Exzellenzstrategie "Verlieren muss kein Todesstoß sein"

Die neue Runde der Exzellenzstrategie brachte die erwarteten Sieger. Die Verlierer spenden sich Trost: Auch aus Niederlagen lasse sich lernen.
Studenten gehen durch die Eingangshalle der Universität Bremen

Studenten gehen durch die Eingangshalle der Universität Bremen

Foto: Ingo Wagner/ picture alliance / dpa

Es müsse sich um einen Schreibfehler handeln, da war sich Bernd Scholz-Reiter sicher. Anders konnte sich der Rektor der Universität Bremen die Niederlage nicht erklären.

Ambitioniert waren seine Wissenschaftler in die Bewerbungsrunde der "Exzellenzstrategie" gestartet, jenes hochkarätigen Forschungswettbewerbs, dessen Sieger der Staat mit insgesamt 533 Millionen Euro jährlich belohnt. Doch die meisten scheiterten schon in der Vorrunde. Von fünf Forschergruppen - Cluster genannt -war nur eine erfolgreich und durfte ihr Konzept ausarbeiten.

Am Donnerstag gab die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bekannt, welche Konzepte tatsächlich gefördert werden. Maximal 50 sollten es sein, 57 wurden es dann; sie müssen sich das Geld nun teilen. Kleinere Hochschulen hatten nur geringe Chancen, die Sieger-Liste besteht zu einem Großteil aus alten Bekannten: den beiden Münchner Universitäten, die ebenso im Verbund antraten wie teils die Freie Universität, die Technische Universität und die Humboldt-Universität aus Berlin.

Hamburg brachte überraschend alle vier beantragten Cluster durch. Bonn ist wie erwartet erfolgreich und mit sechs Forschungsprojekten der große Gewinner des Wettbewerbs. Bremen ist wenigstens mit seiner einzigen verbliebenen Forschergruppe dabei: "Der Ozeanboden - unerforschte Schnittstelle der Erde".

"Das Verfahren bevorzugt große forschungsstarke Universitäten"

Das wird allerdings nicht ausreichen, um der Hochschule den schönen Titel "Exzellenz-Universität" zu erhalten. Die Entscheidung, wer sich damit schmücken darf, fällt erst im nächsten Jahr. Schon jetzt ist aber klar, wer dafür nicht infrage kommt: die Hochschulen mit zu wenigen förderwürdigen Clustern. Die Universität Bremen, Überraschungssieger von 2012, wird den Titel verlieren und damit rund zehn Millionen Euro Fördermittel einbüßen.

Foto: DER SPIEGEL

Ein Grund dafür liegt nach Ansicht Bernd Scholz-Reiters im neuen Vergabemodus: "Das Verfahren bevorzugt große forschungsstarke Universitäten." Der Rektor muss nun schauen, wie die Hochschule ohne das Exzellenz-Geld zurechtkommt. "Wir hoffen sehr, dass das Land Bremen den Verlust auffängt" - eine fromme Hoffnung in dem klammen Bundesland.

Was Bremen bevorsteht, den Verlust des prestigeträchtigen Titels, hat das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hinter sich. 2012 mussten die Wissenschaftler den Elitestatus abgeben, den sie sechs Jahre zuvor errungen hatten. "Das war ein herber Verlust an Reputation", sagt Präsident Holger Hanselka, "das Selbstverständnis aller hier war im Kern erschüttert."

Trotzreaktion

Im Nachhinein, sagt Hanselka, sei das damalige Scheitern erklärbar. In der ersten Exzellenzrunde 2006 trumpfte Karlsruhe damit auf, die Universität und das Helmholtz-Zentrum zu fusionieren, eine einmalige Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Forschungseinrichtung. "Das hat fachübergreifende Zusammenarbeit auf hohem Niveau ermöglicht", sagt Hanselka.

Gleichzeitig habe die Fusion viel Kraft gekostet. "Realisiert haben wir das erst, als der Titel schon weg war", sagt Hanselka. Die Exzellenz-Euphorie hatte den Blick für die Gegenwart verstellt. Aber noch etwas anderes habe er festgestellt: Der tiefe Fall setzte seiner Meinung nach enorme Energie frei - eine Trotzreaktion. "Viele haben damals gesagt: Jetzt erst recht!"

Christina Reinhardt ist Kanzlerin der Ruhruniversität Bochum, die 2006 und 2012 gleich zweimal knapp im Wettbewerb scheiterte. Beide Male galt Bochum als aussichtsreicher Außenseiter, beide Male war in der letzten Entscheidungsrunde Schluss.

"Sorgt dafür, das alles glänzt"

"Das war eine große Enttäuschung", sagt Reinhardt. Doch habe es durch die Bewerbung einen massiven Imagewandel gegeben. "Vorher galt Bochum als gesichtslose Massenuniversität." Im Wettbewerb aber schaffte es der damalige Rektor Elmar Weiler, den Uni-Angehörigen neues Selbstbewusstsein zu geben. "Er hat eine Rede vor den Hausmeistern gehalten", erzählt Reinhardt. "Ihr kennt den Laden hier besser als jeder andere. Sorgt dafür, dass alles sauber ist und glänzt. Ihr macht das für eure Kinder und Enkel, die hier mal an einer der besten Unis des Landes studieren werden", habe er gesagt.

Auch wenn der Einsatz letztlich nicht zum Ziel führte: Die verstärkte Identifikation mit der Universität habe Bestand gehabt, sagt Reinhardt. "Die Zahl der Drittmittel, der Sonderforschungsbereiche, der extern geförderten Projekte und der Studenten gehen seit ein paar Jahren nach oben." Die Grundlage dafür sei bei den beiden vergeblichen Anläufen gelegt worden: "Verlieren muss kein Todesstoß sein."

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