Campusmaut Studiengebühren werden zweckentfremdet

Die Einnahmen aus Studiengebühren sollen ausschließlich einer besseren Lehre dienen. Doch einige Hochschulen verfolgen offenbar ganz andere Pläne - mit dem Studenten-Geld drucken sie zum Beispiel Imagebroschüren, wollen Sportgeräte kaufen oder Haushaltslöcher stopfen.
Von Britta Mersch und Jochen Leffers

500 Euro pro Semester müssen Studienanfänger in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen seit Beginn des Wintersemesters zahlen, zum Sommersemester werden Studiengebühren für alle Studenten fällig. Die Einnahmen sollen den Studenten zugute kommen und nur der Verbesserung der Lehre dienen, beteuern Landesregierungen und Hochschulen unisono. Aber das lässt viel Spielraum für Interpretationen.

An mehreren deutschen Unis werden die Studiengebühren für andere Zwecke eingesetzt, als es die Hochschulgesetze vorsehen. Das berichtet der "Tagesspiegel". Beispiel Göttingen: Den Zeitungsrecherchen zufolge will die Universität von den Studiengebühren neue Sportgeräte für den Hochschulsport anschaffen und zudem drei Millionen Euro in den Umbau eines Seminarzentrums stecken. Die Universität Düsseldorf erarbeite mit den Studiengebühren Marketingkonzepte, um mehr Studienanfänger zu gewinnen, und die RWTH Aachen lasse Imagebroschüren drucken, so der "Tagesspiegel".

Weitere Beispiele: Die Fachhochschule Hannover soll mit Gebührengeldern ein Alumni-Portal für Absolventen ins Leben gerufen und einen DVD-Player für über 800 Euro angeschafft haben. Die FH Hildesheim/Göttingen habe mit den Einnahmen ein 300.000 Euro-Haushaltsloch gestopft; die Uni Dortmund wolle ein Defizit von 400.000 Euro ausgleichen.

Der "Tagesspiegel" nennt allerdings kaum Details und nennt als Quellen lediglich die Webseiten der Hochschulen. Dort gibt man sich teils verwundert: "Ich habe nichts davon gehört, dass wir das Geld aus den Studiengebühren in Marketing-Konzepte stecken wollen", sagt der Düsseldorfer Uni-Sprecher Rolf Willhardt, "das Geld wird ausschließlich für die Verbesserung der Lehr- und Lernbedingungen an der Hochschule verwendet." Als Beispiele nennt er mehr Stellen, Laptops und eine bessere Ausstattung der Unterrichtsräume.

Alles ist doch Lehre, irgendwie

Sehr präzise sind auch die Angaben der Uni Göttingen nicht: "Was genau wir mit den Beiträgen machen werden, beschließen wir in diesen Tagen", sagt Sprecherin Marietta Fuhrmann-Koch, "klar ist nur, dass wir den Studenten ein großes Mitspracherecht einräumen, welche Bedürfnisse sie in punkto Studium und Lehre haben." Dass es auch um Sportgeräte oder Baumaßnahmen geht, will die Hochschule nicht ausschließen: "Wenn die Studenten sagen, sie brauchen das, dann wird der Präsident das auch offiziell vertreten", so Fuhrmann-Koch.

Die RWTH Aachen verteidigt den Druck einer Broschüre aus dem Topf der Studiengebühren. "Wir haben ein Faltblatt für Studieninteressierte erstellt", sagt Sprecherin Renate Kinny; das unterscheide sich deutlich von einem Marketingkonzept. Auch sie beteuert, es gehe immer nur um bessere Lehre und Studienbedingungen.

Lehre und Studium – zwei Begriffe, die an Hochschulen viele Deutungen zulassen. Gehört es zur Verbesserung der Lehre, wenn man Anzeigetafeln für schwerhörige Studenten aufstellt? Oder ein Hörsaaldach repariert, damit es nicht auf die Studenten hinabregnet? Und was ist mit Broschüren, die neue Studenten anlocken sollen: Fällt Werbung für die Uni etwa noch in die Abteilung "bessere Lehre"?

