Fotostrecke

Soziologenverband: Wir wollen uns vom CHE nicht ranken lassen

Foto: Zentralbild/ picture alliance / dpa

Soziologen gegen Hochschulranking CHE? Danke, nee

Nach der Schule gucken viele Abiturienten in das Hochschulranking vom CHE - doch für Soziologie könnte das bald nichts mehr nützen: Der Fachverband hat alle soziologischen Institute aufgerufen, die "unsaubere und irreführende" Rangliste zu boykottieren. Die Rankingmacher sind verärgert.
Von Heike Sonnberger

Wenn sein Institut sich nicht mit so vielen grünen Punkten im aktuellen CHE-Hochschulranking schmücken könnte, würde Stephan Lessenich seinen Ärger wahrscheinlich für sich behalten. Doch so kann man dem Dekan der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena schlecht vorwerfen, dass er nur unzufrieden mit seinem Platz in der Rangliste sei. Deshalb hat Lessenich beschlossen, seine massive Kritik an einem der bekanntesten deutschen Rankings für Hochschulen publik zu machen.

Er hat die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) hinter sich, dessen stellvertretender Vorsitzender er ist. Der Fachverband hat eine Stellungnahme  verfasst, in der er die Macher der Rangliste frontal angeht. "Gravierende methodische Schwächen und empirische Lücken" weise das Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) auf, das regelmäßig im Studienführer des "ZEIT"-Verlags erscheint. Die DGS rief die soziologischen Institute der Hochschulen dazu auf, die Datenerhebung für die nächste Bewertungsrunde zu boykottieren.

Wenn genügend Hochschulen dem Aufruf folgen, wäre es das erste Mal, dass ein ganzes Fach aus dem Ranking aussteigt. Das Konzil der DGS, in dem Vertreter von rund 30 Hochschulen sitzen, habe den Vorschlag einstimmig angenommen, sagte Lessenich. Bundesweit gibt es nach Angaben der Gesellschaft etwa 70 soziologische Institute.

"Wir stören uns besonders daran, dass eine hochkomplexe Forschungs- und Lehrlandschaft so vereinfacht und verzerrt dargestellt wird", sagt Lessenich. Es ärgert ihn zum Beispiel, dass für die Printversion des Soziologie-Rankings in der "ZEIT" aus 18 Indikatoren eine Handvoll Bereiche ausgewählt werden, in denen die Hochschulen einen grünen, gelben oder blauen Punkt verliehen bekommen -also in eine Spitzengruppe, Mittelgruppe und Schlussgruppe eingeteilt werden.

Für den Indikator "Forschungsreputation" würden lediglich Dozenten befragt, welchen Standort sie empfehlen. Um die Qualität der Lehre zu ermitteln, fülle nur rund jeder fünfte Student einen Bogen mit "teilweise unterkomplexen" Fragen aus, kritisiert Lessenich. Die Ergebnisse seien in beiden Fällen subjektiv und unseriös. Das Ampelsystem sei keine echte Hilfe für junge Leute, um sich für die richtige Hochschule zu entscheiden - und könne sogar Instituten schaden, wenn sie aufgrund einer schlechten Bewertung weniger Studenten anzögen und weniger Geld zugewiesen bekämen. "Das trägt zum immensen Druck an den Unis bei, sich leistungsorientiert zur Schau zu stellen", sagt Lessenich. Dieser "falschen Wettbewerbslogik" wolle man sich entziehen.

CHE-Chef: "Die beste Ranking-Methode der Welt"

Der Geschäftsführer des CHE, Frank Ziegele, weist die Kritik entschieden zurück. "Das trifft mich hart, weil sie völlig unberechtigt ist", sagt er. Das CHE arbeite seit Jahren daran, "die beste Ranking-Methode der Welt" weiter zu verfeinern. Wenn 20 Prozent der Studenten an einer Befragung teilnehmen, sei das ein guter Schnitt. Wenn die so genannte Rücklaufquote zu niedrig sei oder die Daten anderweitig nicht ausreichten, würden sie auch nicht ausgewertet. "Man kann empirisch nicht mehr machen", sagt Ziegele.

