Crash-Kurs In sieben Wochen singend zum Latinum

Wer fürs Examen das Latinum braucht, muss schwer schuften, Vokabeln und Grammatik bimsen. Einige private Institute setzen auf Alternativmethoden. Durch einen Mix aus Musik, Gesang und Tanz sollen Latein-Lektionen länger kleben bleiben - ein Besuch im Suggestopädie-Kurs.

Laut schallt es in Altenberge bei Münster im Schatten der Pfarrkirche aus einem ehemaligen Ladenlokal. In der Nachbarschaft scheint es niemand mehr zu wundern, dass hier junge Leute den ganzen Tag abwechselnd tief konzentriert, dann wieder ausgelassen tanzend und singend den Tag verbringen. Es sind rund 15 meist Philologie-Studenten, die hier am Institut "Fundamentum Latinum" für den begehrten Schein pauken. Allerdings läuft das Pauken nach der suggestopädischen Methode etwas anders ab.

8 Uhr 15, jetzt steht Meditation auf dem Stundenplan. Ein Teil der Studenten hat sich auf den Boden gelegt, andere sitzen mit geschlossenen Augen am Tisch. Kursleiter Günther Kassner führt in den Tag ein: "Lass deine Gedanken kommen und gehen. Mit Neugierde und Interesse öffnest du dich dem heutigen Lernangebot."

Nach rund zehn Minuten ist es mit der Ruhe vorbei. Jetzt muss eine Rede von Catus gelesen und übersetzt werden. Sarah hat sich gemeldet. Kassner: "Quom, das sah so aus wie quorum, was ist das für eine Form?" Sarah:" "Ja, das ist die altertümliche Form von cum. Ah ja, res publica, das Subjekt, der Staat, ist in maxima pericula, ist in große Gefahr gekommen und indicio, das ist ein Ablativ. Genau."

Böses Erwachen an der Uni

Die Studenten sind fast am Ende des Kurses. Da darf es jetzt schon schwer sein, gibt Günther Kassner zu. Für rund 120 Studienfächer ist derzeit das Latinum noch erforderlich. Und viele Schüler haben davon keinen blassen Schimmer. "Weil die Lehrer einem alle erzählt haben, wirklich geschlossen, dass man es für nichts mehr braucht außer für Theologie", sagt, Sarah, die Deutsch und Englisch auf Lehramt studiert, "also habe ich nicht darüber nachgedacht, Latein zu machen. Das war wirklich ein böses Erwachen, als ich zur Uni kam und auf einmal ein Latinum brauchte."

So oder ähnlich berichten es die anderen auch. Es werden bundesweit viele Crash-Kurse angeboten - aber nicht in Kombination mit Singen und Tanzen. "Ich stehe solchen Sachen eher skeptisch gegenüber, habe aber gedacht, wieso nicht, das kann dem Ganzen nur hilfreich sein", erzählt der Teilnehmer Reinhard. "Ich wusste ja, welche Qualen das sein können, und ich muss schon sagen, das war ganz schön auflockernd, es war eine schöne Abwechslung zwischendurch, die das Ganze bereichert hat. Wie das jetzt anspricht, ist im Einzelfall unterschiedlich. Manche profitieren da sehr davon, andere nutzen das um abzuschalten."

Die Teilnehmer singen im Chor: "Quorum, qandum sowie cum fällt die Silbe ali aus, mach dir nichts daraus. Bleib ganz cool, behalt die Ruh, setzt sin dazu sique est si aliqui, vergiss das bitte nie." Anspannung und Entspannung sind Teil der Methode, sagt Kursleiter und Altphilologe Günther Kassner. Und bewiesen sei auch, dass Musik den Lernprozess fördere.

"Durch das Singen habe ich gemerkt, dass das einfach so im Kopf drin ist", bestätigt Sarah. "Man singt es immer wieder für sich selbst, und ich mache es teilweise auch während der Klausuren noch so, dass ich mir so einzelne Sachen vorsinge, innerlich, um mich daran zu erinnern, welche Formen das sind. Das hat mir auf jeden Fall geholfen." Ihre Banknachbarin ergänzt: "Das mit den Liedern geht mir genau so, das finde ich super. Dadurch habe ich Regeln viel besser merken können."

"Eine richtige Berg- und Talfahrt"

Und dazwischen immer wieder Grammatik und stundenlanges Übersetzen von Cicero-, Caesar- und Seneca-Texten. Die Sätze werden pingelig zerlegt, wie ein Motor, vergleicht Günther Kassner, der 30 Jahre Gymnasialerfahrung hat: "Mir persönlich macht es ausgesprochen viel Spaß, und die Sache bringt es schon mit sich, dass die Studenten ihr Ziel klar vor Augen haben und deswegen auch zu einem unwahrscheinlichen Einsatz bereit sind."

Die Zeit mit den alten Römern und ihrer so genannten toten Sprache ist für die Studenten nun fast vorbei. In den kommenden Wochen müssen sie bei der Bezirkregierung, die die Schulaufsicht hat, die Latinum-Prüfung ablegen. Eine Zeit mit vielen Höhen und Tiefen - aber es hatte was, sagen die Teilnehmer.

"Man muss hart, hart arbeiten und das wird hier schon jeden Tag vermittelt, hart arbeiten", sagt einer. "Wie Hähnchen süß-sauer", meint Sarah. Und Reinhards Fazit: "Das ist schon ein extremes soziales Erlebnis hier, das kann man nicht anders sagen, eine richtige Berg- und Talfahrt. Nur Positives kann man nicht sagen, das macht man vielleicht am Ende, wenn man das Latinum in der Hand hat. Aber bis dahin ist es ein sehr steiniger Weg. Man bekommt das nicht geschenkt."

Von Claudia Ullrich-Schiwon, "Campus & Karriere" / Deutschlandfunk 

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