Fotoprojekt Was ist typisch deutsch?

"Die Kunst Deutscher zu sein", so haben junge Fotodesigner der FH Dortmund eine Ausstellung ihrer Bilder genannt. Von Massenaufmärschen bis zur Mülltrennung spürten die Studenten Klischees und deutschen Tugenden nach - und häufig ihrer eigenen Herkunft.

28 Fotodesign-Studenten der Fachhochschule Dortmund widmeten sich ein Semester lang ihrem Heimatland: Wann ist man ein Deutscher oder eine Deutsche? Welches Bild haben andere Nationen von uns? Und was ist eigentlich typisch deutsch?

Die fotografische Annäherung an diese großen Fragen brachte bemerkenswerte Ergebnisse. So setzte ein Fotodesigner Orte und Szenen, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, in Landschaften für die Miniatureisenbahn um - das Tor des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau etwa oder eine zerbombte Innenstadt. Andere Seminarteilnehmer interviewten Deutsche mit ausländischen Eltern über ihr Verhältnis zu Deutschland oder nahmen deutsche Eigenheiten aufs Korn.

Die Arbeiten der Dortmunder Designer wurden auf den Internationalen Fototagen in Mannheim gezeigt und stießen dort auf so viel Zustimmung, dass die Ausstellung anschließend auf Tour ging. Bis Ende Februar sind die Werke im Goethe-Institut Washington ausgestellt, danach in den Kulturvertretungen in Casablanca und Rabat. Im Juli kehrt die Ausstellung zurück nach Berlin und ist dann in der Kommunalen Fotogalerie Friedrichshain zu sehen.

Die Auseinandersetzung mit nationalen Eigenheiten und Stereotypen, deutscher Geschichte und Gegenwart ist für junge Fotografen und Designer offenbar ein besonders reizvolles Thema. So machten Weimarer Studenten vor drei Jahren eine "Deutschland im Herbst"-Inventur; in Plakaten beschäftigten sie sich mit dem "Land der Dieter und Denker". Die Berliner Kommunikationsdesignerin Mareike Hölter, 27, unternahm kürzlich eine Fotosafari durchs Europa der Klischees und verwandelte sich selbst in 17 typische Europäerinnen ( "Die Polin haben alle sofort erkannt"). Und an der FH Dortmund starteten Grafikstudenten 2003 das Projekt "Design gegen Rechtsradikalismus", mit Plakaten und Postkarten zeigten sie Extremisten die rote Karte.

Das neue Dortmunder Projekt hat die Fotografieprofessorin Caroline Dlugos gemeinsam mit ihren Kollegen Cindy Gates, Heiner Schmitz und Jörg Winde betreut. Der fotografischen Umsetzung  seien umfangreiche Recherchen vorausgegangen, erzählt sie: "Das Bild muss erst im Kopf entstehen."

Die Studenten befragten unter anderem Passanten auf der Straße und gerieten auch untereinander in heftige Diskussionen - über Klischees etwa und darüber, ob es deutsche Tugenden gebe und was sie nach dem Nationalsozialismus noch wert seien.

Amerikanische Ausstellungsbesucher reagierten dagegen eher mit Befremden auf das zwiespältige Verhältnis junger Deutscher zu viel zitierten Tugenden wie Ordnung, Fleiß und Pünktlichkeit. "Sie sagen: 'Das ist doch das Wichtigste, was ihr habt'", erzählt Dlugos.


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