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Drohnenforschung Alles, nur kein Kriegsgerät

Drohnen sind bekannt als lautlose Killer und Spione, doch Unis forschen auch an friedlichen Varianten. An der Uni Kassel entwickelt der Forscher Albert Claudi die Drohnentechnik weiter. Eine Anfrage der Polizei lehnte er ab.

Am Ende ist es eine Frage von Zentimetern. Kommt es zum Funkenschlag? Zerstört der Starkstrom die Drohne? Immerhin fließt Strom mit einer Spannung von 380.000 Volt durch die Leitungen im Labor von Albert Claudi.

Der Professor beginnt mit einigen Metern Entfernung zum Stromseil. In der großen Halle mit meterhohen Spannungsgeneratoren positioniert er seine Drohne, schaltet den Strom ein und wartet ab. Wenn es gut läuft, überlebt die Drohne: Die Technik funktioniert, die empfindliche Elektronik des Fluggeräts wird von den magnetischen Feldern nicht beeinflusst. Claudi schaltet den Strom ab, rückt die Drohne näher ans Seil, schaltet wieder ein. Wenn es schlecht läuft, versagt die Drohnentechnik. Wenn es ganz schlecht läuft, ist die Drohne zerstört.

Auf dem Campus Wilhelmshöhe der Uni Kassel forscht Claudi an seinen Drohnen, auch wenn der Professor der Elektrotechnik das Wort Drohne nicht gerne hört. Es sei einfach zu negativ besetzt. Man denkt an das Euro-Hawk-Desaster, Bombenangriffe im Drohnenkrieg der USA oder an Überwachung. Claudi spricht lieber von Koptern, manchmal auch nur von Plattformen.

Einsatz in Vulkanen und der Arktis

Seit drei Jahren widmet sich der Wissenschaftler den Flugmodellen, mittlerweile hat es sich zu einem ernsthaften Teil seiner Forschungsarbeit entwickelt. Und er konnte auch immer mehr Studenten begeistern, an seinen Kopterprojekten teilzunehmen.

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Drohnenforschung: Kriegsgerät und Helferlein

Foto: Christopher Piltz

Wie hier an der Uni Kassel wird an einigen deutschen Universitäten an der Weiterentwicklung von Flugmodellen geforscht. Die TU Braunschweig entwickelt seit zehn Jahren unbemannte Flugzeuge. Sie kamen schon in den Anden und in Vulkanen in Ecuador zum Einsatz. Bei der aktuellen Reise des Forschungsschiffs "Polarstern" haben die Wissenschaftler ein unbemanntes Flugzeug der TU Braunschweig an Bord, es soll bei der Untersuchung des antarktischen Winters helfen.

"Die Anwendung in einer Gegend, die sonst nur schwer erreichbar ist, ist typisch", sagt Peter Vörsmann, Leiter des Instituts für Luft- und Raumfahrtsysteme der TU. Doch nicht nur in der Forschung, auch in der Lehre gibt es mehr Vorlesungen, die sich mit dem Thema beschäftigen. "Und die Zahl der Abschluss- und Doktorarbeiten auf diesem Gebiet nimmt immer mehr zu", sagt Vörsmann.

An der TU Ilmenau basteln die Forscher an "modernen Brieftauben", wie Doktorand Tobias Simon sie nennt. Das Prinzip: Drohnen sollen helfen, in Regionen ohne Handyempfang ein Funknetz aufzubauen. So können in Krisenfällen Verschüttete oder Verletzte Notruf-SMS oder Anrufe abschicken und von den Einsatzkräften gefunden werden. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die Drohne gesendete Nachrichten vorerst empfangen, speichern und dann zum nächstgelegenen Sendemast fliegen, um sie dort zu verschicken. "So könnten uns die Kopter als Boten helfen", sagt Simon.

Simon forscht seit 2009 an der Netzwerktechnik, die auf den Drohnen installiert werden soll. Sorge, dass seine Ergebnisse später auch von militärischer Seite genutzt werden könnten, hat er nicht, "Technologie kann immer in beide Richtungen verwendet werden, zivil oder militärisch", sagt er. Dies sei die Kehrseite fast jeder Disziplin.

Keine Lust auf Polizeiarbeit

Als Beispiel nennt er das Internet: Einst als rein militärische Plattform gedacht, ist es heute überall für jedermann verfügbar. Auch der Braunschweiger Wissenschaftler Vörsmann glaubt nicht, dass eine militärische Nutzung der Ergebnisse komplett verhindert werden kann. "Wir müssen versuchen, die Weitergabe unserer Erkenntnisse zu unterdrücken und uns rein zivil positionieren," sagt er.

Professor Claudi in Kassel lehnt jegliche Anfragen aus dem militärischen Bereich ab. Genauso erteilte er der Polizei eine Absage. "Die wollten eine System zur Kennzeichenerkennung entwickeln, aber darauf haben wir keine Lust." Das Team in Kassel konstruiert deswegen nur bei genauen Vorhaben die Kopter. "Für uns ist die Anwendung interessant", sagt Claudi. Seien es Aufnahmen von Versuchsfeldern in Madagaskar oder Agrarflächen in Witzenhausen. Es gab Anfragen von Klimaforschern, die Luftschichten zwischen Hochhäusern in Hongkong untersuchen wollten. Von Architekten, die Drohnen zur Kontrolle von Fassaden nutzen wollten.

Claudis aktuelles Projekt stammt aus seinem Fachgebiet, der Hochspannungstechnik. Es geht um die Überprüfung von Stromtrassen durch Drohnen. Die spinnenartigen Fluggeräte mit Rotoren und einer Kamera in der Mitte, insgesamt kaum größer als Modellflieger, sollen an Überlandleitungen entlangfliegen und Schäden suchen. Der Clou: Sie sind weder aus der Ferne noch aus unmittelbarer Nähe gesteuert.

Geht es nach Claudi, fliegen die Kopter morgens von ihren Ladestationen automatisch zu den Stromtrassen. Wenn ihr Akku leer sei, sagt er, oder das Tageslicht zu schwach, schweben sie zurück zu ihren Ladestationen. Alles geschehe durch einen Autopiloten; selbst das Erkennen von Schäden an der Stromtrasse solle ein Computerprogramm übernehmen. "Aber davon sind wir noch ein bisschen entfernt", sagt Claudi.

Bislang sind Claudis Pläne nur eine Animation auf seinem Laptop. Doch er hofft, bald schneller voranzukommen. In Verhandlung mit Energieunternehmen steht er schon.

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