Elite-Debatte Kein Anschluss unter dieser Nummer

Mit viel Getöse hat die Exzellenzinitiative ein erstes Elite-Dreigestirn gekürt. Das Spektakel verdeckt das Dilemma des Wettbewerbs: Warum fördert man nicht gleich Personen statt Institutionen? Und was haben eigentlich die Studenten von dem Gepolter?
Von Hermann Horstkotte

Deutschland suchte seine Super-Unis und hat nach 16 Monaten zumindest drei gefunden: eine in Karlsruhe und zwei in München. Die einzige Überraschung dabei: Einige Favoriten wie Aachen, Freiburg und Heidelberg schafften es nicht auf Anhieb. Sie gehören nach den üblichen Hitlisten wie dem millionenschweren "Förder-Ranking" der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zwar ebenfalls in den Kreis der zehn Besten. Dieser aber soll gemäß der Dramaturgie der Exzellenzinitiative erst nach einem zweiten Krönungsakt im kommenden Jahr vollzählig sein.

Das Tamtam um die wissenschaftliche Exzellenz ist ein Nachspiel zum Saisonschlager 2004/2005: der Elite-Universität des damaligen Kanzlers Schröder und seiner Bildungsministerin Edelgard Bulmahn. Sie dachten an einen Stimmungsaufheller, um die gefühlte Mittelmäßigkeit und Altersschwäche im Lande durch einen geistigen Aufbruch mit jugendlichem Optimismus und kraftstrotzendem Selbstbewusstsein zu überwinden.

Übrig geblieben sind davon immerhin knapp zwei Milliarden Forschungsförderung, verteilt auf sechs Jahre und rund 80 einzelne Förderfälle. Schon stellt der Rektor der Spitzen-Uni München klar: "Wenn wir den Anschluss an Amerika finden wollen, müssten zwei oder drei Universitäten noch zusätzlich eine Milliarde im Jahr erhalten."

Fetisch Standort

Die amtliche "Vereinbarung über die Exzellenzinitiative zur Förderung von Wissenschaft und Forschung an Hochschulen" ist in Wirklichkeit eine Vereinbarung zum Etikettenschwindel. Denn moderne Forschungsfinanzierung wäre eigentlich Förderung von Personen und Projekten. So hat die es DFG bisher vorgemacht, nach dem Beispiel verfährt auch die Europäische Union mit großem Erfolg. Stattdessen dienen die Geldspritzen der Exzellenzinitiative nach dem Willen der Politik - eigentlich wie immer - vor allem Standorten und ihrer geplanten Neuorganisation, zum Beispiel mit sogenannten "Graduiertenschulen" für Masterstudenten und Doktoranden.

"Sie werden fragen, was die neuen Graduiertenschulen von den schon viele Jahre durch die DFG geförderten Graduiertenkollegs unterscheidet", vermutet Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Peter Frankenberg zu Recht. Die entwaffnende Antwort: eigentlich nur der wissenschaftliche Anspruch. Denn die DFG-Kollegs sind thematisch "fokussiert", sagt Frankenberg, also weit mehr als eine organisatorische Hülle.

Und die Geförderten sind "deutlich weniger". Die alten Kollegs stehen wie bisher nur den Besten offen, das bekräftigen DFG-Experten - die neuen Schulen hingegen vielen. Dort wird unter dem schmeichelhaften Label Exzellenz eben nicht kompromisslos Spitzenforschung gefördert, sondern "die Schwerpunktbildung des Standorts", sagt Frankenberg.

Fata Morgana Harvard

Aber der globale Wissenschaftswettbewerb sei doch ein Standortwettbewerb, so lautet ein gängiges Argument der Exzellenz-Anhänger. "Auch Deutschland braucht ein paar Aushängeschilder wie Harvard oder Stanford, die schon aufgrund des Namens Auslandsstudenten ins Land und nicht nur an seine Elite-Unis ziehen", sagt zum Beispiel Aachens Rektor Burkhard Rauhut. Das stimmt sogar - trotzdem lässt sich mit diesem Argument kaum für die Exzellenzinitiative werben.

Denn bei der Initiative geht es allein um Forschung und nicht um die Studenten. An der "Betreuung" von 60 und mehr Studierenden durch einen einzigen Hochschullehrer wird sich mit und ohne Exzellenzsiegel nichts ändern - und deshalb auch nichts am Abstand in der Lehre zu den vielgepriesenen amerikanischen Elite-Unis mit dreimal kleineren Lerngruppen und Rundumversorgung auf dem Campus.

Der Präsident der Technischen Universität Darmstadt, Johann-Dietrich Wörner, blickt in die Zukunft: "In fünf, sechs Jahren wird es durch die Exzellenzinitiative vier Klassen von Hochschulen in Deutschland geben: zehn offizielle Spitzenstandorte; dann die zweite Klasse mit Graduiertenschulen und/oder hoch subventionierten Forschungsnetzwerken, neudeutsch Clustern; im dritten Rang nicht prämierte Unis von trotzdem überregionaler Bedeutung" wie im Augenblick zum Beispiel Darmstadt - und dann "ganz unten schließlich alle anderen nebst den Fachhochschulen". Wörners Empfehlung: "Jede Hochschulleitung ist dann gut beraten, sich auf die eigene Klasse zu konzentrieren."

Finanzminister lassen sich das gewiss nicht zweimal sagen. Wer nachweislich Mittelmaß oder noch drunter ist, braucht keine zusätzlichen Mittel. Denn jenseits der Bachelor-Ausbildung kann er sowieso nicht mit der Konkurrenz mithalten.

Die deutschen Hochschulen suchen vermeintlich nach Geistesriesen - und leiten damit überwiegend ihre eigene Verzwergung ein.

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