Nach Mobbingvorwürfen an der ETH Kommission empfiehlt, umstrittene Professorin nicht zu entlassen

Jahrelang hat eine renommierte Professorin für Astrophysik an der ETH Zürich ihre Studenten gedemütigt. Die Elitehochschule will sie entlassen - doch eine Kommission rät davon ab.
ETH Zürich

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Foto: Arnd Wiegmann/ REUTERS

Die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich ist an diesem Mittwoch einen ungewöhnlichen Weg gegangen: Die Elitehochschule hat einen vertraulichen Bericht einer Administrativkommission veröffentlicht. Darin stehen pikante Details zum Verhalten einer renommierten Professorin für Astrophysik.

Die Wissenschaftlerin hatte ihre Doktoranden über Jahre hinweg übertrieben kontrolliert, herablassend behandelt und Übermenschliches von ihnen erwartet. Nachdem die Vorwürfe im Jahr 2017 bekannt geworden waren, hatte die ETH die Frau freistellen und den Fall untersuchen lassen. Die "NZZ" hatte zuerst darüber berichtet.  

Das Dokument macht die Hochschule nun öffentlich, weil bereits Details daraus an die Öffentlichkeit gedrungen waren. In der Untersuchung heißt es: Das Verhalten der Professorin wiege schwer. Ihr werden unter anderem "Führungsschwäche, ein respektloser Umgang mit Mitarbeitenden, ein stark ausgeprägtes Kontrollbedürfnis, (zu) hohe Leistungsansprüche, die (durchgehende) Erwartung, dass Mitarbeitende auch an freien Tagen erreichbar sein müssen, fehlende Diskussionsbereitschaft und -fähigkeit sowie anderes mehr vorgeworfen".

"Kaum Bereitschaft, das eigene Verhalten in Frage zu stellen"

Sie habe "signifikante Defizite in der Sozialkompetenz". Es sei zudem zu erkennen, dass die Professorin, "eine sehr ausgeprägte 'Nähebeziehung' zu gewissen ihrer Doktorierenden unterhielt, welche dann mitunter in eine gegenseitige starke Ablehnung umschlug. Das Gefühl für eine angemessene Distanz zwischen Lehrperson und Doktorierenden schien nicht immer vorhanden zu sein."

Zudem heißt es in dem Bericht, die Professorin habe in ihrer Anhörung "kein Problembewusstsein und kaum Bereitschaft, das eigene Verhalten in Frage zu stellen," erkennen lassen. Die Professorin habe sich zudem als Opfer einer Kampagne dargestellt, die von einer erfolglosen Doktorandin initiiert worden sei.

Die Kommission stellt fest, dass viele Anschuldigungen "weitgehend zutreffend" seien, das Verhalten der Professorin sei "inakzeptabel". Entgleisungen wie diese müssten frühzeitig aufgedeckt, konsequent geahndet und verhindert werden.

Sie erhält weiterhin ihr Gehalt

Dennoch spricht sich die Kommission dafür aus, die Professorin nicht zu entlassen. In dem Bericht heißt es: es gebe keine "belastbare rechtliche Möglichkeit zur Entlassung". Sie solle allerdings keine Doktoranden mehr allein betreuen, an einem Coaching teilnehmen, und sie müsse eine Probezeit von zwei Jahren absolvieren. Die Empfehlung der Kommission ist allerdings nicht bindend.

Über die Zukunft der Professorin entscheidet nun das Aufsichtsgremium der ETH, der sogenannte ETH-Rat. Gian-Andri Casutt, Pressesprecher des Rates, sagte dem SPIEGEL, die Wissenschaftlerin werde erneut befragt. Erst im Anschluss, wenn alle Prozesse juristisch korrekt abgelaufen seien, werde der Rat seine Entscheidung fällen. Damit sei voraussichtlich im Sommer zu rechnen.

Bis dahin ist die Professorin zwar von ihren Aufgaben freigestellt, wie die ETH dem SPIEGEL bestätigte, sie sei allerdings weiterhin angestellt und erhalte demnach auch ihren vollen Lohn - und der dürfte bei mehr als 200.000 Euro im Jahr liegen.

kha
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