
Jahns vor Gericht: Ex-Präsident wehrt sich
Ex-Uni-Chef vor Gericht "Messer in den Rücken gestoßen"
Vor Christopher Jahns steht ein kleines, rosafarbenes Plüsch-Schwein - als Glücksbringer zwischen Notizblock, Kopien und Aktenordnern. Das Schwein soll wohl die zarte, verletzliche, emotionale Seite von Jahns betonen, die er auch in seinem ausführlichen Statement an diesem ersten Prozesstag immer wieder betont. Es wirkt wie eine Pose.
Christopher Jahns, ehemaliger Präsident der European Business School (EBS) in Oestrich-Winkel, gab und gibt den Macher voller Selbstbewusstsein. Er steht vor dem Landgericht in Wiesbaden wie einer, der gekommen ist, um nach zweijährigen Ermittlungen gegen ihn nun endlich alles klarzustellen. Alles gerade zu rücken und der Wahrheit, seiner Wahrheit, Geltung zu verschaffen.
Anfang 2011 hatte der SPIEGEL erstmals über Vorwürfe berichtet, nach denen Jahns als Präsident der EBS nicht klar genug zwischen seiner Rolle als Hochschulchef und seinem Engagement als Unternehmer getrennt habe. Firmen, an denen er beteiligt war, zum Beispiel die Schweizer BrainNet, hatten der EBS Rechnungen geschrieben - die er als Hochschulpräsident wiederum genehmigte und auszahlen ließ.
Privatfahrten mit dem Dienstwagen, Untreue, Luftbuchungen
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hatte es für die fraglichen Rechnungen jedoch keine Gegenleistung gegeben, so dass die Anklage nun von 180.000 Euro Schaden für die EBS ausgeht. Im Frühjahr 2011 war Jahns nach Streit und Vertrauensverlust zunächst als Präsident der EBS zurückgetreten, kurzzeitig sogar verhaftet und von der Hochschule entlassen worden.
Außerdem, so die Anklage jetzt, soll Jahns in seiner Zeit an der EBS regelmäßig den Dienstwagen unberechtigt für private Fahrten genutzt haben - er ließ seinen Fahrer demnach schon mal Familienmitglieder vom Flughafen abholen oder Wäsche in die Reinigung bringen. Weitere gut 7000 Euro Schaden soll Jahns so verursacht haben. Gigantische Summen sind das nicht - trotzdem hat die Staatsanwaltschaft Dutzende Zeugen benannt, und bis Jahresende sind vorsorglich 28 Verhandlungstage terminiert worden.
"Völlig aus der Luft gegriffen" seien alle Vorwürfe, sagte Christopher Jahns an diesem Dienstag vor Gericht mit großer Geste. Es habe sehr wohl Gegenleistungen für die Rechnungen gegeben - und tatsächlich seien die Beträge für die externen Firmen noch viel zu niedrig ausgefallen. Ausführlich wolle er dem Gericht alles erklären, die Entwicklung der EBS und die ganzen Hintergründe der Vorwürfe gegen ihn.
Jahns schreibt sie missliebigen und neidischen Professoren und Mitarbeitern zu: "Die haben mir das Messer in den Rücken gestoßen, sobald sich die Gelegenheit dazu ergab." Jahns kündigt auch deshalb schon einmal an, an den kommenden Verhandlungstagen ausführlich Stellung nehmen zu wollen. Nach eigener Aussage hat er in den vergangenen zwei Jahren zudem ein Buch geschrieben, das den Kampf beschreiben soll, in dem der Ex-Hochschulpräsident sich derzeit wähnt - und wer seine Gegner dabei sind.
- Gegner Nr. 1: die Staatsanwaltschaft. Viel zu lange und vor allem einseitig seien die Ermittlungen geführt worden, so Jahns. Das betreffe auch neue Vorwürfe in einem zweiten Verfahren, in dem es um weitere 450.000 Euro Schaden geht - doch weil diese Dinge derzeit nicht verhandelt werden, ermahnte der Richter Jahns mehrfach, beim Thema zu bleiben. Jahns beteuerte immer wieder, sich ungerecht behandelt zu fühlen. Er weigerte sich, Fragen der Staatsanwältin zu seiner Person zu beantworten. "Sie haben uns zwei Jahre lang nicht gefragt - warum sollten wir jetzt etwas sagen?", sagte sein Anwalt. Jahns klagt zudem zurzeit selbst gegen eben die Gerichtsbarkeit, die ihn zur Verantwortung ziehen will: "Der Haftbefehl hat mich komplett vernichtet und insbesondere die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft am Tag danach." Dafür fordert er Schadensersatz.
- Gegner Nr. 2: die "Intriganten" aus der EBS. Vor allem zwei ehemalige Kollegen nannte Jahns vor Gericht mehrfach, denen er "aus Hass auf mich eine geplante Kampagne" vorwirft. Erst habe der Aufsichtsrat der Hochschule ihn stürzen sollen, dann die Professorenschaft - und als beides nicht fruchtete, hätten die "Verschwörer" den Weg in die Öffentlichkeit gewählt. "Das hat mich vom Hocker gehauen damals, damit hatte ich nicht gerechnet."
- Gegner Nr. 3: die EBS. Als Jahns 2006 zunächst als Rektor, später als Präsident die Leitung der Hochschule übernahm, sei sie "in einem grottigen Zustand" gewesen - veraltete Studiengänge, kaum Umsatz. Der Chefposten sei damals ein "absoluter Feuerstuhl" gewesen. "Der Aufsichtsratvorsitzende hatte in den Jahren davor sieben Rektoren und Geschäftsführer verschlissen", so Jahns in seiner Aussage. Dann kam man auf die Idee: "'Mensch, der Christopher, der schafft das!'" Bis zu Jahns Verhaftung sei es mit der Hochschule fortan bergauf gegangen - bis zu Eklat und Verhaftung.
Tatsächlich steckt die EBS in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Ein Bericht des Hessischen Rechnungshofs hat bestätigt, dass Fördergelder des Landes auch unter der Verantwortung von Jahns zweckentfremdet wurden. Knapp 25 Millionen Euro hatte die Landesregierung zum Aufbau einer neuen juristischen Fakultät in Wiesbaden zugesagt. Interne Dokumente, die dem SPIEGEL vorliegen, belegen, dass die Hochschule plante, damit unter anderem Finanzlöcher im laufenden Haushalt zu stopfen. Auch das könne er erklären, deutete Jahns heute an.
Allein: Diese Vorwürfe werden im jetzt laufenden Verfahren nicht behandelt. Es scheint, als müsse sich der Ex-Rektor und Ex-Präsident Christopher Jahns an seine neue Rolle als Angeklagter erst noch gewöhnen.