Fotostrecke

Studienabbrecher in der Politik: "Es ist schon ein Makel"

Foto: spdfraktion.de

Politiker ohne Studienabschluss Ähm, ja, wir haben abgebrochen

Ein Studienabbruch macht sich nicht unbedingt gut im Lebenslauf, finden zahlreiche Bundestagsabgeordnete. Deswegen umschreiben sie ihn lieber. In der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" geben einige jetzt zerknirscht zu: Ja, dieser Makel gehört zu mir.

Der eine verweigert die Aussage, der andere lässt hartnäckig seinen Eintrag bei Wikipedia säubern, der Dritte gesteht zerknirscht: Ja, er habe abgebrochen. Ein Studium ohne Abschluss versuchen viele Politiker lieber zu verbergen: "Es ist schon ein Makel, den man mit sich herumträgt", sagte Dietmar Nietan der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung"  ("FAS"). Er sitzt für die SPD im Bundestag, ist 48 Jahre alt, hat zwölf Jahre Biologie studiert - und keinen Abschluss. Das Schicksal teilt er mit 35 weiteren Bundestagsabgeordneten, schreibt die Zeitung, das entspricht 5,6 Prozent der Abgeordneten.

Fotostrecke

Prominente Studienabbrecher: Es gibt ein Leben nach der Uni

Foto: Wolfgang Kumm/ picture alliance / dpa

Den größten Abbrecher-Anteil haben laut "FAS" die Grünen im Bundestag (8,8 Prozent), die FDP folgt mit sieben Abbrechern (7,5 Prozent), SPD mit zehn (6,8 Prozent), die Linke mit vier (5,3 Prozent) und CDU/CSU-Fraktion mit acht Abbrechern (3,6 Prozent).

Das nicht beendete Studium erwähnt natürlich keiner gern in seinem Lebenslauf. Die Abgeordneten schreiben stattdessen lieber "Studium der Volkswirtschaftslehre in Osnabrück und der Landespflege, Geschichte, Politikwissenschaft und Soziologie in Essen", wie beispielsweise der SPD-Abgeordnete Frank Schwabe. Einen Abschluss vermerken sie nicht; ein Trick, den natürlich nicht nur Politiker beherrschen. Jan Mücke, FDP, ehemaliger Jura-Student, findet das sauber: "Es ist doch bei Juristen offensichtlich, wenn die Staatsexamina fehlen. Ich finde das sehr transparent", sagte er der Zeitung.

Der SPD-Mann Schwabe gibt zwar zu, dass es ehrlicher wäre, "ohne Abschluss" zu schreiben. In seinem Wikipedia-Eintrag sieht er - oder zumindest seine Mitarbeiter - diese Information trotzdem nicht gern. Nutzer nehmen den Studienabbruch immer wieder in seine dortige Biografie auf, und immer wieder verschwindet er. "Mein Büro hat das immer wieder geändert", sagte Schwabe. Jetzt, nach Erscheinen des "FAS"-Artikels, steht der Hinweis wieder im Text.

"Ich hätte es zu Ende bringen sollen"

Und wie denken die Politiker heute über ihren Abbruch? Der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sagten sie:

  • "Als ich das Studium abgebrochen habe, war das einer der befreiendsten Momente meines Lebens", sagt SPD-Mann Schwabe.
  • "Es stört mich schon, ich hätte mich lieber zusammenreißen und es zu Ende bringen sollen", sagt Daniela Wagner, grüne Bundestagsabgeordnete.
  • "Ich habe diese Entscheidung damals bei vollem Bewusstsein getroffen, kann sie sehr gut verantworten und lasse mir das auch nicht vorwerfen", sagt der FDP-Abgeordnete Mücke.
  • "Ich hatte einfach mehr Lust auf Politik", sagt Bernd Siebert, CDU-Abgeordneter. Irgendwann fragten seine Söhne ihn nach seinem Abbruch. "Das war mir schon unangenehm."
  • Die CDU-Frau Annette Widmann-Mauz, parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, ließ mitteilen, sie habe keine Zeit darüber zu sprechen.
  • Der Hamburger CDU-Abgeordnete Rüdiger Kruse ließ ausrichten, er wolle keine Homestorys machen.
  • Die CDU-Abgeordneten Stefanie Vogelsang und Thomas Jarzombek reagierten gar nicht auf die Anfrage der "FAS".

Dabei befinden sich die Damen und Herren Politiker in guter Gesellschaft: Steve Jobs hat abgebrochen, Bill Gates, Mark Zuckerberg, Günther Jauch, Uli Hoeneß, Anke Engelke, Barbara Schöneberger und Alice Schwarzer. Vielleicht sollten die betroffenen Politiker also den Rat ihres Kollegen Omid Nouripour, von der "Bild"-Zeitung einst als Abbrecher geoutet, beherzigen: "Heute bin ich der Meinung, dass ein Politiker damit nicht verschämt umgehen sollte."

fln
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren