Bildungsstreik in Chile Wasserwerfer gegen die tanzende Jugend
Erst endeten die Gespräche mit der Regierung ergebnislos, dann protestierten chilenische Studenten und Schüler wieder für bessere Bildung. Nach Ausschreitungen gab es 130 Festnahmen, 30 Verletzte - und kein Ende in Sicht. Die Demonstranten wollen nicht aufgeben, die Polizei antwortet mit Härte.
"Das war ein Krieg", sagte ein Augenzeuge einer örtlichen Zeitung am Donnerstag. Dabei kämpften hier nicht Soldaten gegen Soldaten, sondern Studenten und Schüler gegen die Polizei. Sie seien doch nur gekommen, um ihre Grundrechte wahrzunehmen, sagte ein Student der chilenischen Zeitung "The Santiago Times". "Und uns traf die volle Härte staatlicher Unterdrückung: berittene Polizei und Motorräder, Wasserwerfer und Tränengas."
Am Donnerstag hatten sich Schüler und Studenten auf der Plaza Italia in der Hauptstadt Santiago versammelt. Die Anführerin Camila Vallejo hielt ein Schild in der Hand, "United and Stronger" stand darauf. Viele Demonstranten tanzten, aber es stürmten auch wieder Vermummte los, warfen Steine und zündeten Barrikaden an - und die Wasserwerfer machten keinen Unterschied zwischen friedlichen Protestlern und Randalierern.
Heftig bleibt die Bilanz des Demo-Tages: Mindestens 132 Demonstranten festgenommen, teilte die örtliche Verwaltung mit. Darunter mindestens sechs Journalisten. 25 Beamte und 5 Zivilisten wurden verletzt.
Gespräche scheitern immer wieder
Schon seit über fünf Monaten protestieren Schüler und Studenten in Chile für ein gerechteres und besseres Bildungssystem, sie besetzten Schulen und Hochschulen, gingen in den Hungerstreik, protestierten auf der Straße. Denn selbst staatliche Hochschulen verlangen oft Tausende Euro Gebühren im Jahr, die sich viele Familien kaum leisten können. Noch teurer ist eine Ausbildung an einer privaten Hochschule, deren Zahl in den vergangenen Jahrzehnten rasant gewachsen ist.
Während der Proteste kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Anfang September trafen sich dann Schüler, Studenten und Politiker erstmals zu Gesprächen. Allerdings brachen die jungen Leute sie schon nach kurzer Zeit wieder ab. Die Angebote der Regierung reichten ihnen nicht aus.
Später setzten sie sich erneut zusammen, doch am Mittwoch beendeten Schüler und Studenten wieder die Gespräche. Ein paar Stunden später trafen sie sich zu neuen Protesten auf den Straßen in der Hauptstadt sowie in Valparaíso, Concepción und Valdivia.
Wie die Regierung die Proteste kriminalisiert
Grundsätzlich sei die Regierung bereit, den meisten armen Studenten zu helfen, sagte Bildungsminister Felipe Bulnes der "The Santiago Times". "Die Studenten bestehen aber auf 100 Prozent freie Bildung für diejenigen, die die traditionellen staatlichen Universitäten besuchen. Aber wir denken, es ist keine gute Politik, den Reichen kostenlosen Zugang zur Bildung zu gewähren."
Alles Taktik, sagt der Studentenführer der katholischen Universtität, Giorgio Jackson dazu: "Jetzt versucht die Regierung, den Anschein zu erwecken, dass wir alles oder nichts wollen", sagte er. Dabei würden sie einen Kompromiss anstreben. "Ich bin sehr frustriert."
Der Streit dürfte sich weiter zuspitzen, beide Seiten stehen sich kompromisslos gegenüber. Während die Studentenführerin Camila Vallejo für den 19. Oktober zu neuen Demonstrationen aufrief, setzt die Regierung inzwischen darauf, die Besetzungen von Schulen und Hochschulen zu kriminalisieren: Sie sollen mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden. "Wir sind sicher, dass wir damit eine große Mehrheit der Chilenen hinter uns haben", sagte der Innenminister Rodrigo Hinzpeter.
Dabei haben Umfragen ergeben, dass 89 Prozent der Chilenen die Studentenproteste unterstützen. Die Umfragewerte des konservativen Staatschefs Sebastián Piñera fielen seit Beginn der Proteste auf 26 Prozent.
fln/AP/dapd/dpa