Firmen-Schaulaufen Streit über Rüstungsschmiede auf dem Campus

An der Dortmunder Uni gibt es Zoff um die heikle Frage, ob die Nürnberger Rüstungsfirma Diehl bei einer Kontaktmesse Absolventen umgarnen darf. Die studentischen Veranstalter sagen ja, der Senat dagegen hat das Unternehmen für unerwünscht erklärt. Der Wirtschaftsdekan nannte das prompt "Gesinnungs-Diktatur".

Berufseinstieg bei einem Waffenhersteller? Die Rüstungsfirma Diehl will vom 9. bis 11. November an der Uni Dortmund um Mitarbeiter werben. Anlass ist die Kontaktmesse "Konaktiva", organisiert von Studenten, die 80 potenzielle Arbeitgeber zum Schaulaufen auf den Campus einladen. Die Teilnahme des Nürnberger Waffenherstellers, der seit 1955 die Bundeswehr beliefert, sorgt schon im Vorfeld für Streit.

"Diehl ist Produzent von völkerrechtlich umstrittenen Landminen und Streubomben", kritisiert die Dortmunder Campus-Gruppe der Globalisierungsgegner von Attac. Sprecher Reinald Ötsch: "Streubomben sind barbarische Waffen. Folgt man der Logik internationaler Verträge, müssten diese Waffen längst verboten sein." Ein Unternehmen, das solche Waffen herstellt, habe auf dem Campus nichts zu suchen.

Die studentischen Organisatoren der Konaktiva setzen dagegen, wie auch schon in den Vorjahren, auf die Entscheidungskompetenz ihrer Kommilitonen. "Eingeladen werden Unternehmen aus dem In- und Ausland. Und solange ein Unternehmen in Deutschland anerkannt ist und legal operiert, treffen wir keine Vorauswahl", sagt Konaktiva-Sprecherin Cornelia Querbach. Und das, obwohl der Senat der Universität Ende Oktober beschlossen hatte, Diehl die rote Karte zu zeigen. Ein Akt mit reiner Symbolkraft, denn das Hausrecht bei der Veranstaltung hat nicht die Uni, sondern die Studenteninitiative.

"Entscheidung den Studenten überlassen"

Uni-Rektor Eberhard Becker hatte trotzdem als Senatsvorsitzender an die Nürnberger Firmengruppe geschrieben, sie sei "auf dem Campus der Universität Dortmund nicht erwünscht". So wollte es die Senats-Mehrheit, auch wenn Wolfgang Schünemann, Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, anschließend über die "Gesinnungs-Dikatur" an der Uni schimpfte. "Ich würde bei einer Firma mit diesem Sortiment auch nicht anheuern wollen", so Schünemann gegenüber SPIEGEL ONLINE, "aber die Entscheidung darüber müssen wir den einzelnen Studenten überlassen und nicht durch Vorzensur treffen."

Unterstützt wurde der Senat in seiner rüstungskritischen Haltung von der Fachschaftsrätekonferenz der Uni. "Der Asta dagegen hat sich mit dem Thema nicht beschäftigt, und wir werden das wohl auch bis zur Veranstaltung nicht mehr tun", sagt Finanzreferent Sven Tombers. Der Grund seien unterschiedliche Positionen der am Asta beteiligten Listen. Im vergangenen Jahr war das noch anders gewesen: Seinerzeit hatte die Studentenvertretung selbst aktiv zu Protesten aufgerufen.

Die Firma Diehl, seit der Gründung vor hundert Jahren in Familienbesitz, beschäftigt über 10.000 Mitarbeiter und verzeichnet einen Umsatz von knapp 1,6 Milliarden Euro jährlich. Nach eigenen Angaben zählt sie "zu den wichtigen Ausrüstern der Bundeswehr und der Nato-Streitkräfte" und liefert im Bereich Verteidigungssysteme Produkte von Artillerieraketen über Lenkflugkörper und Munition bis zu Zündern.

Organisatoren rechnen nicht mit Krawallen

In Nürnberg wird die Dortmunder Diskussion mit Interesse, aber auch betonter Gelassenheit verfolgt. "Tatsächlich hat Diehl bis 1964 im Auftrag der Bundeswehr Schützenminen gefertigt, diese aber ausschließlich an die Bundeswehr geliefert", sagt Firmensprecher Michael Prymelski, "jede einzelne dieser Minen stand nachweisbar bis zu ihrer Vernichtung Ende 1997 im Gewahrsam der Bundeswehr." Nach 1965 habe Diehl solche Waffen gar nicht mehr hergestellt: "Diehl in Zusammenhang mit Minenopfern zu bringen, ist daher falsch."

Attac-Sprecher Reinald Ötsch will sich auf diese Argumentation nicht einlassen. Sollte Diehl tatsächlich nach Dortmund kommen, werde es Proteste geben: "Wir planen eine ironische Preisverleihung an die drei Unternehmen, die sich am stärksten über die Menschenrechte hinwegsetzen." Für Organisatorin Cornelia Querbach ist das nach den Erfahrungen im Vorjahr keine echte Drohung: "Im vergangenen Jahr haben etwa acht Leute gegen Diehl protestiert - gleichzeitig haben sich so viele Studenten bei Diehl beworben, dass sie immerhin in diesem Jahr wieder teilnehmen."

Dekan Wolfgang Schünemann findet die Diskussion ohnehin überflüssig: "Bei welchen Unternehmen wollen Sie denn den Trennstrich ziehen? Irgendwie ist doch fast jede Firma über Warenlieferungen oder Geldgeschäfte in den militärisch-industriellen Komplex eingebunden."

Zu ähnlichen Auseinandersetzungen wie in Dortmund kam es auch schon an anderen Universitäten. So hatte die Oldenburger Carl von Ossietzky Universität in Erinnerung an ihren Namensgeber einen Passus in die Satzung aufgenommen, nach dem militärische Forschung auf dem Campus nichts zu suchen hat (der Publizist von Ossietzky war Pazifist, Friedensnobelpreisträger und wurde 1938 von den Nazis ermordet).

Konflikte auch an anderen Unis

Ende August nahmen jedoch Oldenburger Forscher im benachbarten Delmenhorst an einer Tagung zu Hörgeräten und zur Spracherkennung teil, die vom US-Militär gesponsert wurde. Air Force, Navy und Army gehörten zu den Geldgebern - nicht weil sie ihre Soldaten flächendeckend mit Hörgeräten ausstatten wollen, sondern weil damit die Teilnahme von US-Wissenschaftlern ermöglicht wurde, die auf militärisch interessanten Feldern forschen.

Dass Spracherkennungssysteme dazu gehören ist offensichtlich. Trotzdem sieht Birger Kollmeier, Oldenburger Professor und Leiter des Uni-Hörzentrums, keine direkte Verbindung zur Rüstungsforschung. Zum einen sei die Tagung keine Veranstaltung der Uni Oldenburg gewesen, erklärte Kollmeier im Deutschlandfunk, zum anderen wurde der Kongress "von einem englischen Kollegen organisiert, und es gab deshalb keine Notwendigkeit, sich hier in irgendeiner Weise mit der Universität Oldenburg zu besprechen".

Diskussionen sind dagegen in Dortmund für die nächsten Tage programmiert. "Ich bin für eine offene Auseinandersetzung", sagt Dekan Wolfgang Schünemann mit Blick auf die angekündigten Proteste, "aber ich hoffe auf Rationalität, nicht auf krawallartige Diskurse."

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