
Fernbeziehung im Studium: Liebe auf Distanz
Fernbeziehung im Studium "Als würde ich sie allein lassen"
Fernbeziehung, das heißt: Nach der Arbeit heimkommen und alles ist dunkel. Mit Freunden essen gehen, nur ohne Partner. TV-Serien schauen und der Platz auf dem Sofa neben einem bleibt leer. Einer hat wahnsinnig viel Spaß, der andere ist nicht dabei. Und man verbringt jede Menge Zeit vor Skype, in Zügen und in nervigen Gesprächen mit der Mitfahrgelegenheit.
Das klingt kein bisschen romantisch. Eine Fernbeziehung führt kaum jemand freiwillig, und doch sind es immer mehr Menschen, die eine Phase ihres Beziehungslebens so verbringen. Die meisten davon sind unter 30 Jahre alt, haben Abitur oder einen Hochschulabschluss und leben in einer größeren Stadt. Sie passen ihr Liebesleben dem Studium oder Job an.
Aktuell führen zehn Prozent der Deutschen eine Fernbeziehung über mehr als 200 Kilometer hinweg, zwei Prozent eine über die Landesgrenzen, erhob die Agentur Promio . Besonders problematisch finden die Paare den fehlenden gemeinsamen Alltag, Sehnsucht und seltenen Sex. Doch auch ein paar Vorteile nennen sie: ihren Freiraum und die Vorfreude aufeinander.
Drei Paare erzählen, wie sie ihren Alltag trotz Distanz miteinander teilen.

Vivienne, 28, und Martin, 33
Distanz: 518 km (Hamburg - Wiesbaden)
Fernliebe seit: Juni 2014
Er sagt: Wir haben uns in meiner alten WG kennengelernt, als Vivi einen der Mitbewohner besuchte. Ich habe ihr Germanistik-Bücher vererbt, die ich nicht mehr fürs Studium brauchte. Etwa eineinhalb Jahre später frischten wir den Kontakt über Facebook auf und sind nun seit mehr als vier Jahren ein Paar. Mit Vivis Umzug bricht ein großes Stück gemeinsames Leben weg, gerade weil wir schon lange zusammen gewohnt haben. Wenn ich abends heimkomme, ist nur der Kater da, und es fehlt mir zu wissen, dass Vivi im Zimmer nebenan ist. Die Wertschätzung für die gemeinsame Zeit nimmt aber zu, das Vermissen macht noch deutlicher, was man am anderen hat. Natürlich ist auch Eifersucht ein Thema, wenn man getrennt lebt. Nicht, dass ich damit rechne, es könnte etwas passieren, aber der Gedanke kommt schon mal. Da empfinde ich es als gute Basis, dass wir schon lange zusammen sind, weil ich mir sicher bin, ich kann Vivi vertrauen. Die vererbten Uni-Bücher stehen übrigens heute hier in unserer Wohnung.
Sie sagt: In Norddeutschland zu leben ist unser gemeinsamer Traum. Nach meinem Studium war klar, ich mache den ersten Schritt. Jetzt bin ich Trainee in einer Kommunikationsagentur und Martin sucht einen neuen Job, um langfristig nach Hamburg zu kommen. Die Beziehung über diese Distanz zu führen, ist ein harter Einschnitt, den ich noch mehr spüre, weil ich hier auf mich allein gestellt bin. Besonders schlimm sind die Wochenenden, da rufe ich manchmal an und Martin muss mich trösten. Es fehlt mir, ihn einfach in den Arm nehmen zu können, diese Nähe - und das, obwohl wir jeden Tag skypen. Wenn wir uns sehen, dann in Hamburg. Ich befürchte, der Abschied würde mir nach einem Besuch in unserer Wohnung noch schwerer fallen. Die gemeinsame Zeit in Hamburg wiederum ist toll, ich liebe es, die Stadt zusammen zu erkunden. Die Beziehung hat sich schon verändert und diese Phase ist sicher eine kleine Bewährungsprobe. Eifersüchtig bin ich aber gar nicht, in der gemeinsamen Zeit hat sich sehr viel Vertrauen entwickelt. Was mir hilft ist zu wissen, es ist nur eine Lösung auf Zeit - und sie bringt uns näher an unseren gemeinsamen Traum.

