen an den sächsischen Hochschulen sollen bis 2008 um 715 auf 9044 reduziert werden. Bis 2010 sollen weitere 300 Stellen gestrichen werden. Dafür erhalten die Hochschulen das Versprechen, dass keine weiteren Stellen wegfallen und sie mit den 2002 zugesagten Geldsummen bis 2010 planen können. Studentenvertreter nennen die Vereinbarung wahlweise "Konsenskröte" oder "Diktat".

"Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung der sächsischen Hochschullandschaft ist die sächsische Hochschulvereinbarung", heißt es auch im neuen Koalitionsvertrag, der am Wochenende von Sonderparteitagen abgesegnet werden soll. "Es ist auch gut so, dass man sich an Absprachen hält", erklärte Georg Unland, Rektor der TU Freiberg und Vorsitzender der Landeshochschulkonferenz. "Der Koalitionsvertrag enthält grundsätzlich keine Überraschungen. Wir können damit leben."

Bei den Studenten trübte besagter Vertragssatz die anfängliche Sektlaune schnell wieder ein. "Das ist der größte Knackpunkt in den Koalitionsvereinbarungen", sagte Anne Dölemeyer. Sie engagiert sich mit 80 weiteren Studierenden und Doktoranden in der "Gruppe der 50" (G50). Diese Initiative stellte im Vorfeld der sächsischen Landtagswahl ein eigenes hochschulpolitisches Programm auf und brachte mehrere Forderungen im Programmkatalog der SPD unter.

Mehr Geld, und zwar sofort

"Hinter diesem Programm bleibt das Koalitionspapier weit zurück", sagt G50-Sprecherin Dölemeyer. "Dennoch war unsere Lobbyarbeit überraschend erfolgreich." So wolle die neue Regierung das Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen stärken, den Frauenanteil ausbauen und Ausländer besser betreuen. Und auch eine weitere Forderung der G50 sei erfüllt worden: Mehr Geld, und zwar sofort.

Neun Millionen Euro zusätzlich sollen die Hochschulen im Jahr 2005 bekommen, zwölf Millionen zusätzlich pro Jahr ab 2006. Das Geld wird laut Koalitionsvertrag den Bibliotheken, den studentischen Hilfskräften, den Studentenwerken und der Graduiertenförderung zugute kommen. "Das reicht natürlich nicht aus, aber es ist ein Anfang", sagte Anne Dölemeyer.

Sorgen machen ihr aber zwei Punkte, die gar nicht im Koalitionsvertrag auftauchen: die Mitspracherechte von Studenten in der Hochschule und mögliche Studiengebühren auf Landesebene. Auf der Vollversammlung der Leipziger Hochschulen sprachen sich die Teilnehmer für eine Resolution mit dem Titel "Nein zu Studiengebühren - ja zur verfassten Studierendenschaft" aus. Ein bundesweites Bündnis will über diese Resolution an möglichst vielen deutschen Unis abstimmen lassen, eine Internetseite zur dazugehörigen Kampagne "Kein Spiel mit Bildung" ist seit kurzem online.

In Bussen zum Verfassungsgericht

Für ein Nein zu Studiengebühren - zusammen mit der verfassten Studierendenschaft ein Forderungs-Klassiker von Studentenvertretern - wollen die Leipziger Studenten in der kommenden Woche in Karlsruhe trommeln. Dort befasst sich das Bundesverfassungsgericht mit dem vom Bund beschlossenen generellen Verbot von Gebühren für das Erststudium. Sachsen gehört zu jenen CDU-regierten Bundesländern, die gegen das Verbot geklagt haben.

Sachsens SPD hat sich gegen Studiengebühren ausgesprochen. Wie die neue Landesregierung sich nun in dieser Hinsicht verhält, bleibt vorerst unklar. Viel könnte vom künftigen Wissenschaftsminister abhängen. Laut Medienberichten hat die SPD für den Posten den ehemaligen Partei- und Fraktionschef Karl-Heinz Kunckel ins Spiel gebracht, der nach der SPD-Niederlage 1999 als Partei- und Fraktionschef zurückgetreten war. Nicht gerade der personifizierte Aufbruch, raunt man sich auf dem Leipziger Campus zu.

Neue Lehrer kriegt das Land

SPD-Fraktionschef und Verhandlungsführer Thomas Jurk gab denn auch unumwunden zu, dass er lieber das Kultusministerium an Land gezogen hätte.

An den Schulen, für die das Kultusministerium zuständig ist, bewegt sich auch deutlich mehr als an den Hochschulen. So wird das letzte Kindergartenjahr in Sachsen künftig ein Schulvorbereitungsjahr sein. In den Grundschulen werden in den nächsten fünf Jahren 800 Lehrer neu eingestellt. Schüler können künftig leichter von Mittelschulen zu Gymnasien wechseln.

Für Ganztagsschulen wollen die Koalitionäre nächstes Jahr 15 Millionen, 2006 dann 30 Millionen Euro ausgeben. Die kostspieligen Vereinbarungen will die neue Regierung durch eine Neuverschuldung von 350 Millionen Euro im nächsten und 250 Millionen im übernächsten Jahr finanzieren. Weniger als 2004, frohlockt die CDU - geflissentlich verschweigend, dass die Kreditaufnahme in den nächsten beiden Jahren eigentlich um insgesamt 300 Millionen geringer ausfallen sollte.

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