Elite-Unis Keine Ehre für die Lehre

So sehen Sieger aus: Das Gewinner-Sextett 2007
Foto: DPADie führenden deutschen Wissenschaftsorganisationen wollen die zusätzliche Förderung der Spitzenforschung auch nach 2011 fortsetzen. Denn bis dahin reicht das Geld aus der ersten Runde der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern. In den Jahren 2006 und 2007 hatten sich insgesamt neun Universitäten das begehrte Elite-Etikett ankleben dürfen. In drei Förderlinien erhalten alle ausgezeichneten Hochschulen bis 2011 insgesamt 1,9 Milliarden Euro.
Gekürt wurden die Gewinner bislang von einer internationalen Expertenrunde, besetzt vom Wissenschaftsrat und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Diese beiden Wissenschaftsgremien haben am Freitag eine Liste mit Eckpunkten vorgestellt und beschreiben darin, wie die Neuauflage des milliardenschweren Programms zur Forschungsförderung aussehen soll:
- Von der Politik, die diese Forschungsspritze bezahlt, wollen die Wissenschaftsvertreter mehr Geld. In ihrem Papier schlagen sie ein Plus von 20 bis 30 Prozent vor - damit beliefe sich die Fördersumme auf 2,28 bis 2,47 Milliarde Euro.
- Das Geld soll nur noch in einem Schwung an die Hochschulen verteilt werden. Beim letzten Mal hatte es 2006 und 2007 zwei getrennten Verfahren gegeben.
- Bei der der Aufteilung in die Förderlinien (Exzellenzcluster, Graduiertenschule, Zukunftskonzept für den Elite-Titel) soll es bleiben. "Die drei Säulen haben sich bewährt", sagte Peter Strohschneider, Vorsitzender des Wissenschaftsrates.
- Ein neuer Aspekt: Eine Hochschule, die sich Elite vor ihren Namen schreiben will, soll Verbesserungen der akademischen Lehre in ihr Zukunftskonzept aufnehmen.
Die Lehre als ewiges universitäres Sorgenkind in die Exzellenzinitiative einzubeziehen, wäre das einzige wirkliche Novum. 2006 und 2007 kam dieser Aspekt überhaupt nicht vor. Allerdings findet sich der Verweis auf die Lehre lediglich im letzten Satz der Eckpunkte, verschanzt hinter einem zweifachen Konjunktiv: Ansätze für eine bessere Lehre "sollten eingebunden werden können", heißt es zaghaft in den "Denkanstößen" von Wissenschaftsrat und DFG.
Damit wird die Exzellenzinitiative von Bund und Ländern wohl bleiben, was sie bisher ist: ein Instrument der Forschungsförderung, das Wissenschaftler an deutschen Hochschulen binden und deren Ruhm in der Welt mehren soll.
Hurra, wir sind wieder wer
Die Exzellenzinitiative erhielt in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) führte mit der Initiative eine Idee fort, die ihre Vorgängerin Edelgard Bulmahn noch in der rot-grünen Bundesregierung 2004 angeschoben hatte.
Besonders der Erfolg in der sogenannten dritten Förderlinie, in der die Zukunftsplanung der Hochschulen bewertet wurde, war besonders begehrt: Zunächst wurden Karlsruhe, die TU und die LMU München zu "Leuchttürmen" der deutschen Forschung promoviert. Im zweiten Schritt schafften es dann Aachen, die FU Berlin, Freiburg, Göttingen, Heidelberg und Konstanz; Bochum und die Humboldt-Universität Berlin schieden auf den letzten Metern aus.
Der Bamberger Soziologe Richard Münch kritisierte allerdings nach dem jüngsten Vergabeverfahren im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE, dass der Elitewettbewerb nur in Strukturen und Standorte, nicht aber in Spitzenpersonal investiere. Die Exzellenzinitiative schade den Hochschulen, meint Münch. Und der frühere Rektoren-Chef Klaus Landfried warnte vor Jubelstürmen: Im Sog von zwei Nobelpreisen und der Exzellenzinitiative seien die deutschen Hochschulen keineswegs gleich wieder Weltspitze, so der Politologe - bisher stünden die "Exzellenzen auf zu dünnen Beinen".
"Wir brauchen keine Leuchttürme auf dem Studentenberg"
Zudem ist die Lehre weiterhin ein Notstandsgebiet - DFG und Wissenschaftsrat erwähnen sie jetzt im Konzept zur Exzellenzinitiative immerhin am Rande. Das passt zu einer aktuellen Forderung: Erst am Montag trat der der Wissenschaftsrat dafür ein, in eine bessere Lehre eine gute Milliarde Euro jährlich zu investieren. In einigen Fächern, darunter Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, solle sich die Zahl der Professoren um ein Drittel erhöhen, so der fromme Wunsch.
Das Echo blieb in der Politik verhalten. Lediglich NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) sprach sich in der "Zeit" dafür aus, beim Exzellenzwettbewerb fortan die Lehre zu berücksichtigen. Dem widersprach prompt sein sein baden-württembergischer Kollege Peter Frankenberg (CDU): Die Lehre habe durch die Exzellenzinitiative in ihrer bisherigen Form vom warmen Forschungsregen profitiert, dafür müsse sie nicht Teil der Ausschreibung sein. "Niemand würde es verstehen, wenn wir die Spielregeln plötzlich ändern würden", so Frankenberg.
Der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) genügen die nun von Wissenschaftsrat und DFG geforderten Mittel nicht. Sie verlangt für eine neue Runde der Exzellenzinitiative erneut, dass die Mittel um 50 Prozent aufgestockt werden sollen. Zur Lehre äußerten sich die Rektoren in ihrer Erklärung nicht.
Die Bildungsgewerkschaft GEW warnt vor einer vorschnellen Fortschreibung des Rennens um die Elite-Titel in der Forschung. Wichtiger sei aktuell, dass es für 700.000 Studenten in den kommenden fünf Jahren keine Studienplätze gebe. Die Hochschulen müssten "in der Breite" ausgebaut werden, fordert deshalb GEW-Vorstand Andreas Keller: "Wir brauchen keine Leuchttürme auf dem Studentenberg", sagte er.
mit Agenturmaterial von dpa