Studienfinanzierung Was wurde aus dem Deutschlandstipendium?

Sein Start vor sechs Jahren war ambitioniert, doch die neuesten Zahlen zeigen: Das Deutschlandstipendium ist gescheitert. Was sind die Gründe für den Misserfolg?
Die Studienfinanzierung über Stipendien ist in Deutschland der Ausnahmefall

Die Studienfinanzierung über Stipendien ist in Deutschland der Ausnahmefall

Foto: Friso Gentsch/ picture-alliance/ dpa

Dass die Bundesregierung gerne ein paar Millionen ausgeben möchte, dafür aber keinen Abnehmer findet - das kommt nicht allzu häufig vor. Im vergangenen Jahr aber ist genau das passiert: 48 Millionen Euro waren im Haushalt des Bildungsministeriums für das Deutschlandstipendium vorgesehen. Aber nur 32,7 Millionen wurden von den Universitäten und Fachhochschulen abgerufen. Mehr als 15 Millionen Euro flossen also zurück an den Finanzminister - und verfielen für das Bildungsressort.

Absurd?

Ja - aber eine Folge der Konstruktion des Deutschlandstipendiums, das 2011 mit großen Ankündigungen und noch größeren Erwartungen an den Start gegangen war. Der frühere NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart hatte im Herbst 2009 an Rhein und Ruhr ein Stipendienprogramm eingeführt, bei dem die Stipendiaten 300 Euro monatlich erhielten. 150 Euro kamen dabei von privaten Geldgebern, dieselbe Summe legte das Land noch einmal oben drauf. Die Idee: Wenn sich die Hochschulen um private Stipendiengeber kümmern, werden sie dafür vom Staat belohnt.

Der frühere NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (links) und die frühere Bundesbildungsministerin Annette Schavan (2009)

Der frühere NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (links) und die frühere Bundesbildungsministerin Annette Schavan (2009)

Foto: TOBIAS SCHWARZ/ REUTERS

Das Modell gefiel der damaligen Bundesministerin Annette Schavan so gut, dass es ab 2011 für alle Bundesländer als "Deutschlandstipendium" übernommen wurde. Mit dem Programm werde man eine echte Stipendien- und Stifterkultur etablieren, verkündete die Ministerin damals vollmundig: Zehn Prozent der Studenten sollten in den Genuss der halb privaten, halb öffentlichen Beihilfe kommen. Schnell wurde das Ziel aber auf acht Prozent reduziert.

Und selbst diese Zahl stellte sich bald als pures Wunschdenken heraus. Im Wintersemester 2011/12 bekamen gerade einmal 0,18 Prozent der Studenten das Deutschlandstipendium, auch danach ging die Zahl nur langsam nach oben. Seit 2013 stellt der Haushaltsplan des Bundesministeriums pro Jahr Mittel für 1,5 Prozent der Studenten bereit - die reale Förderquote aber kam auch da nie annähernd heran. Am Montag wurde bekannt, dass 2016 ganze 0,9 Prozent der Studenten entsprechende Zuschüsse erhielten: Genau 25.528 Stipendiaten führt das Statistische Bundesamt in seiner jüngsten Statistik  auf.

Und das sei doch gar nicht hat so schlecht, findet die aktuelle Bundesbildungsministerin: "Die Stipendiatenzahlen steigen mit jedem Jahr. Die Zahlen demonstrieren, dass das Prinzip der öffentlich-privaten Bildungspartnerschaft Zukunft hat", sagt Schavan-Nachfolgerin Johanna Wanka. "Das Deutschlandstipendium ist sechs Jahre nach seinem Start in der Gesellschaft breit verankert."

Private Förderer hätten alleine im vergangenen Jahr 26,2 Millionen Euro für das Programm aufgebracht, seit Beginn im Jahr 2011 sogar rund 113 Millionen Euro. Wanka findet es "beeindruckend, wie viele Förderer Verantwortung für begabte und engagierte Studierende übernehmen".

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka

Foto: Rainer Jensen/ picture alliance / dpa

Doch mit ihrer Begeisterung ist sie ziemlich allein. "Schwach gestartet und stark nachgelassen", das sei die richtige Beschreibung für die Dynamik des Deutschlandstipendiums, ätzt Kai Gehring, Sprecher der grünen Bundestagsfraktion für Hochschule, Wissenschaft und Forschung, über die "maue Bilanz" des Förderinstruments, das "der größte Ladenhüter des Ministeriums" sei.

Tatsächlich gelingt es nur den wenigsten Hochschulen, ausreichend private Förderer einzuwerben. Deren Interesse an einem Stipendienprogramm, über dessen Empfänger sie nicht unmittelbar mitbestimmen können, ist gering - umso höher ist der Arbeits- und Verwaltungsaufwand, den der monatliche 300-Euro-Zuschuss bei den Unis und FHs verursacht.

Schon 2013 hatte der Bundesrechnungshof in seinem Jahresbericht kritisiert, dass von den Bundesmitteln des Deutschlandstipendiums nur 60 Prozent bei den Stipendienempfängern ankämen - der Rest ging für Verwaltungs- und Werbekosten drauf. Mittlerweile liegt der Verwaltungsaufwand zwar nur noch bei 20 Prozent, doch auch dieser Anteil belegt für den Bundesrechnungshof immer noch eine deutliche "Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität des Programms".

"Ob daraus einmal eine wirkliche Stipendienkultur für Deutschlands Studierende wird, ist zweifelhaft", sagt Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks. Zwar sei das Deutschlandstipendium ein zusätzliches Förderinstrument, doch "als Säule der Studienfinanzierung kann man es kaum ansehen".

Die 300 Euro deckten noch nicht einmal die Hälfte des durchschnittlichen studentischen Monatsbudgets von 864 Euro, und die geringe Zahl der Stipendiaten sei ein weiteres K.-o.-Kriterium. "Man sollte das Pflänzchen Deutschlandstipendium weiter fördern", sagt Meyer auf der Heyde generös - besser angelegt seien Bundesmittel zur Studienfinanzierung aber in einer Erhöhung der Bafög-Sätze: "Zuletzt hatten wir beim Bafög sechs Jahre Stillstand, das geht gar nicht."

Johanna Wanka beeindruckt all das wenig. "Die Zahlen demonstrieren, dass das Prinzip der öffentlich-privaten Bildungspartnerschaft Zukunft hat", sagt sie.

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