Zudem entscheide nicht das CHE, welche der Indikatoren in das "ZEIT"-Ranking einfließen. Dafür trete ein Fachbeirat aus Wissenschaftlern zusammen, in dem die beiden letzten Male auch der damalige Vorsitzende der DGS, Hans-Georg Soeffner, vertreten war. Die Soziologie habe damals "ihre Einflusskanäle und Kontrollaufgaben möglicherweise nicht oder jedenfalls nicht effektiv genug ausgeübt", räumt die DGS in ihrer Stellungnahme ein. Das sei an dieser Stelle "durchaus selbstkritisch angemerkt".

Das CHE wehrt sich auch gegen den Vorwurf, dass das Ranking schwächeren Standorten schaden könne. Wenn ein Bereich nicht so gut abschneide, könne man doch auch gezielt dort investieren, sagt Ziegele. Das CHE stelle den Hochschulen ein großes Paket an detaillierten Daten zur Verfügung, die weit über das Ampelsystem hinausgingen. "Wenn Rektoren unfähig sind, gute Entscheidungen zu treffen, dann ist das nicht die Schuld des Rankings."

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Fachverband zum Boykott des Hochschulrankings aufruft. Der Chef des Historikerverbands, Werner Plumpe, hatte dem CHE in der "ZEIT" vor zwei Jahren vorgeworfen, "eine Art Bundesligatabelle" zu erzeugen, die Studenten in die Irre führe . Laut Ziegele liefern trotzdem mehr als die Hälfte der historischen Fakultäten Daten für das Ranking, so dass das Fach weiter in der Rangliste auftaucht. Daneben sei die Universität Bonn zwischenzeitlich aus- und dann wieder eingestiegen, die Kölner Uni überlege noch. Auch der Dekan des Fachbereichs Soziale Arbeit der Hochschule Merseburg hatte das Ranking als "untauglicher denn je" bezeichnet. Die Ratgeberseite "Studis Online" listet noch weitere CHE-Verweigerer .

Lessenich: "Unglaubliche Fehlallokation von Mitteln"

Für die einzelnen Fächer sammelt das CHE alle drei Jahre neue Daten, die Soziologie ist wieder im kommenden Frühjahr dran. Die DGS will darauf hinwirken, dass sich dann möglichst viele Institute gegen die Erhebung sperren.

In anderen Ranglisten werden die deutschen Soziologen aber trotzdem weiter erscheinen. Die Firma QS, die seit Jahren weltweite Hochschullisten erstellt, veröffentlichte am Freitag ihre "World University Rankings by Subject".  Die Freie Universität Berlin schnitt in der Soziologie am besten ab: Sie landete auf Rang 35, hinter Institutionen vor allem aus den USA. Die Zweitplatzierte aus Deutschland ist die Berliner Humboldt-Universität auf Platz 42, dann kommt die Münchner Ludwig-Maximilians-Universität auf Rang 51.

Alle drei Hochschulen sind Elite-Unis, bekommen also für ihre Forschung öffentliches Fördergeld in Millionenhöhe . "Es hatte sicherlich einen positiven Effekt auf das Ergebnis der deutschen Universitäten, dass die wissenschaftliche Forschung in einer Auswahl von Elite-Institutionen intensiver gefördert wurde", lobte Ben Sowter, Forschungsleiter bei QS.

Der Soziologe Lessenich sieht das skeptischer. "Die Exzellenzinitiative ist eine unglaubliche Fehlallokation von Mitteln", sagte er. Die Lehre leide darunter, dass einige tatsächliche oder angebliche Spitzen-Unis mit Geld vollgepumpt würden. Und Ranglisten wie das CHE-Hochschulranking trügen ihren Teil dazu bei, diesen Trend zu verschärfen.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren