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Punkband Feine Sahne Fischfilet: "Wir spielen nicht vor Nazis"

Foto: Kay Oezdemir

Punkband Feine Sahne Fischfilet Linke Tour

Von der Antifa verehrt, von Nazis verprügelt, vom Verfassungsschutz beobachtet: Die Punkband Feine Sahne Fischfilet aus Mecklenburg-Vorpommern ist erstaunlich erfolgreich. Ein Heimatbesuch mit Sänger Jan Gorkow.

Es ist nicht ganz klar, ob Jan Gorkow wirklich auftaucht an diesem Nachmittag, Ende April in Jarmen. Der Sänger der Band Feine Sahne Fischfilet ist nur schwer zu erreichen. Seit er weiß, dass der Verfassungsschutz ihn im Visier hat, besitzt er kein Handy mehr. Man solle vor dem Aldi auf ihn warten, schlägt die Frau von der Plattenfirma vor.

Um 14 Uhr fährt tatsächlich ein schwarzer Kleinbus auf dem Parkplatz vor. Hinter dem Steuer sitzt Gorkow, 27 Jahre alt, Spitzname "Monchi". Ein Typ mit der Statur eines Bären und dem Händedruck eines Preisboxers. Um seinen großen Bauch spannt sich ein T-Shirt mit der Aufschrift Anti Fascist Action. Er trägt eine kurze Sporthose und Flipflops. "Ihr wollt also meinen Heimatort sehen?", fragt er.

Jarmen liegt in Mecklenburg-Vorpommern, eine gute Autostunde von Rostock entfernt. Hier ist Gorkow aufgewachsen, auch die übrigen fünf Bandmitglieder von Feine Sahne Fischfilet kommen aus der Umgebung: aus Demmin, aus Wismar, aus Greifswald. Inzwischen studieren vier von ihnen in Rostock: Kunstgeschichte, Politik, Germanistik und Kommunikationswissenschaft. Er selbst habe sich bisher mit "Import-Export-Geschäften" durchgeschlagen, sagt Gorkow - was immer das heißen mag.

Als Vorband von den Toten Hosen angefragt

Mit seiner offenbar prekären beruflichen Situation könnte es bald vorbei sein, denn er und die Provinz-Punker sind auf dem Weg nach oben. Das aktuelle Album "Bleiben oder Gehen" ist in den Charts, die Deutschlandtour, die gerade hinter ihnen liegt, war nahezu ausverkauft. Die Toten Hosen haben die Gruppe als Vorband angefragt - und Anfang Juni standen Auftritte bei Rock am Ring und Rock im Park an.

Feine Sahne Fischfilet steigen also auf die großen Bühnen dieser Republik, und nüchtern betrachtet ist das viel bemerkenswerter als bei Punkbands aus Berlin-Kreuzberg oder dem Hamburger Schanzenviertel. Nicht nur wegen des verrückten Namens, der - wie so vieles in der Bandgeschichte - unter Alkoholeinfluss zustande kam und irgendwann zur Gewohnheit wurde.

Erstaunlich ist der Erfolg der Band auch, weil es in etlichen Regionen Mecklenburg-Vorpommerns eine starke rechte Jugendkultur gibt und es dort zumindest heikel ist, eine linke Punkband zu gründen. Tatsächlich haben Gorkow und seine Bandkollegen schon viele Schlachten gegen ihre Feinde von rechts geschlagen, und es sieht so aus, als würde es noch einige weitere geben.

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Foto: Verena Brandt/ UNI SPIEGEL

Ausgabe 4/2015

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Gorkow spaziert durch die Straßen seines Heimatortes. Vorbei am Aldi-Markt und der Bäckerei seiner Tante. In einem Jugendraum der christlichen Gemeinde, ein paar Kilometer entfernt, hat die Band früher geprobt. An der Schule schauen ihm ein paar Kinder hinterher. "Monchi", sagt ein Mädchen an der Bushaltestelle. Gorkow ist jetzt bekannt in Jarmen und in der Nachbarschaft: für seine Musik, aber auch, weil Nazis in den umliegenden Dörfern Aufkleber von ihm verteilt haben, auf denen sein Schädel gespalten ist. Und weil im Verfassungsschutzbericht 2011 aus Mecklenburg-Vorpommern mehr über seine Band stand als über die Mörderbande vom NSU.

Jarmen hat etwas mehr als 3000 Einwohner. Das Eiscafé heißt Karibik, der Friseur Haarzauber. Im Ort gibt es eine Bundesligamannschaft für die etwas seltsame Sportart Motorball, auf Plakaten wirbt die Disco aus dem Nachbarort für eine Mallorca-Party mit "Sangria aus Eimern" und "Schnaps für 0,50 Euro". "Als Erstes machst du hier den Moped-Führerschein", sagt Gorkow.

Er war kein einfacher Typ als Teenager. Schon als Junge brannte er für die Fußballmannschaft von Hansa Rostock, die damals sogar in der Bundesliga spielte. Mit 14 schloss er sich der Ultra-Szene an. Er kaufte Bengalos im Angelgeschäft von Jarmen und prügelte sich mit den Fans der gegnerischen Teams. Einmal mussten ihn seine Eltern aus dem mehr als 600 Kilometer entfernten Dortmund abholen, weil er einen Polizisten angespuckt hatte. Gorkow bekam ein landesweites Stadionverbot: Trotzdem fuhr er der Mannschaft weiter hinterher, ins Trainingslager, nach Polen, nach Schottland.

