Bizarre Kleiderordnung Wie die Uni Greifswald Neonazis loswerden will

Wie geht man mit Rechtsextremen an der Uni um? Die Universität Greifswald versucht es mit einer Kleiderordnung: Jacken und Shirts der bei Neonazis beliebten Marke Thor Steinar sind auf dem Campus fortan unerwünscht. Hintergrund der wirren Maßnahme ist ein Streit um einen rechten Professor.
Thor Steinar "unerwünscht": Beliebt bei Rechten und deshalb verboten an der Uni?

Thor Steinar "unerwünscht": Beliebt bei Rechten und deshalb verboten an der Uni?

Foto: Patrick Pleul/ dpa

Sollte eine Uni vorschreiben, welche Kleidung Studenten und Mitarbeiter zu tragen haben und welche nicht? Die Antwort lautet sicher nein. Trotzdem sah sich die Universität Greifswald offenbar genötigt, bei einer besonderen Kleidungsmarke eine Ausnahme zu machen. "Die Modemarke Thor Steinar ist bei Rechtsextremen beliebt und darum an der Universität Greifswald unerwünscht", sagte ihr Pressesprecher Jan Messerschmidt SPIEGEL ONLINE am Freitag.

Was ist da los in Greifswald? Marschieren etwa freie Kameradschaften über den Campus? Prangt auf jeder zweiten Jacke ein unappetitliches Logo der Marke Thor Steinar oder anderer bei Neonazis beliebter Ausstatter? Kurz: Hat die Uni Greifswald ein sichtbares Extremismusproblem von rechts?

Nein, nichts dergleichen, sagt Pressesprecher Messerschmidt. Die Uni sei weltoffen, demokratisch und pluralistisch. Trotzdem habe das Rektorat die Hausordnung in einem Punkt verschärft. Paragraf 5, Absatz 4 betont seit Anfang September, was die Uni auf keinen Fall dulden will: "Kennzeichen mit verfassungswidrigen, rassistischen, fremdenfeindlichen, gewaltverherrlichenden oder anderen menschenverachtenden Inhalten".

"Ein öffentliches Signal"

Dass es in Greifswald viele Studenten gebe, die Thor Steinar tragen, konnte der Sprecher bislang nicht feststellen: "Persönlich kann ich nicht sagen, dass ich hier jemanden mit Thor-Steinar-Kleidung gesehen hätte." Warum also das Ganze?

Der Zusammenhang, sagt Messerschmidt, sei ein ganz anderer und habe mit einem umstrittenen Professor zu tun. In einer aufgeheizten Debatte im Frühsommer geriet ein Professor für Arbeitsrecht der Universität in den Ruf, sich öffentlich rechtsextrem zu äußern. Mit der neuen Hausordnung wolle man deshalb "ein öffentliches Signal setzen, dass die Universität Greifswald Rechtsextremismus ablehnt".

Der streitbare Professor ist der Jurist Ralph Weber. 2009 wechselte er von der Uni Rostock nach Greifswald. Die Debatte um ihn begann im Frühsommer mit einem Vortrag Webers vor der Greifswalder Studentenverbindung Verein Deutscher Studenten. Weber stellte die Frage, ob die CDU konservativ genug sei und ob es "eine neue Rechtspartei" brauche.

Die "Ostsee-Zeitung" berichtete daraufhin, CDU-Mitglied Weber plane, eine neue rechte Partei zu gründen. Weber habe sich zu dem Zweck mit den Spitzen von NPD und DVU, Udo Voigt und Matthias Faust, getroffen. Weber rechtfertigte das Treffen mit den Größen des deutschen Rechtsextremismus damit, es mache für ihn "keinen Unterschied, ob ich mit Frau Merkel rede oder mit Herrn Voigt". Im gleichen Text zitiert das Blatt ein Bekenntnis des Rechtsprofessors Weber zur Modemarke Thor Steinar, von der er auch ein Poster im Büro hängen habe, wie Reporter der "Ostsee-Zeitung" berichteten.

Meinungsfreiheit ja, Ankleidefreiheit nein?

Im Umfeld der Landratswahlen in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2008 hatte Weber kritisiert, dass zwei NPD-Kandidaten von der Wahl ausgeschlossen worden waren. Seinen Beschwerdebrief, aus dem SPIEGEL ONLINE damals zitierte, schrieb er auf dem Briefpapier der Uni Rostock.

Für Hochschulen ist der Umgang mit Extremisten in ihren Reihen stets ein schwieriges Thema. In Mainz etwa gelang es der Gutenberg-Universität erst nach einem langwierigen Verfahren im Januar 2009, den NPD-Kader Mario Matthes zu exmatrikulieren, nachdem er "den universitären Frieden nachhaltig gestört" hatte. Er hatte eine Veranstaltung gestürmt und bei anderer Gelegenheit einen Kommilitonen auf dem Campus krankenhausreif geschlagen.

Zur Frage, ob die Uni Greifswald gegenüber dem Arbeitsrechtler Weber Konsequenzen erwägt, dürfe er sich nicht äußern, sagte Uni-Sprecher Messerschmidt. An der Universität gelte die Freiheit der Professoren viel und sei obendrein noch durch die Meinungsfreiheit geschützt. "Damit muss das Rektorat leben", so Messerschmidt.

Politische Aufgeregtheit zwischen rechts und links kennt die Uni Greifswald gut. Im vergangenen Jahr stritt die Öffentlichkeit an der Ostsee lange über den Namenspatron der Universität, den deutschnationalen Dichter Ernst Moritz Arndt, der in seinem Werk antisemitische und ausländerfeindliche Töne anschlug. Eine Studenteninitiative wollte per Urabstimmung eine Namensänderung der Universität erreichen, scheiterte aber am Votum der Studenten.

Rektor Rainer Westermann, der nun die Ergänzung der Hausordnung um einen Extremismus-Absatz veranlasste, wollte sich dazu gegenüber SPIEGEL ONLINE am Freitag nicht äußern. Der Pressesprecher verwies auf die Pressemitteilung des Rektors aus dem Juli, also zu der Zeit, als der Verdacht keimte, Weber vertrete rechtsextreme Ansichten. Tenor des Rektoren-Statements damals: Alle Mitglieder der Uni haben die Aufgabe, eine Herabwürdigung der Universität durch "nicht tolerierbare oder missverständliche Äußerungen oder Aktivitäten zu verhindern". Das Rektorat lasse Berichte über "rechtsradikale Äußerungen eines Mitglieds der Universität" prüfen.

Was die Uni machen will, wenn nach dem Semesterstart Studenten oder Mitarbeiter mit Thor-Steinar-Klamotten in Seminaren auftauchen, darüber sei noch nicht entschieden, heißt es in der Pressestelle.

Professor Ralph Weber, auf den es die Uni mit ihrer Thor-Steinar-Ächtung wohl in erster Linie abgesehen hat, war am Freitag für SPIEGEL ONLINE nicht zu sprechen. Auch schriftlich gestellte Fragen beantwortete er nicht.

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