Doktoraffäre Plagiatsopfer stellt Strafantrag gegen Guttenberg

Ex-Minister in Bedrängnis: Erstes Abschreibeopfer geht gegen Guttenberg juristisch vor
Foto: ? Michaela Rehle / Reuters/ REUTERSHamburg - Rund 100 Strafanzeigen liegen der Staatsanwaltschaft in Hof bereits vor, trotzdem war bisher offen, ob gegen Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ein Strafverfahren eröffnet wird. Der Grund: Keine Anzeige stammte von einem Autoren, von dem Guttenberg abgeschrieben hatte. Für eine Strafverfolgung wäre deshalb ein öffentliches Interesse nötig gewesen - und diese Frage war bisher umstritten.
Doch das könnte sich alles ändern: Denn ein Plagiatsopfer des Ex-Ministers will nun einen Strafantrag wegen Urheberrechtsverletzung bei der Staatsanwaltschaft Hof stellen. Das bestätigte der Autor, der anonym bleiben möchte, SPIEGEL ONLINE. Dabei handelt es sich um einen der Betroffenen, von denen Guttenberg in seiner Doktorarbeit abgeschrieben hatte, ohne die Stellen als Zitat zu kennzeichnen.
Andere Autoren, bei denen sich Guttenberg großzügig bedient hatte, wollen dagegen von juristischen Schritten wegen Urheberrechtsverletzung absehen. Einer von ihnen ist Günter Burghardt, ehemaliger Botschafter der Europäischen Kommission in den USA. Auch er war in Guttenbergs Arbeit unzureichend zitiert worden. Für ihn handle es sich aber um eine "persönliche Angelegenheit zwischen Guttenberg und mir", sagte der Ex-Diplomat SPIEGEL ONLINE. Ein Strafantrag komme für ihn daher nicht in Frage, zumal sich der CSU-Politiker schriftlich und in einem persönlichen Brief bei ihm entschuldigt habe.
Gnädig bei Guttenberg, hart bei den eigenen Studenten
Ähnlich wie Burghart liegt der Fall für Roland Vaubel, Professor für Volkswirtschaftslehre und Politische Ökonomie an der Uni Mannheim. Bei ihm hatte Guttenberg aus einem Artikel für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" aus dem Jahr 2003 einen Absatz abgeschrieben, aber nur einen einzelnen Satz als Zitat kenntlich gemacht. Vaubel sagte, er werde "auf keinen Fall" Strafantrag stellen. Vielmehr fühle er sich "geehrt", dass der Ex-Minister ihn zitiert habe, "wenn auch nicht ausreichend". Guttenberg habe sich eine Woche nach seinem Rücktritt in einem persönlichen Brief an ihn gewandt und sich entschuldigt, weil er "unredlich abgeschrieben" habe.
Insgesamt drei geschädigte Autoren bestätigten SPIEGEL ONLINE, sie hätten eine Woche nach seinem Rücktritt eine rund eine halbe Seite lange Entschuldigung mit der handschriftlichen Unterschrift Guttenbergs erhalten.
Vaubel sagte weiter, Guttenberg habe ihn mit einer Fußnote erwähnt, allerdings nur einen Satz in Anführungszeichen gesetzt, obwohl er einen ganzen Absatz verwendet habe. Für ihn sei das "kein klassisches Plagiat". Bei seinen eigenen Studenten ist Vaubel nach eigener Aussagen allerdings weniger nachgiebig. Wer so zitiere, wie das Guttenberg mit seinem Text gemacht habe, "der bekommt in einer Diplom- oder Bachelorarbeit eine fünf und ist durchgefallen". Guttenberg sei durch den Verlust seiner Ämter und die öffentliche Debatte allerdings "hinreichend gestraft", sagte Vaubel SPIEGEL ONLINE.
Der Liechtensteiner Politikwissenschaftler Wilfried Marxer sagte SPIEGEL ONLINE, er beobachte die Diskussion "amüsiert und aus der Ferne". Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus sei der Fall allerdings "gar nicht lustig und muss untersucht werden". Bei Marxer hatte sich Guttenberg aus einem verschriftlichten wissenschaftlichen Vortrag zur direkten Demokratie in Liechtenstein bedient. Marxer sagt, er verstehe zwar das öffentliche Interesse an dem Fall, einen Strafantrag werde er aber nicht stellen.
Uni klagt über Druck von Guttenbergs Juristen
Derzeit versuchen die Anwälte Guttenbergs auf juristischem Weg zu verhindern, dass die Uni Bayreuth ihr Abschlussgutachten zu seiner kopierten Doktorarbeit öffentlich macht. Die Untersuchung durch eine fünfköpfige Wissenschaftskommission soll die Frage klären, ob der Minister lediglich schlampig gearbeitet oder bewusst und systematisch bei anderen Autoren abgeschrieben hat. Die Uni beklagte am Wochenende, sie werde von Guttenbergs Juristen unter Druck gesetzt.
In einem Beitrag für die "Frankfurter Rundschau" hatte die Schweizer Journalistin Klara Obermüller am Montag scharfe Kritik am juristischen Vorgehen der Guttenberg-Anwälte gegen die Uni Bayreuth geäußert. "Was Guttenberg macht, ist grotesk", sagte die Journalistin. Er habe ein sehr eigenartiges Krisenmanagement und mache einfach alles falsch. Verklagen wolle sie Guttenberg derzeit zwar nicht. "Aber ich bin absolut der Meinung, dass er die Universität den Bericht veröffentlichen lassen muss."
Guttenbergs Versuch, die Veröffentlichung zu verhindern sei "sehr undemokratisch". In seiner Doktorarbeit hatte Guttenberg unter anderem auch einen halben Leitartikel von Obermüller über insgesamt 86 Zeilen lang abgeschrieben, ohne Obermüllers Text aus der "Neuen Zürcher Zeitung" als Quelle zu nennen.