Es ging nicht um Politik, es ging ums Feiern und Trinken

In seinem damaligen Freundeskreis wurden auch ultrarechte Bands wie "Landser" gehört, man war da nicht so wählerisch. Irgendwann nahm ein Hansa-Kumpel ihn zu einem Punkkonzert mit. Ihm gefiel, was er hörte, und er begann, sich Gedanken zu machen. Auf dem Weg zu den Auswärtsspielen konnte er das rechte Gelaber mancher Mitfahrer nicht mehr ertragen. "Ich hab keinen Sinn mehr darin gesehen", sagt er." Monchis Jugend war ein Drahtseilakt: Sie zeigt auch, wie schnell man nach rechts wegkippen kann. In seinem Bekanntenkreis seien heute noch viele "alles andere als links".

Im Jahr 2009 fragten ihn ehemalige Schulfreunde vom Gymnasium in Demmin, ob er nicht in ihrer Band singen wolle. Anfangs machten Feine Sahne Fischfilet Spaß-Punk, es ging nicht um Politik, es ging ums Feiern und Trinken. Dann passierte etwas, das alles veränderte: Zu einem der ersten Konzerte kamen alte Schulfreunde, und auffällig viele von ihnen trugen Thor-Steinar-Jacken, die bei Rechtsextremen sehr beliebt sind und als Erkennungsmerkmal dienen. Die Band verkündete, nicht anzufangen, wenn Rechte im Raum seien: "Wir spielen nicht vor Nazis", erklärte sie. Damit hatten sich die Provinz-Punker entschieden, auf der anderen Seite zu stehen. "Das so klar zu haben war ein großer Schritt für uns", sagt Gorkow.

Auf seinem Spaziergang in Jarmen ist er inzwischen am Fluss angekommen. Im Vorbeigehen zeigt er auf einen roten Smiley, der auf einem Schild klebt. Darauf steht "Ausländer raus - Immigrations - Not welcome". Er bleibt stehen, knibbelt den Aufkleber ab. "Das bringt doch nichts, die müssen das auf Deutsch oder Platt schreiben, sonst versteht das hier keiner", sagt er und grinst.

Im Musik-Business ist Gorkow mit Feine Sahne Fischfilet inzwischen zu einer der wichtigsten linksalternativen Stimmen gegen rechts geworden. Die Band spielt auf Antifa-Veranstaltungen, einzelne Mitglieder sind in antifaschistischen Gruppen engagiert, blockieren Nazi-Aufmärsche. Im Internet verkündete die Band früher: "Das, was wir machen, ist keine Kunst, nicht für die Galerie, nicht für die Glasvitrine. Es soll eine Art Werkzeug sein, um unserer Wut gegenüber Rassisten, Sexisten, Homophobie und Staat eine Stimme zu geben."

Die Band sagt ziemlich direkt, dass sie auch vor Gewalt gegen Nazis nicht zurückschrecken würde - und rief damit den Verfassungsschutz auf den Plan. In den Berichten des Jahres 2012 und 2013 wurden Interviews, Songtexte und Facebook-Einträge der Musiker dokumentiert. Vorläufiges Fazit: Die Band habe "Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung".

Die ständigen Scharmützel mit den Staatsschützern verschafften der Band nicht nur Aufmerksamkeit, sie kosteten auch Nerven und Auftritte: Wegen Sicherheitsrisiken oder Rückzug des Veranstalters mussten einige Konzerte abgesagt werde. Mehrmals kam es während ihrer Konzerte zu Prügeleien zwischen ihren Fans und Jugendlichen, die nicht ganz so links sind wie sie.

Man muss nicht alles gut finden, was Feine Sahne Fischfilet produziert, aber die Band bietet den Jugendlichen in den Provinzorten, die noch immer stark von rechten Gruppierungen beeinflusst werden, zumindest eine kulturelle Alternative. "Wenn 300 Kids mit uns hier zwischen Plattenbauten abgehen, dann gibt mir das mehr, als wenn wir in Berlin und Hamburg zweimal hintereinander in ausverkauften Klubs spielen", sagt Gorkow. Die Release-Partys ihrer Alben finden ausschließlich in der Heimat statt: "Ich feiere Leute, die in dieser Region bleiben. Provinz ist nichts Schlechtes, das sind hier keine Idioten", sagt Gorkow.

Zum Schluss will er noch etwas zeigen. Er holt den schwarzen Kleinbus und fährt an einen Badesee kurz hinter dem Ortsschild. "Hier haben früher immer alle abgehangen", sagt er und setzt sich an das Ende einer silbernen Rutsche, steckt die Füße ins Wasser. Er will hier, am See, ein Musik-Festival für die Jugend aus der Region organisieren. Wegen der angrenzenden Wiese habe er schon mit dem Bauern gesprochen. "Ich glaub, es ist wichtig, den Leuten nicht auf so eine Hippie-Art zu zeigen, dass es scheiße ist, Nazi zu sein. Musik kriegt das hin", sagt Gorkow.

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