Doktormacher Staatsanwälte nehmen weitere Jura-Professoren ins Visier
Bereits seit 1980 bietet ein "Institut für Wissenschaftsberatung" in Bergisch Gladbach die "Planung und Realisierung von berufsbegleitenden Promotionsprojekten an", mit dem Zusatz "kein Titelhandel, kein Ghostwriting". An Kundschaft fehlt es laut Eigenwerbung nicht: Über 1000 Interessenten habe das Institut schon zum schmucken Doktortitel verholfen, davon 350 allein in den letzten acht Jahren. Für das Unternehmen seien "10 Angestellte und über 100 Kooperationspartner als freie Mitarbeiter tätig", die ein "Netz in den gängigsten wissenschaftlichen Disziplinen" bildeten.
Kritiker haben schon lange den Verdacht, dass es bei dieser Promotionsberatung nicht immer mit rechten Dingen zugeht. In Hannover flog ein "Doktormacher" von der Jura-Fakultät auf, nun sendet die Korruptionsaffäre um Geschäfte mit Doktortiteln neue Schockwellen in die deutsche Wissenschaftslandschaft. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover gegen drei weitere Professoren. Besonders pikant: Auch der Dekan der juristischen Fakultät der Leibniz-Universität Hannover ist ins Fadenkreuz der Staatsanwälte geraten.
Der Dekan räumte nach Uni-Angaben ein, er habe "vor circa zehn Jahren in Randbereichen" mit der Beratungsfirma zu tun gehabt, den Kontakt aber selbst abgebrochen. Der Dekan lasse jetzt auf Empfehlung der Hochschuleitung seine Ämter ruhen, teilt Uni-Sprecherin Stefanie Beier mit. Als Vertreter führt nun Prodekan Volker Epping die Geschäfte der Fakultät und geht davon aus, dass die Ermittlungen bald eingestellt werden: "Da wird nichts strafrechtlich Relevantes rauskommen."
Korruptionsskandal zieht neue Kreise
Ausgelöst hat die weiteren Ermittlungen ein spektakulärer Prozess am Landgericht Hildesheim mit gleich drei Anklagen:
- Ein Hannoveraner Juraprofessor wurde "wegen Bestechlichkeit in besonderes schwerem Fall" zu drei Jahren Haft verurteilt. Das Institut für Wissenschaftsberatung hatte ihm laut Gericht rund 70 Promotions-Kandidaten vermittelt und dafür über 150.000 Euro gezahlt. Die Betreuung von Doktoranden gehöre aber zu den Dienstpflichten eines Lehrstuhlinhabers - dafür dürfe er keine zusätzlichen Leistungen verlangen, so die Richter.
- Eine ehemalige Studentin dieses Professors wurde zu einer Geldstrafe von 1800 Euro verurteilt. Sie hatte jahrelang eine sexuelle Beziehung zu ihm unterhalten, wodurch sie Vorteile wie gute Noten und einen Job am Lehrstuhl erlangte. Das Verfahren gegen eine weitere Studentin, die sich ebenfalls auf den Professor eingelassen haben soll, wurde gegen Zahlung von 1800 Euro eingestellt.
- Noch nicht abgeschlossen ist das Verfahren gegen den Chef des Instituts für Wissenschaftsberatung. Von ihm wurde zunächst ein Geständnis erwartet, aber Ende März betritt er überraschend den Vorwurf der Bestechung. Die Zusammenarbeit mit dem Juraprofessor räumte der Institutsleiter zwar ein, die Promotions-Verfahren seien indes "absolut korrekt abgelaufen".
Bereits 2005 waren die Räume der Bergisch Gladbacher Firma wegen des Bestechungsverdachts durchsucht worden. Bei einer erneuten Durchsuchung im März dieses Jahres stellte die Kölner Staatsanwaltschaft stellte dabei umfangreiches Material sicher.
Das verstärkte offenbar den Druck auf den "Promotionsberater". Denn dessen eigene Verteidigung belastete am Dienstag den Hannoveraner Dekan sowie die Professorenkollegen aus Friedrichshafen und Freiburg. Auch gegen die beiden Jura-Professoren aus Baden-Württemberg werde jetzt wegen Vorteilsnahme ermittelt, bestätigte die Staatsanwaltschaft Hannover am Freitag.
Schon nach dem letzten Hausbesuch der Ermittler hatte der Oberstaatsanwalt Günther Feld angedeutet, es handle sich wohl nicht um eine rein regionalen Fall, da die fragliche Agentur bundesweit tätig sei.
Mit den neuen verdächtigen Juristen in Hannover, Friedrichshafen am Bodensee und Freiburg im Breisgau hat der Betrugsskandal jetzt endgültig bundesweite Dimensionen. Und möglicherweise fliegen etliche weitere Professoren auch anderer akademischer Disziplinen auf.
Die fragwürdigen Berater aus Bergisch Gladbach jedenfalls brüsten sich mit der Realisierung von über 1000 Promotionsprojekten. Ihr Angebot lautet noch immer: "Wir finden für Sie einen fachlich kompetenten Doktorvater (Professor oder Privatdozent), der sich bereits in der Vergangenheit als erfolgreicher und fairer Betreuer und Gutachter erwiesen hat."
cht/jol/dpa