Sprachreform Uni Leipzig verteidigt Herr Professorin

Leipzigs Rektorin Beate Schücking: "Es gehört zur Tradition der Hochschule, Grenzen zu überschreiten"
Foto: Jan Woitas/ picture alliance / dpaViel Spott, etwas Lob, Kopfschütteln und wüste Beschimpfungen - die Universität Leipzig hat unterschiedliche Reaktion dafür geerntet, dass sie die Gleichstellung radikal vorantreiben und in ihrer Grundordnung nur noch weibliche Personenbezeichnungen verwenden will. In dem offiziellen Dokument soll nach einem Beschluss des Senats nur noch von "Professorinnen", "Wissenschaftlerinnen" und "Doktorandinnen" die Rede sein. Eine Fußnote stelle klar, dass damit auch die Männer gemeint seien, berichtete das Hochschulmagazin "duz".
"Wir bekommen viele unflätige E-Mails", sagte der Gleichstellungsbeauftragte der Uni, Georg Teichert, am Mittwoch zu SPIEGEL ONLINE. Studenten, Absolventen und Professoren beschwerten sich, dass die Regelung Männer diskriminiere und von mangelndem Sprachgefühl zeuge. "Erschreckend, dass so ein Blödsinn ausgerechnet im wissenschaftlichen Umfeld geschieht!", ätzte ein Internetnutzer unter dem Artikel, der auch im UniSPIEGEL erschienen war.
Trotz der harschen Kritik zeigt sich die Hochschulleitung unbeirrt: Mit so viel Aufregung habe man zwar nicht gerechnet, sagte Rektorin Beate Schücking. "Aber ich glaube nicht, dass sich unser Senat deswegen anders entscheiden würde." Es gehöre zur Tradition der Hochschule, Grenzen zu überschreiten und provokant auf Probleme hinzuweisen. Und bis Frauen in der Wissenschaft gleichgestellt seien, sei es noch ein weiter Weg.
Die Landesregierung will nicht einschreiten
Auch Teichert hofft, dass der Senat nicht einlenkt und das "Alleinstellungsmerkmal" in seiner Grundordnung wieder aufgibt. Sie tritt in Kraft, wenn das sächsische Wissenschaftsministerium in den nächsten vier Monaten keine Änderung verlangt. Danach sieht es nicht aus. "Die getroffene Sprachregelung ist eine der Autonomie der Universität Leipzig unterliegende Entscheidung", teilte eine Sprecherin mit.
Die Hochschule ist allerdings nicht die erste, die den Spieß in der sprachlichen Rollenverteilung umgedreht hat: Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) verwendet das sogenannte generische Femininum schon seit mehreren Jahren in offiziellen Schriftstücken, zum Beispiel in der Promotionsordnung für Informatiker und Maschinenbauer. Auch an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) galt bis zum Februar eine Promotionsordnung für Mediziner und Zahnmediziner , in der ebenfalls nur weibliche Bezeichnungen benutzt wurde.
Es standen darin Sätze wie: "Die Doktorandin zeigt der Präsidentin das Projekt vor dessen Beginn in der Form der Anlage 1 an." Das klingt auch darum skurril, weil die damalige "Präsidentin" ein Mann war. Der hieß Dieter Bitter-Suermann und hatte offenbar kein Problem damit, in dem Dokument in der weiblichen Form mitgemeint zu sein. Er habe 2010 selbst dafür plädiert, ausschließlich die weiblichen Bezeichnungen in dem Regelwerk zu nennen, erinnert sich die Gleichstellungsbeauftragte der MHH, Bärbel Miemietz.
"Wir waren zu früh damit"
Auch der Senat stimmte zu. Unter den Studenten war allerdings nicht jeder einverstanden: Der damalige Asta habe einen bösen Artikel in seiner Studentenzeitschrift veröffentlicht, dessen Autor die neue Sprachregelung ins Lächerliche gezogen habe, sagte Miemietz. Dennoch: Das Femininum überdauerte in der Promotionsordnung mehr als zwei Jahre lang.
Als die Ordnung im Februar erneut zur Abstimmung stand, stellte der Senat der weiblichen Form wieder eine männliche zur Seite. "Man wollte lieber ein bisschen langweilig und umständlich sein, aber dafür korrekt", sagte Miemietz und fügt bedauernd hinzu: "Wir waren zu früh damit. Es wurde hausintern diskutiert, aber darüber hinaus haben wir nicht für Furore gesorgt."
In der kommenden Woche steht die nächste Senatssitzung an. Dort will die Gleichstellungsbeauftragte den Wirbel um die Leipziger Grundordnung auf jeden Fall ansprechen. "Ich werde darauf hinweisen, dass wir da eigentlich Vorreiter gewesen sind", so die Frauenbeauftragte aus Hannover. Das habe man aber leider nicht ausreichend genutzt.