Klare Vorgaben müssten die Ministerien erstellen, verzichten darauf aber und belassen es bei vagen Appellen. Niedersachsens Wissenschaftsminister Lutz Stratmann hält es gar für völlig unangebracht, "dass einige versuchen, Hochschulen an den Pranger zu stellen". Sportgeräte-Kauf, Umbau von Seminarräumen, neue technische Geräte, all das findet der CDU-Politiker pauschal in Ordnung: Es diene doch "der Verbesserung der Studienbedingungen".

So viel Vertrauen ist ein Freifahrtschein für die Hochschulen - was auch immer sie beschließen, den Minister kümmert es nicht weiter. In Nordrhein-Westfalen kündigte Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart zwar an, bei Beschwerden werde das Land "jeden Einzelfall prüfen". Solche Hinweise gebe es aber bisher nicht. Auch Pinkwart nahm die Hochschulen in Schutz und nannte die Gebührenverwendung "vorbildlich".

An süddeutschen Universitäten sorgt der Weg der Einnahmen schon seit Dezember für Zwist und Tumulte. So wandten sich Ulmer Studenten Mitte Januar mit ihrer Aktion "Holz für die Uni" gegen Überlegungen der Universität, die Studiengebühren buchstäblich zu verheizen: Sie sammelten symbolisch Holzscheite und überreichten sie der Hochschulleitung. Derweil traten drei Mathematik- und Ökonomie-Professoren in einer symbolischen Freiluft-Vorlesung in die Pedale von Fahrrad-Generatoren. Mit dieser "Stromspende" wollten sie für die notwendige Energie sorgen.

Zeit für abenteuerliche Argumente

Ulms Uni-Präsident Karl Joachim Ebeling betonte allerdings, dass die Pläne vom Tisch seien, Strom- und Heizkosten aus Gebühren zu finanzieren. Zugleich wies er auf die Finanznöte der Hochschulen hin, die ihre gestiegenen Energiekosten kaum noch aus eigener Kraft decken könnten.

Ähnlichen Streit gab es zuvor schon an anderen Hochschulen in Baden-Württemberg. Als erste hatte die Freiburger Universität Mitte Dezember das Bezahlen von Heizkosten aus Studiengebühren für möglich erklärt - mit verwegenen Argumenten: "Nach dem Landeshochschulgebühren-Gesetz dienen die Studiengebühren zur Erfüllung der Aufgaben in Studium und Lehre", sagte Reinhard Volz, Prorektor für Studium und Lehre im Deutschlandfunk. "Das heißt, es soll der Lehrbetrieb damit sichergestellt werden. Nun kann man natürlich argumentieren, dass auch das Beheizen der Lehrräume in diesen Bereich gehört." Die Uni Freiburg machte aber schnell einen Rückzieher, das Land kündigte mehr Geld für Heizkosten an.

Die Hochschulleitung der Universität Passau hatte die verblüffende Idee, mit Studentengeldern die Sanierung einer Tiefgarage zu finanzieren, und rückte davon erst nach Studentenprotesten wieder ab. Auch die Leitung der Mannheimer Universität dachte über Etat-Kunstgriffe nach. Mannheim mache es wie andere auch, sagte Prorektor Kai Brodersen: Die Universität tätige Ausgaben etwa für Tutorien nicht mehr aus ihrem normalen Haushalt, sondern aus den Gebühreneinnahmen. "So wird im Ur-Haushalt etwas frei", sagte Brodersen.

Es sei ein Tricksen, "schön ist es nicht", so der Prorektor - aber wie Brodersen halten auch viele andere Mitglieder von Hochschulleitungen überall in Deutschland solche Umbuchungen für einen Akt kreativer Notwehr. Irgendein Haushaltsloch, das dringend durch "fresh money" gestopft werden muss, findet sich an den chronisch klammen deutschen Hochschulen immer. Und im Zweifel ist es nie die Lehre, die den Professoren am meisten Sorge bereitet.

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