Uni-Vertrag unter Verschluss Wie transparent muss Forschung sein?

Campus der Uni Mainz: Was hat die Hochschule mit der Boehringer Ingelheim Stiftung vereinbart?
Es sind gewaltige Summen, die an die Universität Mainz fließen. 150 Millionen Euro bekommt sie von der privaten Boehringer Ingelheim Stiftung - "ein Ausdruck der Verbundenheit" mit der "Heimatregion", heißt es auf der Homepage der Stiftung, die ebenfalls in Mainz ansässig ist. Sie steht dem gleichnamigen Pharmaunternehmen nahe.
Um die Verträge ist nun ein Streit entbrannt, der eine grundsätzliche Frage aufwirft: Wie transparent müssen die Vereinbarungen sein, die Hochschulen mit privaten Geldgebern schließen? Wie tief sollen sich Forscher und ihre privaten Kooperationspartner in die Karten gucken lassen?
Der Konflikt begann im November vergangenen Jahres, als eine Studentin Vertragseinsicht bei der Universität beantragte. Sie berief sich dabei auf das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Rheinland-Pfalz, das jedem Bürger grundsätzlich Zugang zu amtlichen Dokumenten gewährt.
Ohne Erfolg. Zweimal musste sie ihrem Antrag einen Mahnbrief hinterherschicken - dann lehnte die Universität ab. Der Vertrag mit dem privaten Geldgeber falle in den "grundrechtlich geschützten Bereich der Forschung" und dürfe daher unter Verschluss bleiben.
Die Studentin wandte sich an den Landesbeauftragten für Informationsfreiheit, Edgar Wagner, der in Konfliktfällen vermitteln soll. Auch der Transparenzwächter verlangte von der Uni mehrfach, die Dokumente offenzulegen. Doch die blieb hart.
"Reinstes Mäzenatentum"
Es gebe aber nichts zu verbergen, sagt nun die Stiftung und bietet SPIEGEL ONLINE an, was der Studentin verwehrt bleiben soll: Ausgewählte Personen dürfen in den Räumen in Mainz die Verträge einsehen. Kopien sind nicht erlaubt. "Reinstes Mäzenatentum" betreibe die Pharmastiftung, bekräftigt Uni-Präsident Georg Krausch, ohne jedes Eigeninteresse. So etwas könne man sich heute ja nur so schwer vorstellen.
2009 sagte die Stiftung der Uni eine 100-Millionen-Euro-Spende zu. Das Geld ist für die Gründung eines Instituts für Molekulare Biologie gedacht. Wissenschaftler sollen hier Grundlagenforschung betreiben, die etwa zu neuen Krebstherapien führen könnte.
"Die Berufungsvereinbarung bedarf der Zustimmung der Stiftung"
In den Verträgen steht zwar nicht, dass die Boehringer Stiftung Studien vorab absegnen darf oder Exklusivrechte an den Forschungsergebnissen bekommt. Einfluss hat sie dennoch. Vor allem folgende Passagen zeigen das:
Das Institut kann nicht von Wissenschaftlern geführt werden, mit denen die Stiftung nicht einverstanden ist. Unter dem Punkt "gemeinsame Personalauswahl" ist in dem Vertrag festgehalten, dass Uni und Stiftung eine Findungskommission bilden, die nach Kandidaten sucht und sie zur Bewerbung auffordern. Der Text für die Stellenausschreibung wird anschließend "im Benehmen mit der Stiftung abgefasst". "Die Berufungsvereinbarung bedarf der Zustimmung der Stiftung", heißt es weiter.
Ein Beirat aus Fachexperten soll die Arbeit des Instituts bewerten und die Wissenschaftler beraten. Die Mitglieder des Gremiums müssen von der Uni wiederum "im Einvernehmen mit der Stiftung" benannt werden. Auch ein Vertreter der Stiftung kann dem Beirat angehören.
Wichtige organisatorische Fragen können nur mit der Zustimmung der Stiftung geregelt werden. Dazu gehören etwa die Bestellung der Geschäftsführung des Instituts sowie dessen Finanzplanung.
Und Werbung machen mit dem Namen der Pharmafirma soll die Universität außerdem: Paragraf eins des Gründungsdokuments des Instituts verlangt, "insbesondere auf Briefbögen und in Veröffentlichungen" stets den Zusatz "gefördert durch die Boehringer Ingelheim Stiftung" anzubringen.
Ähnliche Klauseln gibt es in vielen Verträgen zwischen Hochschulen und privaten Geldgebern - was nicht heißt, dass man darüber nicht streiten könnte. Und bei all dem bleibt die Frage: Warum will die Uni Mainz einen Vertrag, den sie als unverfänglich darstellt, nicht jedermann zugänglich machen? Sollten Bürger nicht grundsätzlich ein Recht darauf haben, sich über die Hintergründe bestimmter Forschungen zu informieren?
Die Frage beschäftigt Juristen schon länger. Eine Entscheidung dazu könnte der 18. August bringen. An diesem Tag verhandelt das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht darüber, ob die Uni Köln einen Kooperationsvertrag mit dem Pharmariesen Bayer offenlegen muss. In der Vorinstanz hatte das Bündnis "Coordination gegen Bayer-Gefahren" vor zwei Jahren verloren. Auf dieses Urteil beruft sich auch die Mainzer Uni in ihren Briefen an den Landesdatenschutzbeauftragten. Gut möglich also, dass die Kölner Geheimhaltung nicht mehr lange als Referenz taugt.
Transparenz mit Einschränkungen
Eine Personalie lohnt den Blick auf Mainz: Boehringer-Chef Andreas Barner, der gleichzeitig im Vorstand der Stiftung sitzt, ist seit 2013 Präsident des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft. Der Verband macht sich für die Kooperation von Unternehmen und Hochschulen stark und ist einflussreich in der Wissenschaftspolitik.
Öffentlich betont der Stifterverband immer wieder gern, wie wichtig Transparenz bei Uni-Kooperationen ist. "Alle Beteiligten verpflichten sich, jederzeit Rechenschaft über ihr Tun abzulegen", heißt es zum Beispiel in einem Verhaltenskodex des Stifterverbands.
Der Mainzer Fall zeigt: Gemeint ist damit immer nur Transparenz mit Einschränkungen. Die Verträge sehen darf, wen Stifter und Uni auswählen. Die Studentin, die sich auf ihr Recht auf Informationsfreiheit beruft, gehört nicht dazu.
Zusammengefasst: Eine Studentin will die Verträge der Uni Mainz mit der Boehringer Ingelheim Stiftung einsehen. Sie beruft sich auf das Informationsfreiheitsgesetz des Landes, das Bürgern Zugang zu amtlichen Dokumenten gewährt. Die Uni verweigert die Einsicht. Der Kooperationsvertrag, den SPIEGEL ONLINE einsehen konnte, zeigt, dass die Stiftung durchaus Einfluss hat, etwa auf die Auswahl von Institutsdirektoren. Es bleibt eine Grundsatzfrage: Wie transparent sollten Hochschulen ihre Vereinbarungen mit privaten Mittelgebern machen?