Ashley, 22, und René, 35
Distanz: 6400 km (New York - Berlin)
Fernliebe seit: Mai 2013
Er sagt: Wir haben uns im Herbst 2012 über eine Dating-Plattform kennengelernt, als Ashley in Berlin studierte. Seit sie wieder in New York ist, leben wir die Beziehung über die Distanz, führen aber in vielerlei Hinsicht jeder ein Singleleben: Es ist egal, wie die Wohnung aussieht, ob ich am Wochenende stundenlang Rennrad fahre oder Freunde treffe. Manchmal wünsche ich mir da geradezu, Rücksicht nehmen zu müssen. Was uns zugute kommt, ist, dass wir beide auch unseren Freiraum brauchen. Außerdem haben wir eine Art Alltag etabliert, sind übers Internet ständig verbunden und skypen oft. Mir fällt es schwer, schlafen zu gehen: Durch die Zeitverschiebung muss Ashley abends und nachts auf mich verzichten und das fühlt sich ein bisschen so an, als würde ich sie allein lassen. Ich war im Sommer bei Ashley, sie kommt, wann immer genug Zeit und Geld da ist. Seit ihrem Abschluss an der New York University macht sie ein Fernstudium, und unser Ziel ist, dass sie nächsten Sommer nach Berlin kommt, wenn es mit einem Job und der Arbeitserlaubnis klappt.
Sie sagt: Wenn ich René besonders vermisse, schicke ich eine Nachricht auf Facebook und schreibe das, was ich ihm gern persönlich sagen würde, einfach auf. Zu wissen, dass er es später liest, genügt mir für den Moment. Was komplizierter geworden ist durch die Distanz, ist die Sprachbarriere, deshalb bemühen wir uns da um Eindeutigkeit in der Kommunikation. Die läuft übrigens fast komplett auf Englisch. An die Distanz habe ich mich schon gewöhnt, schwierig finde ich die Zeitverschiebung und dass wir nicht immer gleich dann reden können, wenn uns danach ist. Wenn ich einen vollen Tag habe, komme ich selten zu mehr, als René eine "gute Nacht" zu wünschen, bevor sein Tag vorbei ist. Ich bin ein bisschen dramatisch, das zeigt sich, wenn wir uns sehen und nicht alles so magisch ist, wie wir es erträumt haben. Da spielt vielleicht auch der Altersunterschied rein, ich bin jeden Monat ein neuer Mensch, René ist gut darin, derselbe zu bleiben. Eifersüchtig bin ich nicht, "life happens", sagt man: Wir bemühen uns einfach, in allen Bereichen offen und ehrlich miteinander umzugehen.

Jan, 27, und Leticia, 28
Distanz: 9860 km (Berlin - Guadalajara)
Fernliebe seit: Juli 2013
Er sagt: Wir haben uns kennengelernt, als ich während des Studiums in Mexiko war. Geplant hatte ich ein Semester, dann wurde ein Jahr daraus, Grund dafür war die Beziehung mit Lety. Als ich anfangs zurück war in Deutschland, haben wir oft über WhatsApp kommuniziert, aber festgestellt, da entstehen zu viele Missverständnisse, allein durch die Sprachen. Was mir fehlt, ist, Lety einfach erzählen zu können, was mir durch den Kopf geht. Wir heben uns alles fürs Wochenende auf, da skypen wir vier, fünf Stunden am Stück. Post zu schicken ist schwierig, weil in Mexiko nicht alles ankommt. Aber zum Jahrestag habe ich über Letys beste Freundin zwölf rote Rosen organisiert, das hat geklappt. Wir haben uns im vergangenen Jahr den ganzen Dezember gesehen, dieses Jahr kommt Lety dann wieder einen Monat. Natürlich ist das hart, aber wir trösten uns auch mit positiven Beispielen: Ihre Cousine hat das so acht Jahre durchgehalten, jetzt ist sie nach Deutschland gezogen und hat hier geheiratet. Um unsere Erfahrungen zu teilen und anderen in derselben Situation zu helfen, habe ich die Webseite Farlove gegründet. Dort sammle ich Tipps und Infos für Liebende in Fernbeziehungen.
Sie sagt: Für mich kam eine Fernbeziehung nie in Frage, weil ich nicht daran glaube. Aber Jan und ich haben viel und offen über unsere Situation gesprochen, und ich denke heute, dass Liebe das Warten wert sein kann, oder in unserem Fall: wert ist. Was mir hilft, ist, die ganze Sache langfristig zu betrachten und zu wissen, dann ist die Phase der Fernbeziehung eben nur noch eine Phase. Sich nicht in die Augen sehen, umarmen und küssen zu können, wenn mir danach ist, finde ich am schwierigsten. Anfangs dachte ich, positive Seiten gebe es gar nicht, inzwischen denke ich, das Gute an der Situation ist, dass wir uns beide selbst verwirklichen können, bevor wir gemeinsam leben. Wenn die Sehnsucht zu groß wird, ist das die Hölle, ich kann dann an nichts anderes denken. Aber man darf sich auch nicht so quälen, man muss das Leben genießen und sich in dieser Situation einfach ablenken. Außerdem können wir auch über die Distanz alles miteinander teilen, und das hilft mir.